In vier Tagen beginnt die Tischtennis-WM in Düsseldorf – und der vielleicht heißeste deutsche Medaillenanwärter heißt Dimitrij Ovtcharov. Wir haben einige interessante aktuelle Statements des 28-Jährigen Ausnahmekönners zusammengestellt.
Ovtcharov ist die Nummer fünf der Welt, bester Europäer und zugleich bester-Nicht-Chinese. Dennoch denken die meisten sportinteressierten Menschen zunächst an Timo Boll, wenn sie nach deutschen Tischtennis-Assen befragt werden. Doch das stört „Dima“ nicht im Geringsten. Hier einige O-Töne von ihm aus brandaktuellen Interviews, bei dem der Vergleich mit Boll naturgemäß eine wichtige Rolle spielt. Deutschlands Nummer eins nimmt kein Blatt vor den Mund und äußert sich kurz vor der WM unter anderem auch kritisch zu gewissen Regularien der ITTF.
Doch zuvor ein Statemt von Timo Boll zu Ovtcharov, das zum Ausdruck bringt, wo dessen Stärken liegen und weshalb er unser größter Hoffnungsträger bei der WM ist: „Dima ist, gerade gegen die Chinesen, der gefährlichere Spieler von uns beiden, weil er einfach athletisch besser ist und über die größere Schlaghärte verfügt.“
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O-Töne von Dimitrij Ovtcharov
„Die WM ist nochmal um einiges schwerer als Olympia. Dort war ich an drei gesetzt, vor mir nur zwei Chinesen. Im Halbfinale wäre ich auf Zhang Jike getroffen, gegen den ich fast jedes zweite Match gewonnen habe. Diese Chance kommt vielleicht nur einmal im Leben und da habe ich mich etwas verrückt gemacht. Bei der WM sind es gleich vier Chinesen, gegen die zu gewinnen, da muss viel zusammen kommen und das wäre eine größere Überraschung. Da darf ich mich nicht verrückt machen, werde an meine Stärken und mein Spiel glauben. Dann geht vielleicht etwas. Favorit auf eine Einzelmedaille bin ich jedenfalls nicht.“
„Das Heimpublikum bei der WM kann nur positiv sein. Es ist immer schwierig, in so ein riesiges Event reinzukommen. Dann können die Fans hoffentlich positiv einwirken und mir helfen. Man kann sich halt nie ganz sicher sein, wie es zum Start läuft. Die Fans sind ein wichtiger Faktor, um es positiv zu gestalten.“
„Sowohl Timo als auch ich hatten Anfragen an die Chinesen wegen des Doppels laufen, die sich dann aber nur für eine Paarung entschieden haben. Dann hätte ich gerne mit einem meiner beiden Teamkollegen aus Russland, zum Beispiel dem besten Nichtchinesen, Jun Mizutani, gespielt. Der wollte auch. Es kam jedenfalls sehr überraschend, dass die Verantwortlichen nach der Absage der Chinesen gesagt haben. „Nee, dann spielst Du gar kein Doppel.“ Damit war ich nicht glücklich. Ich bin kein begnadeter Doppelspieler, aber mit Jun wäre einiges möglich gewesen und ich hätte gerne in Düsseldorf die Möglichkeit gehabt, mich vor den Fans so oft es geht zu präsentieren. Deshalb habe ich es in einem Interview erwähnt, was legitim ist und nichts mit Timo oder unserem Verhältnis zu tun hatte.“
„Ich hätte schon erwartet, dass man mir, als einem der Leader der Nationalmannschaft, entgegengekommen wäre in Bezug auf das WM-Doppel. Auch als Dank für alle Erfolge und Leistungen, die ich erzielt und erbracht habe. Davon lebt ja auch der Verband. Wenn hier bei der Heim-WM ein Doppel Ovtcharov/Mizutani an den Start gegangen wäre, wären wir bei jedem Spiel in Japan live im TV gewesen. Das wäre für den Sport Tischtennis in Deutschland wichtig gewesen.“
„Timo ist etwas älter geworden und kann vielleicht nicht mehr die konstanten Leistungen abrufen wie vor zehn Jahren. Aber aktuell ist er noch mal im zweiten Frühling seiner Karriere. Er hat viel Selbstvertrauen, ein gutes Gefühl. Davon lebt Timo. In diesen Phasen ist er sehr schwer zu schlagen.“
„Was Timo im und für das Tischtennis erreicht hat, das können wirklich nicht viele andere Sportler in dieser oder anderen Sportarten vorweisen. Das hat nicht nur mit seinen sportlichen Leistungen zu tun. Wie er mit seiner angenehmen Art, dem Fair-Play-Gedanken seit mehr als einem Jahrzehnt unseren Sport repräsentiert, ist einzigartig. Dieses Bild wurde durch die Wahl zum Fahnenträger in Rio auch nochmals gestärkt.“
„Ich spiele nie gerne gegen Timo. Zum einen weil ich ungern gegen einen Freund spiele. Zum anderen, weil er einfach immer noch so ein verdammt guter Spieler ist und mich mit seinem Händchen permanent an meinen Schwachstellen anspielt. Es ist einfach brutal anstrengend. Ich spiele definitiv lieber gegen andere Gegner.“
