Mo, 25. November 2024
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„Tischtennis wird Bestandteil meines Lebens bleiben“ – Interview mit Ryu Seung Min

Für Vizemeister TTF Liebherr Ochsenhausen steht das wichtigste Tischtennis-Wochenende der bisherigen Saison an. Dem vorentscheidenden Champions League-Spiel in Angers am Freitag folgt am Sonntag das große „Rainer Ihle Memorial Match“ in Bamberg, wo die Mannschaft von Dubravko Skoric in der Bundesliga Borussia Düsseldorf mit Timo Boll empfängt. 

Ochsenhausens Spitzenspieler Ryu Seung Min, Olympiasieger in Athen 2004 und Tischtennis-Kultfigur, stand im Gespräch Rede und Antwort. Der 31-Jährige äußerte sich über die bevorstehenden Aufgaben, über seine Zukunftsplanungen sowie – natürlich – auch über Rainer Ihle.

 

Das Spiel gegen Düsseldorf am Sonntag in Bamberg ist ein sehr spezielles und Rainer Ihle gewidmet, den Sie lange kannten, bevor Sie nach Ochsenhausen kamen. Was war er für ein Mensch, hat Sie die Nachricht von seinem plötzlichen Tod sehr berührt?

„Natürlich war es sehr traurig hören zu müssen, dass Rainer im Alter von nur 57 Jahren so plötzlich verstarb. Ich kannte Rainer schon mehr als 15 Jahre. In diesen Jahren wurde er mehr als nur ein Tischtennisfunktionär – er wurde ein Freund für mich. Ich mochte und schätzte Rainer Ihle sehr, denn neben seinem unglaublichen Ehrgeiz, das Tischtennis im Allgemeinen und die TTF Liebherr Ochsenhausen im Speziellen nach vorne zu pushen, blieb er immer er selbst und war zudem sehr hilfsbereit. Er war ein sehr guter Mensch.”

Fühlen Sie sich eigentlich in Ochsenhausen wohl oder ist es – im Vergleich zur Millionenstadt Seoul, aus der Sie kommen – zu provinziell für Sie? Und wie sehen Sie den Verein TTF Liebherr Ochsenhausen?

„Ich mag den Klub und die Stadt Ochsenhausen sehr. Ich schätze die Abgeschiedenheit und Ruhe hier, zudem ist die Luft und das Klima hier, im Vergleich zu Seoul, sehr viel besser und angenehmer. Ich fühle mich auch im Verein sehr wohl. Die Spieler haben hier einen sehr hohen Stellenwert und können sich voll und ganz auf den Erfolg konzentrieren – insgesamt herrscht hier immer eine sehr gute und positive Atmosphäre.“

Zum Saisonauftakt schien es, als wären Sie noch ein ganzes Stück von Ihrer Form der Vorsaison entfernt. Doch inzwischen zeigt Ihre Formkurve wieder deutlich nach oben. Sehen Sie das genauso?

„Natürlich verlief der Saisonstart für mich persönlich nicht so, wie ich es gerne gehabt hätte. Dennoch habe ich mich sehr für das Team gefreut, denn alles in allem sind wir sehr gut in die Saison gestartet. Und für mich zählt der Erfolg des Teams viel mehr als mein eigener Erfolg, auch wenn beides natürlich miteinander zusammenhängt. Jetzt fühle ich mich gut. Ich arbeite Tag für Tag hart – wir alle trainieren sehr viel und sehr gut, denn das ganze Team und der ganze Verein haben viel vor.“

Sie haben bisher ein Match in der TTBL verloren, nämlich gegen den jungen Deutschen Patrick Franziska, gegen den Sie auch letzte Saison schon Probleme hatten. Was macht sein Spiel so schwierig für Sie?

 „Er ist ein sehr kompletter Spieler. Seine Vorhand und Rückhand ist gleichermaßen stark und er kann die Bälle gerade mit seiner Rückhand sehr schnell machen. Dass er dennoch nicht unschlagbar ist, hat Kirill Skachkov in diesem Spiel ja bewiesen. Ich freue mich auf eine Revanche in der Rückrunde gegen ihn.“

Mit Fuldas Wang Xi haben Sie in derselben Partie wieder den besten Defensivspieler der Bundesliga besiegt. Ist es nach wie vor so, dass das Spiel gegen Abwehr Ihnen am meisten Spaß macht?

