Es ist offenkundig: Der 32-jährige Rumäne Adrian Crisan, der sich nach zehn Jahren in Ochsenhausen 2010 Werder Bremen anschloss, zählt nicht zu den Lieblingsgegnern des ein Jahr jüngeren deutschen Ausnahmespielers Timo Boll. Doch woran liegt das?
Weshalb verließ die deutsche Nummer eins zweimal in den letzten fünf Matches die Box als Verlierer? Was kann Crisan, was andere Europäer nicht können, so dass es ihm gelang, Boll in London aus allen Olympiaträumen zu reißen und ihm letzten Sonntag auch in der Champions League mit 11:3, 11:9, 11:13 und 16:14 das Nachsehen zu geben?
Dabei spielt Rumäniens Nummer eins nicht einmal eine besonders gute Saison. International ist es noch weitgehend in Ordnung, doch die Leistungen im Bremer Dress lassen zu wünschen übrig, so dass die Norddeutschen inzwischen fast zum „SV Werder Chuang“ geworden sind. Crisan, 19. der Februar-Weltrangliste, weist in der Bundesliga derzeit eine fast indiskutable 5:9-Bilanz auf.
Und wenn man dann die lockere, optimistische, gleichsam stets fokussierte Ausstrahlung Bolls am Tisch mit der Crisans vergleicht, wird es immer mehr zum Paradoxon, was vorgeht, wenn sich die beiden gegenüberstehen. Der Werder-Zweier zeigt bekanntlich eine Körpersprache , die – vorsichtig ausgedrückt – stark verbesserungsfähig ist und allzu oft Unsicherheit und fehlendes Selbstbewusstsein signalisiert, wie er es bei seinem exzellenten spielerischen Potenzial nun wirklich nicht nötig hätte. Doch das Spiel Bolls scheint ihm wirklich gut zu liegen, Timo spielt ihm „in die Farbe“.
Der Weltranglistenfünfte aus dem Odenwald hat sich selbst über seine Probleme mit Crisan Gedanken gemacht und lässt uns auf seiner Facebook-Fanpage daran teilhaben. Dort notierte er am 6. Februar:
„…viele fragen sich, warum verliert der Boll so oft gegen den Crisan. Hier meine Einschätzung: Adrian macht perfekte Rückschläge gegen mich, liest mein Spiel sehr gut, platziert taktisch sehr clever. Bekomme wenig einfache Punkte gegen ihn. Er hat auch viel Selbstvertrauen gegen mich. Ich brauche eine gute Balance aus ruhigem überlegtem Spiel (gerade Rückschlag, erster Ball) und druckvollen Bällen. Die „Shot decision“ ist schwierig, da ein fester Ball Nachteil sein kann, da er den Druck gut mitnehmen kann in seine Bälle, aber zu soft und einfach nutzt er auch aus.“
Am Freitag erhält Boll im Viertelfinalrückspiel zwischen Borussia Düsseldorf und Werder Bremen vermutlich eine neue Chance zu zeigen, dass Crisan eben nicht zwingend sein Angstgegner sein muss. Andererseits: Das deutsche Tischtennis-Aushängeschild gleich zweimal innerhalb von fünf Tagen zu besiegen, wäre ein ganz fetter Coup des Rumänen, fast schon Majestätsbeleidigung. Lassen wir uns überraschen.