TTF Liebherr Ochsenhausen, der südlichste deutsche Erstligist, zählt seit Jahren zu den nationalen Topteams. Auch international kann man bereits einiges an Erfolgen vorweisen. Allerdings liegt der letzte Titel acht Jahre zurück. Mit Neuzugang Ryu Seung Min könnten die Oberschwaben eine sehr gute Rolle in der Saison 2012/13 spielen.
Mit dem 22. April 2012, dem letzten regulären Spieltag der Saison 2011/12, hatte Rainer Ihle nach Jahrzehnten an der Spitze des Vereins das Amt des TTF-Präsidenten an den vormaligen Vizepräsidenten und Manager Kristijan Pejinovic weitergegeben.
Der 32-Jährige geht nun in seine erste komplette Saison an der Spitze des Klubs. Dies war Anlass, kurz vor dem ersten Bundesligaspieltag mit Pejinovic ein ausgiebiges Gespräch über Erwartungen, Ziele und Perspektiven der Arbeit in Ochsenhausen zu führen.
Waren Sie überrascht als Rainer Ihle Ihnen kurz vor der WM in Dortmund offenbart hat, dass er den Staffelstab schon zum Ende der Saison 2011/12 an Sie weitergeben würde?
K. Pejinovic: „Ich war sehr überrascht und gleichzeitig verwundert, dass ein Mann bzw. Macher von seinem „Schlag“ das Amt so einfach überreichen kann. Wir sprechen ja hierbei nicht einfach von einem Job oder einer Arbeit, hierbei handelt es sich ja immerhin um das Lebenswerk von Rainer Ihle. Ich bin sehr stolz, dass er mir den Staffelstab weitergegeben hat. Er hatte zwar immer wieder mal davon gesprochen, dass er sich dies vorstellen kann und wir hatten die letzten Monate öfters dieses Thema besprochen, aber ich hatte dies nicht so frühzeitig erwartet.“
Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger, oder soll alles in den bewährten Bahnen bleiben?
„Warum sollte ich etwas ändern, was sich fast 20 Jahre bewährt und bestens funktioniert hat. Natürlich bin ich nicht Rainer und werde sicher manches anders machen, aber er hat in all diesen Jahren bewiesen, dass das „Flagschiff“ TTF Liebherr Ochsenhausen immer auf dem richtigen Kurs geführt wurde, und acht Titel nach Ochsenhausen geholt.“
Kann Rainer Ihle als Berater des Vereins weiterhin wichtige Hilfestellung leisten, bleibt es beim „Dreamteam“ Ihle-Pejinovic?
„Selbstverständlich! Ich will die Zusammenarbeit mit Rainer nicht missen. So viel Erfahrung, Leidenschaft und unbändiger Wille ist nicht einfach mal kurz zu ersetzen. Wir haben uns in all den Jahren immer perfekt ergänzt und mehr als sehr gut zusammengearbeitet. Das „Dreamteam Ihle-Pejinovic“ bleibt noch einige Jahre sicher bestehen.“
Welches sind Ihre wichtigsten Ziele für die nächsten Jahre?
„Die wichtigsten Ziele für die nächsten Jahre sind zum einen, dass wir wieder ein Bundesligateam mit Zukunft auf die Beine stellen und dieses einige Jahre halten können, um zu versuchen, wieder den ein oder anderen Titel nach Ochsenhausen zu holen. Zum anderen haben wir ja unser neues Sparkassen TT-Leistungszentrum errichtet – worauf wir sehr stolz sind -, und mit diesem möchten wir unseren Sport noch größer in unserer Region machen und schauen, dass wir ein paar Talente ausbilden und aufbauen können. Nicht weniger wichtig ist, wie sich unsere Strategie für das Liebherr Masters College weiterentwickelt. Es ist ein schwieriges Projekt, aber wir arbeiten weiterhin akribisch daran und sind optimistisch, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Sie sehen, wir haben noch einiges vor uns.“
TTF Liebherr Ochsenhausen ist einer der aktivsten Bundesligisten in Deutschland. Stichworte: Ambitionierte Bundesliga-Mannschaft, Sparkassen-TT-Leistungszentrum, Liebherr Masters College u.v.m. Das erfordert unglaublich viel Arbeit und Hingabe. Was ist zu tun, um sich nicht zu verzetteln und nicht auf zu vielen Hochzeiten zu tanzen?
„Man benötigt hierbei ein voll funktionierendes „Backup“. Das heißt, wir brauchen Mitarbeiter, die Leidenschaft, Visionen, Disziplin und Gewissen verkörpern. Mit diesen Werten sind wir sicher, dass wir unsere „Projekte“ weiterbringen und uns nicht verzetteln. Ich bin stolz, dass wir solch ein Team um uns haben.“
Sie haben es ja schon teilweise mit beantwortet, lassen sie mich dennoch nachhaken: Machen hier in Ochsenhausen einfach nur diverse Leute ihren „Job“ oder steht eine ganz spezielle Philosophie hinter den Aktivitäten?