„Sagen wir so, aufgrund meiner langen Karriere in der Nationalmannschaft Südkoreas konnte ich sehr viel mit Joo Se-Hyuk, einem Abwehrspieler von Weltklasseformat, trainieren. Hierbei konnte ich sehr viel Erfahrung im Spiel gegen Abwehr sammeln und spiele nun einfach sehr gerne gegen Abwehrspieler. Dennoch weiß ich, dass ich mich auch gegen Abwehrspieler konzentrieren und mein Bestes geben muss, denn von alleine gewinnt man auf dem Niveau gegen keinen Spieler der Welt.“

Wird diese Saison definitiv Ihre letzte in Deutschland und Ochsenhausen sein?

Stand heute wird es meine letzte Saison sein. Doch es ist auch noch zu früh, um über solche Dinge zu sprechen. Nun stehen erst einmal wichtige Aufgaben wie die Spiele gegen Angers und Düsseldorf an.“

Wie beurteilen Sie die Chancen, Düsseldorf in Bamberg zu schlagen?

Ich denke, wir haben durchaus eine Chance. Alle sind fit und gut drauf und werden beim Rainer Ihle Memorial Match 150 Prozent geben. Dennoch ist Düsseldorf ein sehr starkes Team. Sie hatten keinen guten Start in die Saison und stehen etwas unter Zugzwang, daher nehme ich an, dass auch sie alles geben werden um uns zu schlagen. Timo Boll, der zuletzt etwas Verletzungspech hatte, scheint wieder in Form zu sein und wird gegen uns sicher zeigen wollen, dass er wieder ganz der Alte ist.“

Glauben Sie, dass die TTF diese Saison Deutscher Meister werden können?

„Wir haben letztes Jahr eine sehr gute Saison und eine überragende Rückrunde gespielt. Dass wir dann im Finale einen rabenschwarzen Tag erwischt hatten, war natürlich mehr als ärgerlich. Doch das ist Schnee von gestern und abgehakt. Auch diese Saison haben wir ein Team, das vorne mitspielen kann – wir wollen von Spiel zu Spiel schauen und jeden Tag hart trainieren – und dann sehen wir, was am Ende der Saison herauskommt. Doch meiner Erfahrung nach wird man für seine harte Arbeit auch belohnt.“

Und wie beurteilen Sie die Chancen in der Champions League und im Liebherr Pokal-Finale in Stuttgart?

„In der Champions League möchte ich noch gar nicht vom Titel oder von K.O.-Spielen reden. Wir haben nach der Niederlage gegen Orenburg nun ein sehr schweres Spiel gegen Vaillante Sports Angers. Wir müssen in den letzten drei Spielen alles investieren, um die Gruppenphase zu überstehen. Danach beginnt der Wettbewerb praktisch neu und wir werden sehen was auf uns zukommt. Im deutschen Pokal-Wettbewerb haben wir nun das Viertelfinale erreicht. Darüber freue ich mich sehr, denn die Jungs haben mir erzählt, dass es schon etwas Besonderes ist, in Stuttgart zu spielen. Ich denke der Pokal hat seine eigenen Gesetze, da alles an nur zwei Tagen entschieden wird. Wir haben mit dem TTC matec Frickenhausen keinen einfachen Gegner, doch wenn wir uns gut vorbereiten – und das werden wir – haben wir die Chance bis zum Schluss dabei zu sein.“

Was streben Sie nach Ihrer Spieler-Karriere beruflich an? Man hört, dass Sie Trainer werden möchten. Stimmt das? Wird Tischtennis immer ein wichtiger Teil Ihres Lebens sein?

Ich denke, Tischtennis wird weiter Bestandteil meines Lebens bleiben. Ich liebe diesen Sport und habe ihm auch viel zu verdanken. Es macht mir sehr viel Spaß, selbst am Tisch zu stehen und zu trainieren, doch ich kann mir auch sehr gut vorstellen, als Trainer zu arbeiten und meine Erfahrungen und Einschätzungen an junge Spieler weiterzugeben. Deshalb werde ich nach meiner aktiven Karriere auch definitiv nach Südkorea zurückkehren und dort als Coach arbeiten.“

Wie ist es, wenn man Olympiasieger war? Ist der Glanz von Athen 2004 immer präsent, egal wo Sie gerade sind und wem Sie begegnen?

„Natürlich verbinden viele Leute meinen Namen mit dem Olympiasieg 2004. Bei Olympia zu siegen ist das Größte, was man als Sportler erreichen kann. Diesen Titel kann einem keiner mehr nehmen. Dennoch empfinde ich mich deshalb als nichts Besonderes. Ich bin noch immer derselbe wie vor meinem Sieg. Wenn mich Leute auf der Straße erkennen, egal ob in Südkorea oder auch in Deutschland, und nach einem Foto oder Autogramm fragen, erfülle ich Ihnen diesen Wunsch gerne, denn ich weiß, dass ich vielen damit eine Freude machen kann.“

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