So eindeutig hatte das wohl kaum einer erwartet. Ein 1. FC Saarbrücken TT in Galaform, bei dem sich alle drei Spieler auf den Punkt in bestechender Verfassung und hochkonzentriert zeigten, ließ dem Gastgeber TTF Liebherr Ochsenhausen vor fast 1.200 Zuschauern in Biberach im Final-Hinspiel um den ETTU-Cup nicht den Hauch einer Chance.
Auch Saarbrückens Sportlicher Leiter Erwin Berg, der nach der Partie mit seinen Spielern und den knapp 50 mitgereisten Fans feierte, zeigte sich – natürlich äußerst angenehm – überrascht: „Damit, dass wir so deutlich gewinnen würden, hatte ich nicht gerechnet. Doch es war verdient, da heute die komplette Mannschaft eine sehr starke Leistung gezeigt hat.“ Bei einem 3:0 und 9:2 Sätzen trennt den Traditionsklub von der Saar, Bundesliga-Gründungsmitglied 1966/67 und DTTB-Pokalsieger 2011/12, nur noch ein Hauch vom ersten internationalen Titelgewinn der Vereinsgeschichte, den er im Rückspiel am 31. Mai vermutlich besiegeln wird.
Doch Berg mahnt noch zur Vorsicht: „Ich möchte den Ball flach halten. Im Tischtennis ist schon so viel passiert und Ochsenhausen hat es nicht zufällig bis ins Finale geschafft. Noch haben wir den Pokal nicht, aber es sieht schon sehr gut für uns aus.“
Ausgerechnet Tiago Apolonia, dem langjährigen Sympathieträger im TTF-Dress, blieb es gegen Ende seiner ersten Saison für den 1.FCS vorbehalten, seine Mannschaft in Begeisterung zu versetzen und die Oberschwaben ins Tal der Tränen zu stürzen. Gegen einen desolaten, verunsichert wirkenden Simon Gauzy verwandelte der Portugiese um 16:56 Uhr seinen zweiten Matchball, gleichbedeutend mit dem 3:0 und dem fast schon sicheren Sieg im „Europapokal“.
Nach kurzem Jubel besann sich Apolonia darauf, dass er bei den TTF selbst schöne Erfolge feiern durfte und von den Fans ins Herz geschlossen war: „Ich freue mich sehr für Saarbrücken, für Ochsenhausen, wo ich viele schöne Momente hatte, tut es mir ein bisschen leid. Aber so ist nun mal Sport.“ Dabei war er mit einem Handikap in die schicksalhafte Partie gegangen. Mit steifem, mehrfach getaptem Nacken war er noch eine Stunde zuvor überzeugt gewesen, dass es für ihn an diesem Tag nicht reichen würde: „Ich glaube nicht, dass ich heute vernünftig spielen kann.“ Natürlich war später die Freude umso größer, dass es doch funktionierte: „Vielleicht war das sogar ein kleiner Vorteil für mich, weil ich mich darauf beschränkt habe, das zu spielen, was ich am besten kann, und keine Experimente gewagt habe. Ich war sehr konzentriert und habe immer nur an den nächsten Punkt gedacht.“ Mit seinem Gegner zeigte er Mitgefühl: „Natürlich war es für Simon heute sehr schwer bei einem 0:2-Rückstand seiner Mannschaft, ich hatte es leichter mit einem 2:0 im Rücken. Nach dem gewonnen ersten Satz habe ich natürlich schon registriert, dass er ziemlich verzweifelt war.“
Die Vorarbeit für die Saarländer, die ihre wohl beste Saisonleistung zeigten, hatten Bojan Tokic und Bastian Steger geleistet. Der bärenstarke Tokic besiegte im Auftaktmatch den bei seinem letzten Auftritt in Biberach enttäuschenden Ryu Seung Min in vier Sätzen, eigentlich eine Art Angstgegner von ihm: „Ich hatte die letzten vier Mal gegen ihn verloren, da habe ich mir gedacht: jetzt gerade! Ich denke schon, dass mein Sieg gegen ihn wichtig für die Mannschaft war, die dann mit viel Selbstbewusstsein gespielt und so gut wie keine Schwäche gezeigt hat.“
Bastian Steger, der nach überstandener Bauchmuskelzerrung einen frischen, erholten Eindruck hinterließ, hatte gegen den 20-jährigen Engländer Liam Pitchford – ebenfalls in vier Sätzen – nachgelegt. „Pitch“, wie man ihn in Ochsenhausen nennt, hatte den ersten Satz gewonnen und im zweiten Durchgang mit 7:4 geführt, um dann doch diesen und den nächsten Satz mit 9:11 zu verlieren. Danach fand er nicht mehr in seinen Rhythmus gegen den Weltranglisten-26., dessen Spiel ihm eigentlich liegt. Pitchford: „Ich bin traurig. Ich hatte gegen Steger gute Chancen zu gewinnen, habe sie aber nicht genutzt. Wir werden im Rückspiel nochmal alles geben, aber unsere Chance ist jetzt sehr, sehr gering.“
Alles andere als glücklich war natürlich auch TTF-Präsident Kristijan Pejinovic: „Die Anforderung an uns war offenbar zu groß. Man hat heute sehr deutlich gesehen, dass wir noch nicht so weit sind.“ Vom Ochsenhausener Jugend-Konzept ist Pejinovic nach wie vor absolut überzeugt: „Unser Weg mit jungen Spielern ist richtig, wir werden ihn noch konsequenter als bisher fortsetzen. Irgendwann werden sich dann die Erfolge zwangsläufig einstellen. Doch wir werden es nicht zu erzwingen versuchen, unser Konzept ist mittel- und langfristig angelegt.“ Daniel Zwickl, Sportmanager der Oberschwaben, gab zu Protokoll: „Das war heute ein Spiegelbild der gesamten Saison. Unsere Spieler waren einfach zu verkrampft. Es hat die nötige Lockerheit bei allen gefehlt, die Angst, Fehler zu machen, war zu groß. Wir werden es genau analysieren und die jungen Spieler werden daraus lernen.“
TTF Liebherr Ochsenhausen – 1. FC Saarbrücken TT 0:3
Ryu Seung Min – Bojan Tokic 1:3 (9:11, 7:11, 12:10, 7:11)
Liam Pitchford – Bastian Steger 1:3 (11:6, 9:11, 9:11, 5:11)
Simon Gauzy – Tiago Apolonia 0:3 (6:11, 4:11, 8:11)