Es war ein aufregender Tag beziehungsweise eine aufregende Nacht im Damen-Tischtennis. Ding Ning wurde erstmals Olympiasiegerin, ihre geschlagene Rivalin Li Xiaoxia verkündete indes ihren Abtritt von der olympischen Bühne, vielleicht sogar vom Leistungssport generell.
Damit gelang Ding – trotz zwischenzeitlichen 2:3-Satzrückstands – die Revanche für das verlorene olympische Finale in London 2012. Nach verwandeltem Matchball war sie in Tränen aufgelöst – nicht unbedingt eine typische Reaktion für eine chinesische Spitzensportlerin. Und auf ihrer Facebook-Seite lesen wir: “This is unbelievable! I have waited so long for this, it is a dream come true!”
Die 26-Jährige mit den markanten Aufschlägen aus der Hocke – Weltmeisterin 2011 und 2015, World Cup-Siegerin 2011 und 2014 und Goldmedaillen-Gewinnerin bei den World Tour Grand Finals 2015 – konnte ihrer Titelsammlung nun endlich den ersehnten Olympiasieg im Einzel hinzufügen.
Li Xiaoxia will sich nicht länger quälen
Ihre 28-jährige Landsfrau Li Xiaoxia hatte sich nochmals zu großen olympischen Leistungen gequält und im Halbfinale eine Ai Fukuhara sogar regelrecht hingerichtet (11:4, 11:3, 11:1, 11:1!), doch im Endspiel fehlten ein paar Prozente, eigentlich nur Nuancen, um mit ihrem zweiten Olympiasieg abzutreten und sich eine Krone für die Ewigkeit aufzusetzen. So blieb der Weltmeisterin von 2013 eben nur der undankbare zweite Platz, der dennoch hoch anzusiedeln ist, gerade wenn man berücksichtig, was Li nach dem Finale zu Protokoll gab.
„Die Olympischen Spiele in Rio waren für mich eine großartige Gelegenheit, nochmals zurückzukommen. Ich denke, ich habe meine Pflicht erfüllt, die internationalen Konkurrentinnen auf Distanz gehalten und den Einzug ins Finale geschafft. Im Endspiel hat mir dann etwas Kraft, Schnelligkeit und Fitness gefehlt, so dass ich das Spiel nicht diktieren konnte und zu viel reagieren musste. Ich kann dieses hohe Trainings-Level nicht mehr aufrechterhalten. Zumindest im Augenblick ist es einfach zu viel für mich. Mein Körper wird nicht jünger. Ich hatte 2015 und auch schon in diesem Jahr mit zahlreichen Verletzungen und Krankheiten zu kämpfen. Immer wiederkehrende Probleme am Oberschenkel sind ein großes Handikap für mich. Eigentlich wollte ich schon zu Beginn des Jahres meinen Rücktritt erklären, bin aber nochmal eingesprungen, weil ich gebraucht wurde. Ich werde wieder spielen, wenn man mich braucht, doch ist unser gegenwärtiges Team so stark, dass es auch ohne mich erfolgreich sein wird.“
Eine großartige Sportlerin verkündet zunächst einmal, nicht mehr an Olympische Spielen teilzunehmen. Doch es klingt nach mehr, es klingt wie der Abtritt vom Leistungstischtennis generell. Die von Li Xiaoxia beschriebenen Einschränkungen wirken sich ja nicht nur bei Olympia aus, sondern auch bei Weltmeisterschaften, beim World Cup oder auf der World Tour. Schade aber nur zu verständlich!
Defensivkünstlerin Kim sichert Nordkorea die erste olympische Tischtennis-Medaille überhaupt
Die Bronzemedaillengewinnerin hatten vor dem Turnier nicht allzu viele auf der Rechnung. Die Nordkoreanerin Kim Song I zeigte an ihrem 22. Geburtstag allerdings, dass sie zu den weltbesten Abwehrspielerinnen zu rechnen ist, zumal sie auch vorzüglich blocken kann. Vielleicht ist sie sogar einen Tick stärker als die derzeit am höchsten im ITTF-Ranking gelistete Defensivspezialistin, Deutschlands Nummer eins Han Ying – aktuell auf Platz sieben notiert. Dass Kim im August lediglich als Nummer 50 der Welt geführt wird, hat keine Aussagekraft, da gerade die Spielerinnen aus der sogenannten Demokratischen Volksrepublik Korea von ihrem Verband nicht so viele internationale Turniereinsätze geboten bekommen wie Topsportler aus anderen Teilen der Welt. Im „kleinen Finale“ fand Ai Fukuhara, seit vielen Jahren unter de TOP 10 der Welt, kein Rezept, um die Koreanerin ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Und mit Ri Myong Sun (WRL 37), dem Alptraum von Petrissa Solja, hat Nordkorea gleich noch eine weitere „Verteidigerin“ im Sortiment, die als „Gummiwand“ brandgefährlich ist.
Dass Hirnwäsche auch bei grandiosen Tischtennisspielern glänzend funktionieren kann, stellte Kim in ihrem Statement an die Weltpresse unter Beweis: „Ich möchte diese Medaille unserem großartigen, überlegenen Führer widmen.“
Olympisches Finale Damen Rio 2016
Ding Ning CHN – Li Xiaoxia CHN 4:3 (11:9, 5:11, 14:12, 9:11, 8:11, 11:7, 11:7)
Spiel um die Bronzemedaille
Kim Song I PRK – Ai Fukuhara JPN 4:1 (11:7, 11:7, 11:5, 12:14, 11:5)
Wer besteigt den Herren-Thron?
Heute ist der große Tag der Entscheidungen bei den Herren. Zunächst stehen sich in den Halbfinals um 15 Uhr deutscher Zeit Ma Long und Jun Mizutani sowie Vladimir Samsonov und Zhang Jike gegenüber. Und am Abend in Rio, bei uns bereits Freitagfrüh, geht es um die Vergabe der Medaillen. Um 1.30 Uhr deutscher Zeit steigt das Match um Bronze und eine Stunde später das große Finale, in dem fast alle die beiden Top-Chinesen Ma Long und Zhang Jike erwarten. Doch wer weiß …
Photos (4) by courtesy of the ITTF.