Überraschend erhält der Weltranglisten-Siebte Timo Boll keine Wildcard für den Weltcup im schwedischen Halmstad (16. bis 18. Oktober). Der 34-Jährige, der den Cup 2002 und 2005 gewann und sich unlängst in der Chinese Super League in bestechender Form präsentiert hat, fühlt sich, was man nachvollziehen kann, ungerecht behandelt und befürchtet negative Folgen für Olympia.
Der Rekordeuropameister muss nach der umstrittenen Entscheidung des Weltverbandes ITTF wohl zum ersten Mal seit 14 Jahren beim World Cup zuschauen, es sei denn, einer der Nominierten fällt krankheits- oder verletzungsbedingt aus. Dann wäre er – wie die ITTF inzwischen entschieden hat – erster Nachrücker.
Die Ausrichter-Wildcard für Halmstad wurde jedenfalls an Jugend-Europameister Anton Källberg vom Bundesligisten TTC Hagen vergeben. Einerseits verständlich, will man damit einem großes Talent der Ausrichternation einen Motivationsschub geben und das Zuschauerinteresse steigern, andererseits nach Leistungskriterien – der 18-jährige Källberg ist aktuell an Position 105 des internationalen Rankings gelistet – nur schwer zu rechtfertigen, wenn dafür ein Spieler wie Boll verzichten muss.
Der sonst so zurückhaltende Odenwälder findet deutliche Worte: „Ich spiele seit 13 Jahren unter den Top 10 in der Welt, stehe derzeit auf Position sieben und fühle mich ohne jede sportliche Begründung ausgebootet – und das im vorolympischen Jahr. Ich dachte, es ginge beim Weltcup um Leistung und nicht um Gefälligkeiten dem Ausrichter gegenüber.“
DTTB-Ehrenpräsident und Boll-Mentor Hans Wilhelm Gäb zeigt sich empört: „Das ist eine Entscheidung gegen den Geist des Sports. Der Weltcup ist kein Förderturnier für Nachwuchsspieler. Timo Boll beweist bei jedem internationalen Turnier, dass er zur absoluten Weltklasse gehört, und hat daneben Strahlkraft über unseren Sport hinaus.“
Und DTTB-Präsident Michael Geiger bezeichnete die Entscheidung der ITTF, deren deutscher Präsident Thomas Weikert sich bei der Beschlussfassung aus Befangenheitsgründen enthalten hatte, als „völlig unverständlich“. Boll hatte im vergangenen Februar das Europe Top 16 in Baku, auch als Qualifikationsturnier für den World Cup gedacht, wegen einer Hüftverletzung im Vorfeld absagen müssen. Dazu Geiger: „So ein Fall von Pech und unverschuldetem Ausfall ist eigentlich ein Musterbeispiel für eine Wildcard. Timo ist der am höchsten eingestufte Spieler in der Weltrangliste, der nicht am World Cup teilnehmen kann. Niemand hätte die Entscheidung, ihm die Wildcard zu geben, kritisieren können.“
Aufgrund der unanfechtbaren ITTF-Entscheidung gegen Boll ist nach derzeitigem Stand der Weltranglistenfünfte und Europameister Dimitrij Ovtcharov als Baku-Gewinner der einzige DTTB-Spieler in Halmstad.
Für Boll könnte ein Fehlen beim World Cup weitreichende Konsequenzen haben. Wenn er dort keine Weltranglistenpunkte sammeln kann und die aus dem Vorjahr verliert, als er Dritter wurde, droht ein Abrutschen im ITTF-Ranking. Bei Olympia in Rio im kommenden Jahr würde er dann aufgrund einer ungünstigen Setzung aller Wahrscheinlichkeit nach bereits im Achtel- oder Viertelfinale auf einen der Top-Chinesen treffen.
Erhält die Wildcard für Halmstad: Anton Källberg.