Da wächst etwas heran. Im Bad Homburger Stadtteil Ober-Erlenbach, nur einen Steinwurf von der Stadtgrenze zu Frankfurt am Main entfernt, schickt sich ein Regionalligist an, in die Fußstapfen des ruhmreichen TTV Gönnerns und dessen nur drei Jahre im Toptischtennis vertretenen „Erben“ TG Hanau zu treten. Basis ist die Jugendförderung des Hessischen Tischtennis-Verbandes, die auch in Gönnern und Hanau elementarer Bestandteil des Tischtenniskonzepts war.
Verbands-Cheftrainer Helmut Hampl, der Gönnern und Hanau erfolgreich in der Bundesliga trainierte, steht dem neuen Projekt mit großem Wohlwollen gegenüber, fungiert derzeit aber weder als Trainer noch als Offizieller beim Tabellendritten TTC Ober-Erlenbach. Allerdings ist er dort als Vereinsmitglied geführt. Sein einstiger Weggefährte im Management besagter Ex-Bundesligisten, Johannes Herrmann, inzwischen Teammanager beim TTC, beschreibt Hampls derzeitige Rolle: „Selbstverständlich ist Helmut Hampl für den TTC beim Aufbau des Projekts auch im Hinblick auf unsere Kooperation mit dem HTTV sehr stark behilflich und bringt seine immensen Erfahrungen mit ein.“
Nicht nur Hampls Sohn Björn spielt – mit hoch positiver Bilanz (13:4) – in der Ober-Erlenbacher Regionalligatruppe. Mit Spitzenspieler Julian Mohr und Dominik Scheja sind zwei der größten hessischen Talente Teil des Teams, die natürlich auch im HTTV-Kader Schützlinge Hampls sind. In der Mannschaft werden sie flankiert von erfahrenen Spielern, wie etwa Hampls Assistenztrainer beim HTTV Xiaojun Gao oder Michael Mengel, Bruder des Bundesligaprofis Steffen Mengel (Frickenhausen), der unter Hampl in Gönnern und Hanau gespielt hat.
Eigentlich sah es lange so aus als bräuchte sich in dieser Staffel der Regionalliga niemand außer dem SV Schott Jena – Spitzenspieler dort ist TTBL-Geschäftsführer Nico Stehle – Gedanken über den Aufstieg in die 2. Bundesliga zu machen. Zu souverän führten die Thüringer monatelang die Tabelle an.
Doch seit dem letzten Wochenende ist alles anders. Das Blatt hat sich gewendet, weil Jena gleich in zwei Topspielen den Kürzeren zog. Am Samstag gab es vor 250 begeisterten Zuschauern in einer als Event mit Showeinlagen aufgezogenen Partie in Ober-Erlenbach eine 5:9-Niederlage, tags darauf beim Richard-Prause-Klub TG Nieder-Roden gar ein 4:9.
Dadurch liest sich die Tabelle nun wie ein Krimi. Die ersten Sechs besitzen allesamt realistische Meisterschaftschancen und sind ganz eng beisammen, während der Abstand vom Sechsten Fulda-Maberzell II zum Siebten Limbach bereits neun Punkte beträgt. Vorne ist Jena (21:7), gefolgt von Nieder-Roden (21:9), Ober-Erlenbach (19:9), Zweitliga-Absteiger TTC Seligenstadt (18:8), Viktoria Preußen Frankfurt (18:10) und Fulda (17:9).
Besonders erpicht auf den Aufstieg sind die Ober-Erlenbacher, denen er vorzüglich ins Konzept passen würde. Johannes Herrmann lässt keinen Zweifel aufkommen: „Wir würden den Aufstieg bereits in dieser Saison wahrnehmen. Unser Ziel ist es – falls nicht in diesem Jahr realisierbar – mittelfristig in die 2. Bundesliga aufzusteigen. Falls dann alles optimal innerhalb unserer Strukturen aufgestellt ist und letztlich die monetären Möglichkeiten gegeben sind, will man auch noch ein Stückchen weiter. Aber alles bedarf eines behutsamen Aufbaus, sodass wir erst einen Schritt nach dem anderen machen sollten.“ Herrmann präzisiert die Basis des Ober-Erlenbacher Konzepts: „Unsere Ausrichtung gilt den hoffnungsvollen Talenten im HTTV. Mit Julian Mohr und Dominik Scheja haben wir zwei hochkarätige Talente aus dem System der Eliteschule des Sports / Carl-von-Weinberg-Schule und dem Landesleistungsstützpunkt des HTTV in unseren Reihen. Dieser Philosophie liegt ein umfassendes sportliches Konzept zugrunde, welches wir in den kommenden Jahren verwirklichen wollen.“
Es deutet also einiges darauf hin, dass das Jugendkonzept des Hessischen Tischtennis-Verbandes in Verbindung mit Profi-Mannschaftstischtennis nicht – wie viele meinen – mit dem unrühmlichen Bundesliga-Ausstieg der TG Hanau für alle Zeiten „gestorben“ ist. Es scheint gut möglich, dass wir in den nächsten Monaten und Jahren noch eine Menge vom TTC Ober-Erlenbach hören werden – Nicht-Hessen sollten sich an den Ortsnamen schon einmal gewöhnen.
Die Zweite Liga ist das Ziel, aber nicht zwangsläufig das Ende der Fahnenstange. Ob man dann nochmals Helmut Hampl als Chef am Rande der Bande sehen wird, steht noch in den Sternen. Ausgeschlossen scheint es jedoch nicht, dass wir hier Teil drei der Hampl-Trilogie erleben werden, vielleicht die Krönung der Lebensleistung dieses außergewöhnlichen Trainers, der Weltstars wie Jörg Roßkopf und Timo Boll geformt und maßgeblichen Anteil an der Karriere Patrick Franziskas hat. Lassen wir uns überraschen.