„Einfach hier einen „Job“ abzuliefern reicht nicht, um Titel zu gewinnen oder um solche Projekte auf die Beine zu stellen. Unsere Mitarbeiter, Kollegen und Vereinsmitglieder unterstützen uns mit bestem Wissen und Gewissen und geben stets 100% für die gemeinsame Sache. Sie brennen darauf, sich und ihre Ideen mit einzubringen.“
Ärgert es Sie, dass in Ochsenhausen so viel passiert wie kaum anderswo in Tischtennis-Deutschland und es trotzdem nicht überall zur Kenntnis genommen wird?
„Aber nein! Wir arbeiten gerne daran und glauben an unsere Philosophie und Vision. Wir versuchen, immer das Beste für das Tischtennis zu kreieren, und natürlich würde ich mir wünschen, dass andere Standorte ebenso akribisch daran arbeiten. Wir wollen uns verbessern und immer das Maximum erreichen – der Erfolg wird uns Recht geben.“
Wie kann man das „Produkt TTBL“ attraktiver und vor allem für Sponsoren interessanter machen?
Die Liga arbeitet hart an der Umsetzung vieler interessanter Projekte, und wir versuchen dies zu 100 Prozent zu unterstützen. Die TTBL ist aber noch jung und es braucht Zeit, bis sich ein Produkt oder eine Marke etablieren kann. Dies kann nicht von heute auf morgen geschehen. Wichtigstes Stichwort ist hierbei eindeutig das Fernsehen. Aber man arbeitet mit Nachdruck an diesem Punkt.“
TTF Liebherr Ochsenhausen kann sich über mangelndes Sponsoreninteresse nicht beklagen. Weshalb ist das so, was wird hier besser gemacht als bei manch anderen Vereinen?
„Rainer Ihle hat es in all den Jahren verstanden, als Kommunikator zu wirken und unsere Partner für unseren fantastischen Sport zu begeistern. Ebenso hat er schnell begriffen, dass jeder Sport auch professionelle Strukturen braucht, um weiter wachsen zu können. Diese hat er auch aufgebaut, und wir haben mittlerweile einige Mitarbeiter, die diese Philosophie weitertragen und leben. Man sollte für seine Partner immer die „Extrameile“ gehen und Dienstleistung leben. Dies wird oft in anderen Vereinen vergessen.“
Sie sind ja von Hause aus kein Tischtennis-Spieler. Ist Ihnen dieser Sport inzwischen so ans Herz gewachsen als hätten Sie nie etwas anderes gemacht?
„Aber ja! Ich begleite diesen Sport nun seit über 16 Jahren. Ich selber bin kein guter Spieler aber auch daran kann man arbeiten.“
Werden Sie auch künftig bei allen Spielen auf der Ochsenhausener Bank sitzen?
„Nein, hier habe ich in meiner neuen Funktion nichts verloren. Das Team wird auch ohne mich auf der Bank ganz gut klarkommen – oder meinen Sie etwa nicht?“
Dies war die Überleitung zur kommenden Saison. Was bedeutet es für den Verein, nun einen Olympiasieger in den eigenen Reihen zu haben? Soll Ryu Seung Min als Symbolfigur fungieren und zum Leitwolf werden?
„Wir sind sehr stolz auf die Neuverpflichtung von Ryu Seung Min! Wir müssen Ihm und seiner Familie erst einmal die nötige Ruhe geben, sich in Ochsenhausen bzw. Deutschland zu integrieren. Er soll sich erst festigen und langsam in unsere „Familie“ aufgenommen werden. Dies braucht Zeit. Selbstverständlich ist es etwas besonderes, einen Olympiasieger im Team zu haben – aber es ist ja keine Erfolgsgarantie. Das Team muss funktionieren.“
Wird die Mannschaft mit Ryu deutlich stärker sein als das Team der letzten Saison, bei dem es über weite Strecken nicht optimal lief?
„Das werden wir feststellen. Wichtig ist, was ich bei der Frage zuvor bereits angesprochen habe, dass sich Ryu erst festigt und sich wohl fühlt. Wenn dieser „Prozess“ funktioniert, glaube ich ganz sicher, dass wir stärker sind als in der letzten Saison.“
Was kann man von der neuen Truppe erwarten, welches sind die Saisonziele? Sind in der neuen Besetzung Titel möglich?
„Wir werden sehen, wie sich die Jungs als Team verstehen und wie der Trainer die Mannschaft „zusammenschweißt“. Saisonziele sollten sicher das Erreichen des Pokal-Finales, der Play-offs und des Viertelfinales in der ECL sein. Wenn sich die Jungs schnell als Team finden, ist vielleicht auch ein Titel in einem der Wettbewerbe drin. Wir dürfen unsere sehr starke Konkurrenz hierbei allerdings nicht vergessen oder aus dem Auge verlieren. Die restlichen Klubs haben Ihre Teams enorm verstärkt und somit ist alles kein Selbstläufer. Wir werden es sehen – es bleibt spannend!“
(Quelle: TTF Liebherr Ochsenhausen)