Am vorletzten Tag der EM im dänischen Herning lichtete sich das deutsche Lager. Von zehn am Vortag noch im Turnier befindlichen Spielerinnen und Spielern des DTTB blieben am Samstag acht auf der Strecke. Lediglich Timo Boll und Bastian Steger sind noch im Rennen um den EM-Titel der Herren.
In einem Fall war Sorglosigkeit die Ursache für das Ausscheiden, die hart aber absolut regelkonform bestraft wurde. Der Düsseldorfer Patrick Baum, in den letzten beiden Jahren EM-Finalist, hatte den Bremer Adrian Crisan im Achtelfinale bereits geschlagen, musste dann jedoch wegen eines nicht korrekten Schlägers disqualifiziert werden. Da die Schiedsrichter vor dem Match zu dicke Beläge bei Baums Schläger festgestellt hatten, musste das Ersatz-Spielgerät herhalten, das in der Kontrolle nach dem Spiel ebenfalls mit einem um 0,05 Millimeter zu dicken schwarzen Belag gemessen wurde.
Enttäuschend das Ausscheiden des an zwei gesetzten Orenburgers Dimitrij Ovtcharov im Viertelfinale, der gegen Fliegengewicht Tan Rui Wu (Kroatien) in sieben Sätzen den Kürzeren zog. In der Runde zuvor verabschiedeten sich zwei Ex-Hanauer: Der Neu-Maberzeller Patrick Franziska unterlag Wirbelwind Tan Rui trotz 2:1-Satzführung noch mit 2:4, während der für Grenzau aufschlagende Ruwen Filus gegen den Weißrussen Vladimir Samsonov beim 0:4 ohne Chance blieb.
Ganz groß präsentierte sich indes der 1,70 Meter kleine amtierende deutsche Einzelmeister Bastian Steger, dem – nach einem kräftezehrenden 4:3 über den griechischen Defensivstrategen Panagiotis Gionis – ein kaum für möglich gehaltenes 4:0 gegen Samsonov glückte, der erste Sieg von „Basti“ gegen „Vladi“ überhaupt. Am Sonntagmittag hat Steger nun die Chance, durch einen Sieg gegen Tan Rui ins Endspiel einzuziehen. Aber Achtung: Tan kennt Stegers Stärken und Schwächen sehr genau – beide spielten einst in Frickenhausen in einer Mannschaft.
Timo Boll befindet sich auf Goldkurs, zumindest scheint alles möglich nach dem 4:1 des Odenwälders im Viertelfinale gegen den Grenzauer Andrej Gacina – nach dem 3:2 Bolls vor drei Wochen in der TTBL erneut ein Megaspiel zwischen den beiden Konkurrenten. Im Halbfinale trifft der Odenwälder auf Adrian Crisan, der dem Saarbrücker Bundesliga-Portugiesen Joao Monteiro im Viertelfinale keine Chance ließ, und will sich unbedingt für das Olympia-Aus gegen den Rumänen in London revanchieren. Gewinnt der an Position eins gesetzte Weltranglistenfünfte, ist er im Endspiel gegen Steger oder Tan glasklarer Favorit. Boll benötigt also noch zwei Matchgewinne zum sechsten EM-Einzelsieg seiner Karriere.
Bei den DTTB-Damen gab es am Samstag zwar auch Erfreuliches zu berichten, die Runde der besten Acht bedeutete jedoch für die letzte Verbliebene die Endstation. Ganz stark trat Kristin Silbereisen im Viertelfinale gegen die an eins gesetzte Spanierin Shen Yanfei auf und besiegte die Favoritin mit 4:1. Im Halbfinale musste sich die Kroppacherin dann jedoch der Östereicherin Liu Jia in fünf Sätzen beugen.
Die an zwei gesetzte Wu Jiaduo, Europameisterin in Stuttgart 2009, verabschiedete sich bereits eine Runde zuvor gegen die französische Abwehrspezialistin Li Xue in sechs Sätzen. Nicht besser erging es Irene Ivancan (2:4 gegen die Rumänin Daniela Dodean) und Sabine Winter (1:4 gegen die Schwedin Matilda Ekholm).
Das erste Halbfinale bestreiten am Sonntag Liu Jia und die Französin Xian Yi Fang (10 Uhr) – Fang hatte sich gegen die Berliner Bundesligaspielerin Georgina Pota in der Runde der letzten Acht durchgesetzt (4:2). Li Xue, die Ekholm mit 4:0 abfertigte, und Viktoria Pavlovich, die Weißrussin schaltete im Viertelfinale Dodean mit 4:2 aus, treffen um 10:50 Uhr aufeinander.
Die Doppel-Wettbewerbe endeten am Samstag mit zweimal Bronze für den DTTB. Dimitrij Ovtcharov unterlag an der Seite Vladimir Samsonovs im Halbfinale den späteren Turniersiegern Robert Gardos/Daniel Habesohn (4:3-Endspielsieger gegen die Schweden Kristian Karlsson/Mattias Karlsson) mit 2:4. Bei den Damen schieden Kristin Silbereisen/Wu Jiaduo gegen das rumänische Topdoppel Daniela Dodean/Elizabeta Samara, das später auch das Endspiel gegen die Ungarinnen Georgina Pota/Krisztina Toth gewann, in sieben Durchgängen aus. Somit gingen die ersten beiden Goldmedaillen des Turniers an Österreich und Rumänien.
