Die TG 1837 Hanau, die 2009 als Bezirksligist die Bundesliga-Lizenz des TTV Gönnern, des einstigen Klubs von Timo Boll, übernommen hatte, hat sich entschlossen, sich ab sofort aus dem Spitzentischtennis zurückzuziehen.
Als Hauptgrund werden wirtschaftliche Probleme angeführt, die es unsicher erscheinen ließen, die Saison finanziell bestreiten zu können.
Diese Entscheidung bewegt die Gemüter von Funktionären, Kennern und Fans des dynamischen Rückschlagsports, der drei Jahre lang das Sportgeschehen in der Brüder-Grimm-Stadt geprägt hat. Wir holten Stimmen zum Rückzug der TG Hanau ein.
Besonders deutlich fällt die Reaktion des HTTV-Vizepräsidenten Leistungssport Andreas Hain aus. Hain empört sich über den Inhalt der Rückzugs-Presseerklärung des Vereins. Eher moderat äußert sich dagegen der bisherige TGH-Trainer Helmut Hampl. Angezweifelt wird von einigen Kennern der Szene, dass das Publikumsinteresse so gering gewesen sei wie in der Vereinserklärung zum Rückzug aus der TTBL angeführt. Sie gehen davon aus, dass bei intensiverer Bewerbung und stärkerem Eventcharakter die Halle gut zu füllen gewesen wäre. Zudem seien zu den wichtigen Spielen an Sonntagsnachmittagen immer noch bis zu 800 Zuschauer erschienen, was für die Tischtennisbundesliga kein schlechter Wert sei. Wir enthalten uns jeglicher Bewertung und geben nachfolgend die Statements in alphabetischer Folge wieder.
Patrick Franziska: „Es hatte sich angedeutet und kam daher für mich nicht überraschend.“
Manfred Gstettner, Präsident TTC Zugbrücke Grenzau: „Eine bedenkliche Entwicklung. Würzburg, Gönnern, Jülich und jetzt Hanau. Weitere Rückzüge werden folgen und Aufsteiger verzichten auf die Lizenzliga. Für die TT-Profiliga ohne TV etc. fehlen die wirtschaftlichen Voraussetzungen. Sponsoren, Gönner und Mäzene sind nicht vorhanden bzw. auf dem Rückzug. Wie soll es weitergehen?“
Andreas Hain, Vizepräsident HTTV: „Leider war das Ende abzusehen. Der Verein hat es mit der Entlassung seines Managers Johannes Hermann selbst eingeläutet. Das neue Management hatte leider überhaupt keinen sportlichen Sachverstand, und ohne diesen kann ich in der TT-Szene nicht agieren. Der HTTV hatte zahlreiche Vorschläge zur Etablierung des Standortes Hanau gemacht, doch leider hat der Verein nichts umgesetzt. Nicht nachvollziehbar ist für mich, wie man die Erfolge der sportlichen Ergebnisse auf Herrn Gottwald zurückführen will, das Training der Mannschaft wurde vom Bundesstützpunkt Frankfurt in Verbindung mit dem Cheftrainer des HTTV Helmut Hampl geleitet. Grundsätzlich kann ich nicht akzeptieren, dass der Verein in einer Presseerklärung Mitarbeiter des HTTV schlecht macht. Denn ohne diese Mitarbeiter und den HTTV hätte es die Bundesliga in Hanau nie gegeben. Dafür war der Verein viel zu schlecht strukturiert.“
Helmut Hampl, Cheftrainer Hessischer Tischtennis-Verband (HTTV): „Es ist sehr schade für Hessen und die Region, dass die TG Hanau die Tischtennisbundesliga aufgibt. Durch die Entwicklungen in den letzten Monaten war dies abzusehen. Mit Sicherheit hat dazu beigetragen, dass nach den Abgängen von Sven Rügner und Johannes Herrmann im Management der TG Hanau kein adäquater Ersatz für die Tischtennisbundesliga gefunden wurde. Es ist sehr, sehr schade!“
Danny Heister, Trainer Borussia Düsseldorf, Ex-Spieler d. TTV Gönnern: „Ich möchte nicht zu viel dazu sagen, weil ich die Interna nicht kenne. Aber generell ist es nicht gut für den Tischtennissport, wenn ein Bundesligaverein aufgibt. Vor allem bei Hanau ist es schade, weil sie die letzten Jahre mit deutschen Spielern gespielt haben.“
Johannes Herrmann, Ex-Manager TG Hanau: „Bei unserem Start vor über drei Jahren wollten wir die erfolgreiche Arbeit des TTV Gönnern fortsetzen. Eine Tischtennis-begeisterte und wirtschaftsstarke Region sollten zum Gelingen beitragen, zudem sollte die optimierte Anbindung an den Bundesstützpunkt Frankfurt sowie den Olympiastützpunkt Hessen genutzt werden. Dies alles ließ sich nur drei Spielzeiten aufrecht erhalten. Für mich einfach nur enttäuschend, wenn man bedenkt, mit welchem Ehrgeiz und Engagement wir den Wechsel damals von Gönnern nach Hanau vollzogen haben. Die Gründe sind vielschichtig, ich möchte mich an dieser Stelle aber nicht dazu äußern. Leider hat die TG Hanau die ihnen damals eingeräumte Chance, Bundesliga-Tischtennis präsentieren zu können, mit dem viel zu späten Bekanntwerden des Startverzichts keinem anderen Verein eingeräumt. Fazit: Unprofessionell, enttäuschend und letztlich einfach nur peinlich.“
