Der TTC Ruhrstadt Herne zieht seine Mannschaft mit sofortiger Wirkung aus der TTBL zurück
Obwohl Deutschland in Europa und sogar auch weltweit im Bereich der Nationalmannschaft sehr erfolgreich ist, steckt der Mannschaftsspitzensport in einer tiefen Krise.
In die Reihe der Negativschlagzeilen reiht sich nun der sofortige Rückzug des TTC Ruhrstadt Herne aus der laufenden Bundesligasaison ein, der weder am Sonntag in der TTBL gegen Borussia Düsseldorf noch in einer Woche beim DTTB-Pokal Final 8 in der Stuttgarter Porsche-Arena antreten wird.
Die Verantwortlichen des TTC Ruhrstadt-Herne begründeten das sofortige Aus mit finanziellen Gründen, insbesondere da von der TTBL kein weiterer Aufschub für ausstehende Zahlungen von Beiträgen und Gebühren für Livestreaming zu bekommen war.
Nachdem die Erstklassigkeit schon von Beginn an ein finanzieller Kraftakt war und ein Aufstiegsrecht in die TTBL erst nach zweimaligem Titelgewinn in der 1. Bundesliga wahr genommen wurde, gehen jetzt schlagartig und zum aktuellen Zeitpunkt unmittelbar vor dem Düsseldorf-Spiel und dem Pokal-Highlight doch sehr überraschend, die Lichter aus. Nachrücker für das DTTB LIEBHERR Pokalfinale in Stuttgart ist der TTC Altena, der Anfang September im Achtelfinale gegen Herne mit 1:3 unterlag.
Einem drohenden Lizenzentzug durch die TTBL ist der TTC Ruhrstadt Herne mit seinem Rückzug zuvorgekommen. Anscheinend hat sich die TTBL GmbH auch nicht auf persönliche Bürgschaften der Herner Verantwortlichen eingelassen und pochten auf die sofortig Zahlung der offenen Posten. Aufgrund bislang nicht eingegangener zugesagter Zahlungen von Sponsoren konnte der TTC Ruhrstadt Herne dieser Aufforderung nicht nachkommen und es besteht die Gefahr, Insolvenz anmelden zu müssen.
Die finanzielle Situation spielte auch eine große Rolle für den sportlichen Bereich des TTC Ruhrstadt Herne, da man gezwungen war, mit nur drei Tischtennisprofis in die Saison zu gehen, so dass u.a. aus verletzungsbedingten Gründen mehrere Spiele mit einer Rumpftruppe bestritten werden mussten. In Bestbesetzung war Herne konkurrenzfähig, das zeigten die Qualifikation für das DTTB-Pokal Final 8 und die Siege gegen den TTC Fulda Maberzell und den SV Plüderhausen, auch die knappe 2:3 Niederlage gegen den TTC Zugbrücke Grenzau.
Es soll kein kompletter Abschied sein, der Verein plant in der kommenden Saison einen Neuanfang in der 2. Bundesliga und strebt Anfang 2013 Gespräche mit Spielern und Sponsoren an.
Für diesen Neustart erhoffen sich Peter Kukovic (1. Vorsitzender TTC Ruhrstadt Herne) und Arthur Schemp (Geschäftsführer der Lizenzabteilung) Unterstützung von den bisherigen Partnern, bei denen sie sich auch für die Unterstützung bedankte, die das Projekt 1. Liga erst ermöglicht hatte.
Jetzt stehen erst einmal unruhige Wochen mit unangenehmen Gesprächen an, um rechtliche Dinge zu klären und Lösungen für die Spieler zu suchen, die jetzt zumindest das nächste halbe Jahr arbeitslos sein werden, da vor Saisonende keine Vereinswechsel möglich sind.
Aus Spielerkreisen war zu hören, dass der Verein die Situation gegenüber ihnen offen kommuniziert hat, aber dass die letztendliche Entwicklung natürlich trotzdem ein Schock sei. Aufgrund der Regeln, die einen Wechsel innerhalb des Deutschen TT-Bundes zur Rückrunde ausschließen, werden sich die Spieler im Ausland umschauen, ob es dort Möglichkeiten gibt, allerdings sei die Hoffnung gering.
Damit besteht die TTBL nur noch aus acht Mannschaften, nachdem schon zum Saisonstart durch das Aus der TG Hanau nur noch neun statt zehn Teams ins Rennen gingen. Damit steht die höchste deutsche Herrenliga nicht besser da als die 1. Bundesliga Damen, die vor der Saison nur durch einen Kraftakt die Liga mit ebenfalls neun statt eigentlich zehn Teams besetzen konnte.
Erst vor einigen Tagen gab der Serienmeister der letzten Jahre, aktuelle Tabellenführer und Herbstmeister der 1. Bundesliga Damen, der FSV Kroppach, seinen Rückzug zum Saisonende bekannt.
