Sa., 11. Januar 2025
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OLYMPIA 2012: Finale verpasst trotz grandiosem Boll-Auftritt gegen Zhang Jike

Das war großes Kino vor 6.000 Zuschauern in der ausverkauften ExCeL-Arena! Timo Boll spielte eines der besten Matches seiner gesamten Karriere und schlug den amtierenden Einzel-Olympiasieger, Weltmeister, World-Cup-Sieger und Weltranglistenersten Zhang Jike – dennoch reichte es nicht zum großen Coup im olympischen Semifinale gegen Tischtennis-Weltmacht China.

Doch die DTTB-Asse agierten diesmal wirklich auf Augenhöhe – zumindest Boll und Ovtcharov – und forderten den Tischtennis-Giganten zweidreiviertel Stunden auf höchstem Niveau. Am Ende hieß es 1:3 aus deutscher Sicht, jedoch war wirklich mehr drin gewesen.

Am Mittwochmittag gilt es nun, die Auswahl Hongkongs im „kleinen Finale“ zu bezwingen, um London mit einer Mannschaftsmedaille, die hochverdient wäre, zu verlassen.

Die deutsche Mannschaft hätte auch mit 2:0 in Führung gehen können – und dann wäre tatsächlich alles möglich gewesen.  Angefeuert von der deutlichen Mehrheit der Fans lieferte nämlich Dimitrij Ovtcharov zum Auftakt Ma Long ein enges, umkämpftes Match, das er ohne weiteres auch hätte gewinnen können. Unter den Augen von Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière verlor „Dima“ Satz eins in der Verlängerung, um im zweiten Durchgang klar zu dominieren. Dann sah es bei 9:7 für den Bronzemedaillengewinner im Einzel erneut sehr gut aus, doch konnte er seinen Vorsprung nicht über die Ziellinie retten. Der vierte Satz geriet dann völlig daneben.

Danach der Galaauftritt des Timo Boll. Zwar konnte der Weltranglistensiebte eine 8:6-Führung im ersten Satz noch nicht ins Ziel bringen, doch dann war er richtig in dem hochklassigen, pfeilschnellen Match angekommen und hatte in den folgenden drei Durchgängen stets die besseren Lösungen in den entscheidenden Situationen parat. Sein 8:11, 11:8, 11:9 und 11:8 war absolut verdient und muss mit dem Prädikat „absolute Weltklasse“ versehen werden. Zhang Jike war am Ende auch sichtlich konsterniert – so stark hätte er den Deutschen nach dessen überwiegend bescheidenen Auftritten im bisherigen Turnier nicht erwartet. Unglaublich: Boll verliert in London gegen Crisan und Persson, lässt aber die unumstrittene Nummer eins im Welttischtennis alt aussehen!

Den Schwung nahm der Oderwälder mit ins anschließende Doppel, in dem es an der Seite Bastian Stegers gegen Wang Hao/Zhang Jike ging. Nach gewonnenem ersten Durchgang schnellten die deutschen Hoffnungen steil in die Höhe, doch es wurde nichts daraus. Die Chinesen, besonders der bärenstarke Wang, bekamen die Partie immer besser in den Griff und siegten mit 3:1.

Nun musste also Steger die Sensation gegen Ma Long schaffen, um sein Team im Spiel zu halten. Doch diese Aufgabe überforderte den amtierenden deutschen Einzelmeister, der für Ma – hungrig darauf, sich und der Welt seine Klasse zu beweisen, nachdem er im Einzelwettbewerb nur hatte zuschauen dürfen – ein besserer Sparringspartner war. „Basti“ gab zwar nie auf und lieferte dem Topspieler aus dem Reich der Mitte einige schöne Ballwechsel, eine echte Chance besaß er jedoch nicht.

Man muss – ohne Stegers Leistung und seinen Einsatz zu schmälern – in aller Klarheit aussprechen, dass der Favoritensturz letztlich auch daran scheiterte, dass der DTTB derzeit lediglich zwei Spieler hat, die das extreme Niveau und Tempo der Chinesen mitgehen und mit Erfolgschancen dagegenhalten können. Alles in allem war es jedoch ein großartiger Auftritt der deutschen Nationalmannschaft in einem würdigen olympischen Halbfinale, das auch das Endspiel hätte sein können. 

