Wer meinte, dass Timo Boll mit seinen 36 Jahren allmählich einige Gänge zurückschalten würde, wurde in Saarbrücken eines Besseren belehrt. Die Leistung des Weltranglisten-Zwölften beim New Horizons Masters war beeindruckend, der Turniersieg hochverdient.
Freundlich lächelnd und zugleich hochkonzentriert alle vier Matches mit 3:0 zu gewinnen – unter anderem gegen Angstgegner Simon Gauzy und im Finale gegen den eigens mit chinesischem Coach angereisten Weltranglisten-Fünften Dima Ovtcharov, die alle an diesem Tag absolut chancenlos waren – besser geht es nicht. Man konnte allenfalls monieren, dass der prominente Odenwälder sein Ding zu konzentriert durchzog, wo sich mancher Fan sicher ein paar enge Sätze mehr gewünscht hätte. Vielleicht um zügig und noch bei Helligkeit mit seinem neuen, schmucken Elektroauto die Heimreise nach Hessen antreten zu können – man weiß ja nie, ob der Akku mitspielt. Bolls Akku jedenfalls spielte beim Turnier perfekt mit. Der Maestro zeigte sich richtig in Spiellaune und war fokussiert, als ginge es um eine halbe Million und nicht um für ihn vermutlich eher unerhebliche 1.000 Euro.
Auch wenn das Event mit dem neuen Titelsponsor und dem bewährten Konzept ein wenig unter der schwachen Publikumsresonanz litt, für die es vielfältige Gründe gab, kamen die, die erschienen waren, voll auf ihre Kosten. Spieler und Fans hatten ihren Spaß. Zudem wurde reichlich anspruchsvolles Top-Tischtennis geboten.
Dem einen oder anderen mögen die großen alten Schweden gefehlt haben, doch auch das hatte seine Gründe. Dazu DONIC-Chef Frank Schreiner: „Jörgen Persson ist nach wie vor topfit, er hätte gerne hier gespielt, musste aber wegen eines Muskelfaserrisses absagen. Bei „Waldi“ [Jan-Ove Waldner] ist es so, dass er zurzeit gar nicht mehr trainiert und nicht so fit ist. Für ihn wäre das sehr stressig geworden. Das soll aber nicht heißen, dass wir ihn hier gar nicht mehr sehen werden.“ Zu den Besucherzahlen sagte Schreiner: „Es überrascht mich nicht, ich hatte nicht mit einer vollen Halle gerechnet. Wir hatten erst sehr spät erfahren, dass wir die Halle bekommen würden und dass wir es doch noch vor der WM durchziehen konnten. Da blieb nur wenig Zeit für die Bewerbung der Veranstaltung. Ich bin aber sicher, dass die, die gekommen sind, es nicht bereut haben.“
Ein Gewinn für das Turnier waren auch Spieler wie der Schwede Mattias Karlsson – der lange Blonde aus dem hohen Norden bugsierte manchen unmöglichen Ball noch irgendwie auf den Tisch und hatte trotz zweier Niederlagen sichtlich seinen Spaß – und der junge Ochsenhausener Joao Geraldo, der mit Feuereifer bei der Sache war und Maberzells Defensiv-Ass Wang Xi ziemlich alt aussehen ließ.
Und der ewig junge Werner Schlager – seines Zeichens heute eher gehobener Hobbyspieler, der aber immer noch hinten in der TTBL aufschlagen könnte – sorgt sowieso bei solchen Events immer für gute Laune und starke Show-Einlagen. Der 44-jährige Ex-Weltmeister war wie immer mit komplettem Familientross angereist und kümmerte sich während der Spielpausen rührend um seinen Nachwuchs, wollte aber nicht verraten, ob Sohn und/oder Tochter jetzt schon mit einer Profikarriere im Tischtennis liebäugeln. „Das überlasse ich ihnen selbst, die Kids sollen das machen, was ihnen gefällt, und nicht, was den Eltern Spaß macht“, so Schlager ganz überzeugend.
Text & Fotos (22): Dr. Stephan Roscher
Ergebnisse
Finale
Timo Boll GER – Dimitrij Ovtcharov GER 3:0 (11:8, 11:3, 11:7)
Halbfinale
Timo Boll GER – Simon Gauzy FRA 3:0 (11:4, 11:7, 11:5)
Dimitrij Ovtcharov GER – Patrick Baum GER 3:1 (11:8, 11:9, 8:11, 11:8)
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