Stimmen aus dem deutschen Lager
Timo Boll: „Ich bin mit dem Spiel sehr zufrieden. Gacina ist eine harte Nuss. In der Form bin ich schon ein Kandidat auf den Titel. Aber ich muss diese Leistung auch immer wieder abrufen. Allein für den Matchball hat es sich schon gelohnt anzureisen. Solche Bälle gibt es ganz selten, erst recht nicht bei einem Matchball. So einen spektakulären Matchball hatte ich noch nie.“
Bastian Steger: „Das 4:0 gegen Vladi ist für mich schon überraschend. Ich hatte gegen ihn vorher noch nie gewonnen. Das letzte Mal habe ich vor einem Monat in der Champions League 1:3 verloren. Ich wusste aber, dass ich eine Chance habe. Er hat vielleicht nicht so gut gespielt, aber das ist mir jetzt auch völlig egal. Ich habe endlich die EM-Einzelmedaille. Letztes Jahr habe ich sie knapp verfehlt, das war extrem bitter. Da habe ich mich schon gefragt, ob ich überhaupt noch mal eine Chance kriegen würde. Ich bin jetzt total erleichtert, das Ziel ist erreicht, das Selbstvertrauen groß.“
Dimitrij Ovtcharov: „Bei 9:7 im siebten Satz gegen Tan Rui wollte ich zu viel. Ich habe 3:1 und in einigen Sätzen hoch geführt und die Führungen nicht nach Hause gebracht. Das ist Sport. Für mich ist es trotzdem ein super Jahr gewesen mit dem Höhepunkt Olympische Spiele.“
Patrick Baum: „Meinen Ersatzschläger habe ich gestern noch mal geklebt. Der schwarze Belag war heute 0,05 Millimeter zu dick. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Ich bin noch nie mit meinem Schläger durchgefallen, habe daher auch nicht mehr gemessen. Das war mein Fehler, ich hätte die Schläger vorher noch mal testen lassen müssen. Das sind die Regeln, die man einhalten muss.“
Kristin Silbereisen (zum Spiel gegen Liu Jia): „Ich bin nicht so gut in die Partie reingekommen. Es ist schwierig für mich gegen sie, weil sie keinen eigenen Ball schnell macht. Sie spielt mich oft kurz an oder eben weich. Im dritten Satz habe ich ein paar leichte Fehler gemacht, bei 1:2 sieht es vielleicht anders aus. Sie hat aber verdient gewonnen. Für mich war es dennoch ein gutes Turnier.“
Kristin Silbereisen (zum Spiel gegen Shen Yanfei): „Ich bin sehr glücklich, viel besser kann ich gegen sie nicht spielen. Von drei Spielen gegen sie zuvor hatte ich zwei gewonnen, das letzte bei der WM in Dortmund allerdings verloren. Gestern am späten Abend habe ich mir das Video noch mal angeschaut. Es war wichtig, von Anfang an gleich da zu sein. Sie ist eine Spielerin, die bei Rückständen schnell einfache Fehler macht, bei Führungen aber sehr stark spielt. Von daher musste ich von Anfang an da sein. Ich habe meinen neuen Aufschlag aus der Vorhand ausprobiert und bin damit sehr gut ins Spiel gekommen.“
Wu Jiaduo: „Ich hatte keine wirkliche Waffe gegen Li Xue. In der großen Halle fliegen meine Bälle zudem noch einen Tick langsamer. Sie hat von hinten heraus fast jeden Ball zurückgebracht, dazu keine Schupffehler gemacht. Vielleicht hätte ich noch etwas mehr Risiko gehen sollen. Gegen Abwehr muss ich die ganze Zeit mit der Vorhand ziehen, am Ende hat mir nach dem langen Jahr mit WM und Olympia auch etwas die Kraft gefehlt.“
Irene Ivancan: „Ich bin enttäuscht, weil ich nicht so gut gespielt habe und trotzdem eine Chance gegen Dodean hatte. In der Champions League habe ich sie ganz locker geschlagen, diesmal war ich nicht so gut. Die Spiele, die ich hier gewonnen habe, waren aber gut.“