Leicht favorisiert geht das DTTB-Team nun ins „kleine Finale“ am Mittwoch gegen Hongkong, das im anderen Halbfinale gegen Südkorea seine Chancen nicht nutzen konnte – ein Einzel sowie das Doppel gingen jeweils mit 9:11 im 5. Satz verloren. Boll & Co. gehen nach dem heutigen Auftritt leicht favorisiert ins Rennen um Bronze, sofern sie rechtzeitig die Köpfe frei bekommen und gut erholt am Tisch stehen. Aber Achtung: Hongkong mit Tang Peng, Jiang Tianyi und dem aus der Bundesliga bestens bekannten Leung Chu Yan ist alles andere als ein einfach zu spielender Widersacher – es könnte nochmals richtig eng werden.

 

Stimmen zum Spiel

Timo Boll: „Es war meine Auferstehung, aber leider unser Untergang. Wir haben ein klasse Spiel gezeigt. Es war schon ein tolles Erlebnis, mal wieder so ein Spiel gegen die Chinesen abzuliefern. Aber wir müssen bei ihnen anerkennen, dass selbst wenn einer von ihnen wackelt, die anderen in den entscheidenden Phasen ihr bestes Tischtennis spielen.“

Dimitrij Ovtcharov: „Spielerisch war ich drei Sätze lang auf einem Niveau mit Ma Long. Mit meiner Leistung kann ich sehr zufrieden sein, nur mit der Niederlage bin ich natürlich nicht glücklich. Wir werden keine Motivationsprobleme haben, am Mittwoch die Medaille nach Hause zu bringen.“

Bastian Steger: „Ma Long ist natürlich viel besser, keine Frage. Man spielt auch zu selten gegen solche Leute, um dieses Level mitgehen zu können, vor allem bei den Aufschlägen. Wir haben uns im Doppel gut gewehrt, mussten aber am Ende die starke Leistung der Chinesen anerkennen. Hut ab vor China, dass sie trotz dieses Spielstandes so cool waren.“

Jörg Roßkopf: „“Wir haben heute ein gutes Spiel gemacht und unsere Chancen gehabt. Es war eine richtig gute Mannschaftsleistung gegen sehr starke Chinesen. Ich bin sehr froh, dass Timo aus seinem Tief draußen ist. Er hat unglaublich gut gespielt. Jetzt müssen wir die Niederlage schnell vergessen, den Schalter umlegen und übermorgen unser nächstes Finale um Bronze spielen. Nach dem heutigen Spiel sind wir sehr optimistisch, wissen aber auch, dass jedes Spiel bei 0:0 anfängt.“

Dirk Schimmelpfennig (DTTB-Sportdirektor): „Wir haben ein großes Spiel gesehen, bei dem wir dem großen Favoriten dieser Tischtenniswettbewerbe lange Zeit auf Augenhöhe begegnet sind. Bei Olympischen Spielen haben wir schon viel erlebt, aber dass einer hier im Einzel eine so große Enttäuschung erlebt und im Mannschaftswettbewerb in einem solchen Spiel wieder zurückkommt – das zeigt, was für ein großartiger Sportler Timo ist.“

 


 

Herren-Mannschaft, Halbfinale 

Südkorea – Hongkong 3:0

Deutschland – China 1:3 

Dimitrij Ovtcharov – Ma Long 1:3 (-10,5,-9,-1)
Timo Boll – Zhang Jike 3:1 (-8,8,9,8)
Timo Boll/Bastian Steger – Wang Hao/Zhang Jike 1:3 (10,-8,-5,-5)
Bastian Steger – Ma Long 0:3 (-3,-5,-7)

 

Zum Vergleich: Resultate des Endspiels der WM in Dortmund

Deutschland – China 0:3
Timo Boll – Zhang Jike 2:3 (-10, -6, 9, 10, -6)
Dimitrij Ovtcharov – Ma Long 0:3 (-3, -9, -11)
Patrick Baum – Wang Hao 1:3 (8, -5, -5, -10)

 

Olympisches Finale in London am Mittwoch um 16:30 Uhr

Südkorea – China

Spiel um Bronze um 12 Uhr

Hongkong – Deutschland 

 

 

Damen-Mannschaft, Halbfinale

Singapur – Japan 0:3

China – Südkorea 3:0

 

Finale am Dienstag um 16:30 Uhr

Japan – China

Spiel um Bronze am Dienstag um 12 Uhr

Singapur – Südkorea 

 

Links

Zu den Olympia-Seiten auf der ITTF-Website

http://www.london2012.com/table-tennis/

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