Darüber hinaus ist TT-NEWS aus vertraulicher Quelle bekannt, dass ein weiterer Erstligist kurz davor steht, seine Mannschaft zum Saisonende zurück zu ziehen, ebenfalls aus finanziellen Gründen wie jetzt auch beim TTC Ruhrstadt Herne.
Kommentar von TT-NEWS:
Spätestens jetzt dürfte dem Letzten klar sein, dass die Zeit des Handels gekommen ist. Turnierserien wie die ITTF World Tour und der Euro-Africa Circuit sind auf dem Vormarsch, schon jetzt sind weitere Turnierserien wie die Challenger Series für viele Spieler sehr attraktiv geworden. Es gibt Beispiele aus anderen Sportarten, in denen die 1. Bundesliga nur noch ein Schatten ihrer selbst ist.
Die Umstrukturierung der Bundesligen kann ein richtiger Schritt sein, der sicherlich Umstellungsprobleme und eine Übergangszeit mit sich bringen wird, da einige Vereine sich mit der kommenden Situation nicht anfreunden können, aber wenn man die Gesamtproblematik betrachtet, dürfte es der richtige Weg sein. Ein fehlendes Puzzleteil könnte noch sein, dass die TTBL weiterhin mit dem von vielen ungeliebten Dreiersystem auf einem Tisch spielt, und nachziehen sollte, damit in den obersten drei Spielklassen einheitlich mit Viererteams auf zwei Tischen gespielt wird – früher hat es doch auch funktioniert und Fernsehübertragungsträume wurden, abgesehen von einem zweieinhalbjährigen Intermezzo mit der Firma Contenthouse, bis heute nicht erfüllt.
Das wäre eine Chance, dass sich alles innerhalb von wenigen Jahren einpendelt und es endlich wieder volle Ligen in Sollstärke und Auf- und Abstiege gibt, was für funktionierende Ligen elementar ist. Die Aufstiegshürden müssen reduziert werden, sowohl finanziell, als auch organisatorisch und vom Spiel- und Mannschaftssystem her, was teilweise bereits beschlossen ist. Dann können Vereine wieder bedenkenlos aufsteigen, ohne zu große finanzielle Wagnisse einzugehen und Abstiege bedeuten nicht das Aus und einen kompletten Rückzug, sondern in der tieferen Liga findet „dasselbe“ statt und statt im Tabellenkeller spielt man dann wieder vorne mit.
Das Rad muss vielleicht einfach allgemein etwas zurück gedreht werden, um wieder gesunde Ligen zu bekommen. TT-NEWS ist überzeugt, dass es die Zuschauer in der Region danken werden, auch wieder verstärkt jüngere deutsche Nachwuchsspieler in der 1. Bundesliga in Viererteams zu sehen, interessante Spiele an zwei Tischen erleben zu dürfen, bei denen Zuschauer und Filmteams spannende Szenen zu sehen bekommen – wenn in einem Spiel Satzpause ist oder der neue Satz gerade beginnt, ist vielleicht das andere Spiel gerade in einer packenden Schlussphase. Dazu kehren die immer mehr durch Regeländerungen im Spitzensport in den Hintergrund rückenden Doppel wieder zurück in den Fokus und die TT-Spieler von der Basis bekommen wieder das Gefühl, dass ein Bundesligaspiel nicht nur ein Pokalspiel ist, sondern dass „da oben“ auch genau das – auf höchstem Niveau – gespielt wird, was man in allen anderen deutschen Ligen von klein auf kennt, ein Paarkreuzsystem mit Doppeln, mit dem man sich identifizieren kann und will.
Showcourt-Prinzip, Fokus auf nur ein laufendes Einzel, Eliteliga mit eigenem System und Weltstars sind schön und gut, aber messen lassen muss man sich an realistischen Zuschauertabellen und an der Praxis, in der immer mehr Vereine diesen Weg nicht mehr mitgehen wollen und können.
Links:
DISKUSSION: TTBL: Tischtennis Bundesliga nur noch zu acht – Herne zieht zurück
DISKUSSION: 1. Bundesliga Damen vor dem Aus?
DISKUSSION: 1. Bundesliga Herren (TTBL) – allgemeines zur Liga inklusive Rückzug TTC Ruhrstadt Herne
DISKUSSION: Bundesliga-Reform – Eingleisige 2. Ligen und Einführung 3. Ligen ab 2014/15
NEWS-MELDUNG: 1. BUNDESLIGA DAMEN: Hiobsbotschaft – Kroppach zieht zurück!
NEWS-MELDUNG: 1. BUNDESLIGA DAMEN: Kroppachs Rückzug nach der Saison zieht Kreise