Die TTF Liebherr Ochsenhausen haben sich vor über 4.000 Fans zum vierten Mal in der Vereinsgeschichte den deutschen Tischtennis-Pokal gesichert. Allerdings war der 3:1-Finalsieg über bärenstarke Bremer mit Steger und Tsuboi in Topform ein hartes Stück Arbeit.
15 Jahre mussten die Oberschwaben warten, um wieder einen Titel zu erringen. 2004 war man zuletzt doppelt erfolgreich mit Meisterschaft und Pokalsieg. Am Samstag war es endlich wieder so weit – allerdings vorerst „nur“ im Pokalwettbewerb.
Und das vor überragender Kulisse. 4.020 Zuschauer waren trotz des Schneetreibens in weiten Teilen Bayerns und Baden-Württemberg in die Neu-Ulmer Ratiopharm-Arena gekommen – ein neuer Final-Four-Rekord. Und die Stimmung in der Halle war grandios, auch wenn diesmal kein Timo Boll und keine Düsseldorfer Borussia beteiligt waren. Dazu trugen natürlich die vielen Zuschauer aus der Region bei, die überwiegend auf Seiten des „Platzhirschs“ aus Ochsenhausen standen. Aber auch der ASV Grünwettersbach brachte tolle Fans mit, bestimmt 200 an der Zahl, die – entsprechend gekleidet – eine „rote Wand“ in der Halle bildeten und den „Eyecatcher“ des Turniers darstellten.
Im Halbfinale hatten die Ochsenhausener wenig Mühe mit dem TTC Zugbrücke Grenzau, auch wenn die Westerwälder sich nach Kräften wehrten. Doch ein Matchgewinn gelang auch dem gegen Simon Gauzy stark spielenden Mihai Bobocica nicht. Der erstmals bei den TTF eingesetzte Südkoreaner Jang Woojin, aktuelle Nummer elf der Welt, packte durch ein 3:0 über den jungen Dänen Anders Lind den Sieg des Favoriten in trockene Tücher.
Im anderen Halbfinal-Match, das sehr viel länger dauerte, war Bremen zwar auch schon richtig gut, hatte jedoch auch das Glück des Tüchtigen gegen Grünwettersbacher, die lange auf Augenhöhe waren, aber in den ersten beiden Matches durch Dang Qiu (gegen Bastian Steger) und Ricardo Walther (gegen Gustavo Tsuboi) den Sack im Entscheidungssatz nicht zumachen konnten. Bojan Tokic verkürzte zwar in einem ebenfalls sehr umkämpften Spiel gegen Hunor Szöcs, doch im Anschluss ließ Steger Walther keine Chance und schoss Werder ins Finale.
Das Endspiel stand lange auf des Messers Schneide. Das dritte Match wurde zum Schlüsselspiel, nachdem zuvor Hugo Calderano seinen Pflichtsieg gegen Hunor Szöcs eingefahren hatte und Jang Woojin einem auf höchstem Level spielenden Bastian Steger knapp unterlegen war. Die Rede ist von der Partie zwischen Simon Gauzy und Gustavo Tsuboi. 2:2 stand es nach Sätzen, bis dahin eher schmeichelhaft für Gauzy, und Tsuboi schien im fünften Durchgang auf die Siegerstraße einzubiegen. Er führte mit 4:1 und hatte den Ochsenhausener in höchster Bedrängnis, der sich nur noch mit einer aus der Not geborenen Ballonabwehr zu helfen wusste, wie sie ihm Tsuboi vorher regelmäßig um die Ohren gehauen hatte. Der Ball kam nicht einmal besonders gefährlich zurück, aber er kam und Tsuboi verfehlte ihn. 4:2 statt 5:1. Gauzy ballte die Faust und war mit einem Schlag wieder voll da, während sein Gegner durch diesen einen Ball den Faden verlor. Die Folge: Gauzy machte aus dem 1:4 ein 11:4, die TTF führten mit 2:1 und Hugo Calderano konnte gegen Bastian Steger ganz anders aufspielen als bei einem Rückstand. Ein 3:0-Sieg des Weltranglistensechsten war die Folge gegen einen Steger, der zuvor gegen Dang Qiu, Ricardo Walther und Jang Woojin geglänzt hatte. Das war der Pokalsieg.
Zwischenzeitlich waren viele Ochsenhausener schon unruhig geworden und sahen den Außenseiter aus Norddeutschland, der völlig anders spielte als bisher in der Liga, auf dem Weg zu einem Sensationssieg. Aber dann folgte Gauzys einzige erfolgreiche Ballonabwehr und alles wendete sich für den TTBL-Spitzenreiter zum Guten.
Dmitrij Mazunov hatte zweimal als Spieler mit den TTF den Pokal gewonnen, heute das erste Mal als Cheftrainer. „Es ist einfach nur ein klasse Gefühl, einen Titel zu holen“, so Mazunov. „Das Gefühl heute war genau so großartig wie damals.“ Allerdings gestand der 47-Jährige auch ein: „Ich war die letzten zwei Tage vor dem Turnier ganz schön nervös. Als Spieler ist es nicht so schlimm, da kann du selbst etwas machen, aber als Trainer kannst du nicht selbst eingreifen und höchstens gute Tipps geben.“
Simon Gauzy, der zwei Tage zuvor Vater eines gesunden Sohnes namens Timéo geworden war, fiel ein Stein vom Herzen. „Das war eine sehr gute Woche für mich“, sagte der 24-jährige Franzose. „Es ist ein tolles Gefühl, jetzt in meinem sechsten Jahr in Ochsenhausen endlich mit diesem super Team den ersten Titel geholt zu haben.“ Sein Match gegen Gustavo Tsuboi, der heute teilweise traumhaftes Tischtennis spielte, stand – wie geschildert – lange auf der Kippe. Phasenweise traf der Brasilianer, den man auch anders kennt, traumhaft. „Gustavo hat heute unglaublich gespielt“, analysierte Gauzy. „Ich bin sehr froh, dass ich das Match noch drehen konnte. Ich glaube, das war sehr wichtig für das Team.“
Halbfinale
SV Werder Bremen – ASV Grünwettersbach 3:1
Bastian Steger – Dang Qiu 3:2 (8:11, 11:8, 4:11, 11:6, 12:10)
Gustavo Tsuboi – Ricardo Walther 3:2 (12:10, 15:13, 4:11, 5:11, 11:8)
Hunor Szöcs – Bojan Tokic 2:3 (7:11, 6:11, 12:10, 11:6, 9:11)
Bastian Steger – Ricardo Walther 3:0 (11:6, 11:9, 11:5)
TTC Zugbrücke Grenzau – TTF Liebherr Ochsenhausen 0:3
Mihai Bobocica – Simon Gauzy 1:3 (11:6, 11:13, 9:11, 10:12)
Kirill Gerassimenko – Hugo Calderano 1:3 (6:11, 6:11, 12:10, 9:11)
Anders Lind – Jang Woojin 0:3 (9:11, 5:11, 10:12)
Finale
TTF Liebherr Ochsenhausen – SV Werder Bremen 3:1
Hugo Calderano – Hunor Szöcs 3:1 (9:11, 11:5, 11:6, 11:6)
Jang Woojin – Bastian Steger 2:3 (11:7, 3:11, 5:11, 11:6, 9:11)
Simon Gauzy – Gustavo Tsuboi 3:2 (10:12, 11:9, 9:11, 11:9, 11:4)
Hugo Calderano – Bastian Steger 3:0 (13:11, 11:8, 11:3)
Text & Fotos (4): Dr. Stephan Roscher