Ausgewählte EM-Spiele live auf laola1.tv
Website der EM in Herning mit allen Ergebnissen
Herren-Einzel
Halbfinale (am Sonntag)
Timo Boll GER – Adrian Crisan ROU (12:00 Uhr)
Bastian Steger GER – Tan Rui Wu HRV (12:50 Uhr)
Viertelfinale
Timo Boll GER – Andrej Gacina HRV 4:1 (6, -7, 8, 17, 8)
Bastian Steger GER – Vladimir Samsonov BLR 4:0 (11, 4, 8, 6)
Dimitrij Ovtcharov GER – Tan Rui Wu HRV 3:4 (1, -8, 4, 10, -8, -9, -9)
Adrian Crisan ROU – Joao Monteiro POR 4:0 (8, 5, 6, 5)
Achtelfinale (Spieler DTTB)
Timo Boll GER – Daniel Gorak POL 4:2 (-9, 8, 5, -9, 1, 6)
Patrick Baum GER – Adrian Crisan ROU 0:4 (Baum disqualifiziert)
Dimitrij Ovtcharov GER – Tiago Apolonia POR 4:1 (9, -6, 6, 6, 7)
Bastian Steger GER – Panagiotis Gionis GRE 4:3 (-11, -9, 8, 5, 13, -8, 9)
Patrick Franziska GER – Tan Rui Wu HRV 2:4 (-9, 8, 10, -5, -7, -4)
Ruwen Filus GER – Vladimir Samsonov BLR 0:4 (-7, -7, -9, -8)
Damen-Einzel
Halbfinale (am Sonntag)
Liu Jia AUT – Xian Yi Fang FRA (10:00 Uhr)
Viktoria Pavlovich BLR – Li Xue FRA (10:50 Uhr)
Viertelfinale
Kristin Silbereisen GER – Liu Jia AUT 1:4 (-5, -8, -10, 8, -2)
Georgina Pota HUN – Xian Yi Fang FRA 2:4 (-9, -8, -5, 10, 7, -5)
Viktoria Pavlovich BLR – Daniela Dodean ROU 4:2 (-8, 4, -7, 9, 9, 11)
Matilda Ekholm SWE – Li Xue FRA 0:4 (-5, -15, -9, -4)
Achtelfinale (Spielerinnen DTTB):
Kristin Silbereisen GER – Shen Yanfei ESP 4:1 (7, 7, 8, -5, 2)
Irene Ivancan GER – Daniela Dodean ROU 2:4 (-7, -9, -2, 9, 10, -6)
Wu Jiaduo GER – Li Xue FRA 2:4 (4, -7, 10, -7, -8, -10)
Sabine Winter GER – Matilda Ekholm SWE 1:4 (-7, -9, 8, -7, 5)
Herren-Doppel
Finale
Robert Gardos/Daniel Habesohn AUT – Kristian Karlsson/Mattias Karlsson SWE 4:3 (10, 9, -10, -11, 5, -13, 10)
Halbfinale
Dimitrij Ovtcharov GER/Vladimir Samsonov BLR – Robert Gardos/Daniel Habesohn AUT 2:4 (-2, -8, 7, -7, 7, -5)
Kristian Karlsson/Mattias Karlsson SWE – Alexey Liventsov/Mikhail Paykov RUS 4:3 (-7, -10, 9, 12, 5, -6, 10)
Damen-Doppel
Finale
Daniela Dodean/Elizabeta Samara ROU – Georgina Pota/Krisztina Toth HUN 4:3 (-7, -8, -9, 7, 7, 19, 5)
Halbfinale
Kristin Silbereisen/Wu Jiaduo GER – Daniela Dodean/Elizabeta Samara ROU 3:4 (-15, 6, -10, 5, 11, -8, -5)
Georgina Pota/Krisztina Toth HUN – Dora Csilla Madarasz/Britt Eerland HUN/NED 4:3 (7, 6, -8, 9, -9, -14, 10)
ZEITPLAN
Sonntag, 21. Oktober 2012
10:00 Damen-Einzel, Halbfinale
10:50 Damen-Einzel, Halbfinale
12:00 Herren-Einzel, Halbfinale
12:50 Herren- Einzel, Halbfinale
14:45 Damen- Einzel, Finale
15:50 Herren- Einzel, Finale
Anschließend Siegerehrung Einzelwettbewerb
SETZUNGEN DER DTTB-SPIELER
Herren-Einzel
1. Timo Boll
2. Dimitrij Ovtcharov
8. Bastian Steger
10. Patrick Baum
12. Christian Süß
28. Ruwen Filus
33. Patrick Franziska
Herren-Doppel
3. Dimitrij Ovtcharov GER/Vladimir Samsonov BLR
Damen-Einzel
2. Wu Jiaduo
10. Kristin Silbereisen
13. Irene Ivancan
19. Zhenqi Barthel
38. Sabine Winter
Damen-Doppel
3. Wu Jiaduo/Kristin Silbereisen
8. Irene Ivancan GER/Polina Mikhaylova RUS
TITELTRÄGER DER EM 2011 IN DANZIG
Herren-Mannschaft: Deutschland
Damen-Mannschaft: Niederlande (Deutschland 5.)
Herren-Einzel: Timo Boll GER (Patrick Baum GER, Endspiel)
Damen-Einzel: Li Jiao NED (Irene Ivancan GER, Endspiel)
Herren-Doppel: Marcos Freitas/Andrej Gacina POR/HRV
Damen-Doppel: Ruta Paskauskiene/Oxana Fadeeva LTU/RUS