Der Italiener Stefano Bosi, seit 17 Jahren Präsident des europäischen Tischtennis-Dachverbandes ETTU, strebt nach Höherem. Der 58-jährige Ex-Nationalspieler seines Landes und siebenmalige italienische Meister will den amtierenden ITTF-Präsidenten Adham Sharara im Mai dem Vernehmen nach aber weniger aus Karrieregründen ablösen.
Vielmehr wirft Bosi dem Kanadier, der den Weltverband seit 14 Jahren führt und über eine Fangemeinde verfügt, die ihn wegen seiner Reformfreudigkeit und seines Charismas preist, klipp und klar vor, die ITTF auf einen falschen Kurs gebracht zu haben.
In einer Presseerklärung der ETTU, in der Bosi seine Kandidatur erklärt und begründet, lässt der Italiener unter anderem verlauten: „Asien entwickelt sich im Tischtennis rasant weiter, während andere Kontinente auf der Stelle treten. Die Strategie der ITTF hat sich als nicht angemessen erwiesen. Man will lediglich alles unter eigener Kontrolle haben und ignoriert die Bedeutung der Kontinente. Doch die sind unser Herzstück und müssen so eng wie möglich zusammenarbeiten.“
Der Italiener fährt fort: „Ein großer Teil der internationalen Tischtennis-Familie, zu dem ich mich auch zähle, sieht die gegenwärtige ITTF-Strategie, alles zu zentralisieren und die Autonomie der Erdteile weiter zu reduzieren, mit Missbehagen.“
Bosi nennt weitere Gründe, die ihn bewogen hätten, gegen Sharara anzutreten: „Das von der ITTF präferierte System erzeugt diverse Probleme, unter anderem auch finanzieller Natur. Wir selbst haben einige Vertragsbrüche seitens des Weltverbandes erleben müssen. Es fehlt komplett an Transparenz innerhalb der ITTF. Ich möchte, dass diese als eine der größten Sportorganisationen der Welt mit 217 angeschlossenen Verbänden wieder eine große Sport-Gemeinschaft wird. Gegenwärtig ist sie mehr eine Firma oder ein großer Geschäftsbereich.“
Man darf gespannt sein, wie dieser Machtkampf, der sich eben auch um „weltanschauliche“ Positionen und Konzepte dreht, ausgeht. Viele hätten dem smarten Italiener Bosi, dem oft – vielleicht zu Unrecht – attestiert wurde, ein Mann des schönen Scheins zu sein, so viel Oppositionsgeist nicht zugetraut. Ob er, der bislang eher nicht für kämpferische Auftritte stand, dem weltgewandten Diplomatensohn Sharara in einer Kampfkandidatur beim ITTF-Kongress am 15. Mai in Paris gewachsen sein wird, muss sich natürlich erst noch zeigen.