Elisabeth u. Norbert Kühnberger, Tischtennisfans aus Frankfurt/Main: „Jahrelang haben wir gerne die Spiele des TTV Gönnern und zuletzt der TG Hanau besucht. Der überraschende Hanauer Rückzug hat uns ziemlich geschockt. Ohne den Erfolgstrainer Helmut Hampl war wohl Profitischtennis in Hanau nicht mehr machbar. Wirtschaftliche Kompetenz allein genügt eben nicht, um eine gute Bundesliga-Mannschaft zusammenzustellen und zu führen.“
Matthias Landfried, Trainer 1. FC Saarbrücken TT: „Es ist immer schwierig, interne Vorgänge bei einem Verein als Außenstehender zu beurteilen. Aber ich muss mich schon wundern, wenn man in der zweiten Monatshälfte des Aprils Verträge mit Spielern schließt, um sie dann zwei bis zweieinhalb Wochen später wieder aufzulösen. Wenn man Etatzahlen hört, die auch von TGH-Verantwortlichen in der Presse kommuniziert wurden, kann man nicht nachvollziehen, dass es alleine wirtschaftliche Gründe haben soll, die zum Aus geführt haben. Man hört dazu Gerüchte, dass in Hanau die Prioritäten Richtung Basketball verschoben wurden, aber meiner Meinung nach liegen die eigentlichen Gründe tiefer. Ich habe keine Probleme mit jetzigen oder früheren TGH-Verantwortlichen und komme mit allen persönlich gut zurecht, aber mich ärgert es schon, dass in diversen Medien immer nur über die TGH an sich und über die aktuellen und ehemaligen Funktionäre geschrieben wird, aber nicht über die Schicksale von Spielern, die aktuell in zumindest zwei von drei Fällen immer noch auf der Straße stehen.“
Michael Müller, TTV Gönnern, ehemaliges Mitglied des Ligaausschusses: „Schade für die TG Hanau, die sich wirklich sehr darum bemüht hat, die TTBL zu präsentieren. Leider zieht König Fußball zu viele Sponsoren, so dass es trotz des ganzen Engagements auch in Hanau nicht möglich ist, auf Dauer Weltklassetischtennis zu erhalten. Für die Spieler, die Verträge für die neue Saison haben, ist das natürlich der Super-GAU, denn jetzt noch einen Platz in der TTBL zu finden, dürfte sehr schwer sein.“
Dr. Robert Oestreich, Präsident TG Hanau: „Wir bewegten uns in einem recht positiven Rahmen, bis dann plötzlich Einschläge kamen. Der eine oder andere Sponsor wollte auf einmal weniger oder gar nichts mehr zahlen. Etwa 20 Prozent der Sponsorengelder standen in Frage. Unser Risiko wäre zu groß gewesen. Mit unseren Plänen in anderen Sportarten wie etwa Basketball hatte unsere Entscheidung gar nichts zu tun. Das ist eine ganz andere Sponsoren-Klientel als im Tischtennis. Da kann man nicht einfach das Geld aus dem einen Bereich wegnehmen und dem anderen geben. Wir standen aber nicht nur finanziell plötzlich auf wackeligen Beinen, sondern sahen uns auch mit der Situation konfrontiert, dass im Umfeld die Euphorie merklich zurückgegangen war. Wir hatten es nicht geschafft, den Euphorie-geladenen Anfang in einen dauerhaften Schwung umzuwandeln. Die Unterstützung in Verein und Umfeld war längst nicht mehr so breit wie in den ersten Jahren. Wir haben das nicht besonders gerne gemacht, sondern empfinden Wehmut, dass wir nicht mehr dabei sein können. Die Tischtennis-Bundesliga war für uns eine große Sache.“
Kristijan Pejinovic, Präsident TTF Liebherr Ochsenhausen: „Der Rückzug von Hanau ist natürlich eine Schwächung für die Bundesliga. Dies zeigt, dass die Vereine noch mehr arbeiten müssen, ebenso die Liga. Man muss versuchen, einen guten TV-Vertrag zu bekommen, um den Sponsoren und Partnern noch mehr Präsenz bieten zu können. Die Marke TTBL muss weiter ausgebaut werden, um attraktiver auch für neue Vereine zu werden. Das Fundament in den Klubs muss zudem stimmen. In Hanau scheint dies in den letzten drei Jahren leider nicht zu 100 Prozent gelungen zu sein.“
Richard Prause, Ex-Bundestrainer, Trainer Werner Schlager Academy, wohnhaft in Hanau: „Der Rückzug kommt auch für mich überraschend, zumal Hanau schon, neben dem bestehenden Vertrag mit Patrick Franziska, neue Spielerverträge abgeschlossen hatte. Bei Gacina hatte ich selbst den Kontakt hergestellt. Ich bedauere den Rückzug, zumal ich glaube, dass die Spieler sich weiterentwickelt haben und Hanau eine feste Tischtennisadresse hätte werden können.“
Andreas Preuß, Manager Borussia Düsseldorf: „Das ist ein großer Verlust für die Liga. Hanau hatte eine junge Boy-Group mit viel Perspektive und einem guten Trainer.“
Jörg Roßkopf, Bundestrainer: „Ich war über das Thema informiert. Es ist schon schade, dass solch ein toller Verein nun dicht macht. In der Region gibt es genügend Tischtennisfans. Aber man muss schon Ideen entwickeln, um die Fans dauerhaft anzulocken.“
Thomas Weikert, Präsident Deutscher Tischtennis-Bund: „Das ist sehr bedauerlich für die Liga. Ich hoffe, dass der Tischtennissport keinen Schaden nimmt. Unser bereits anerkannter Bundesstützpunkt in Frankfurt bleibt auch in den nächsten Jahren stabil.“
Foto: Ein Bild aus glücklichen Hanauer Tagen: Ruwen Filus, Patrick Franziska und Steffen Mengel (v.l.) bejubeln einen TGH-Sieg.