„Dass meine Bilanz gegen Timo in etwa ausgeglichen ist, darauf bin ich schon ganz schön stolz.“
„Mein Spiel gegen Timo im Finale der Champions League war sehr gut. Wir haben beide am Limit gespielt und waren beide enorm zufrieden mit dem Spiel. Mir gibt das großes Selbstvertrauen für die WM.“
„Timo war früher wie ein großer Bruder für mich. In der Phase zwischen 2007 und 2011 bin ich fast monatlich nach Hause zu ihm in Höchst im Odenwald gefahren. Und das war viel mehr als das überragende Training mit einem damals viel besseren Spieler, von dem ich so profitiert habe. Seine Familie hat mich ganz herzlich aufgenommen. Ich habe mich bekochen lassen. Wir waren oft draußen, laufen mit dem Hund. Es war wie mein Zuhause. Wir waren sogar gemeinsam im Urlaub. Aber wir haben ja später auch in Düsseldorf gemeinsam in einem Haus gewohnt, als die Zeit bei Timos Familie im Odenwald zu Ende ging. Nachdem ich dann vor sechs Jahren nach Russland gewechselt bin und selbst eine Familie gegründet habe, wurde das natürlich weniger.“
„Es ist für mich überhaupt kein Problem, wenn ich nicht so im Fokus stehe wie Timo. Bei ihm war das früher ähnlich mit Jörg Roßkopf. Dann wurde Timo 2002 die Nummer eins der Welt. Darauf baut er 15 Jahre lang auf. Die Leute haben seinen Namen einfach im Kopf. Er hat so viele Erfolge gefeiert, hat für Fairplay gekämpft und war Fahnenträger bei Olympia. Da bin ich auch stolz auf ihn und gönne ihm alles.“
„Ich beneide Timo um seine Gabe, Dinge so unfassbar schnell zu erlernen. Nehmen wir zum Beispiel den Rückhandflip, die Banane über dem Tisch. Da benötigt er vielleicht eine Woche, ich ein Jahr.“
„Ich beneide ihn auch um seine Gelassenheit. Nach einer knappen, harten Niederlage kann Timo sagen: „Das war ein gutes Spiel. Ich habe alle getan, was ich konnte.“ Und dann geht er heim und alles ist gut. Mir geht es dann mitunter mal drei Tage schlecht. Und wenn er gewinnt, bleibt er auf dem Boden. Da fliege ich dann mal mehr. Diese Mitte ist schon beneidenswert.“
„Ich bin glücklich, dass die Leute mich mittlerweile mehr und mehr kennen. Wenn ich noch zehn Jahre auf dem Niveau spiele und vielleicht tatsächlich mal die Nummer eins der Welt werde, werden die Leute auch mehr über mich sprechen. Aber die Nummer eins ist zurzeit nicht realistisch. Ich war mal nah dran an der Nummer drei der Welt. Das ist mein Ziel. Danach die Nummer zwei. Aber die Nummer eins ist mit der Überlegenheit von Ma Long derzeit zu weit weg.“
„Das Weltranglisten-System soll nochmal umgestellt werden, um alle Spieler zu zwingen, die World-Tour-Turniere zu spielen. Anreisen, nichts verdienen, nur um eine gute Ranglistenposition zu gewährleisten? Damit die Topspieler dort sind, die ITTF das Turnier gut vermarkten kann? Aber wir Spieler haben davon nichts. Das ist der falsche Ansatz. Und da habe ich noch nicht über die Bedingungen vor Ort gesprochen. Wir sollten einen Anreiz haben, die Turniere zu spielen, weil wir es wollen und es gut ist und nicht, weil wir es müssen.“
„Wenn man ins Halbfinale der China Open gelangt, kann ein Sportler seine Kosten decken und die Finalisten machen Plus – und 250 Leute machen Minus. Das geht natürlich nicht und ist ein ganz langer Weg. Die neuen Turnierserien, die indische oder die japanische Liga, stehen in den Startlöchern und auch unsere europäischen Vereine tun einiges. Es tut sich viel außerhalb des Weltverbandes ITTF. Das eine ist besser als das andere und Konkurrenz belebt das Geschäft.“
„Es müssten einfach viele Spieler mit dem Renommee von Timo in den Gremien sitzen, die selbst die Probleme kennen, nahe dran sind. Es gibt zwar einen Spielerrat, aber ohne Stimme und das bringt ja nichts. Es müssten im Executive Commitee and Board of Directors – sagen wir – drei Spieler dabei sein, die wirklich Ahnung von der Materie haben und das nachvollziehen können und das den Funktionären auch glaubhaft vermitteln können, dass diese Dinge gut für den Sport wären. Insgesamt läuft es ja gut bei der ITTF. Aber manchmal wird auf die falschen Dinge gesetzt.“
„Ich gebe lieber 110 Prozent fürs Tischtennis und werde nicht zu 100 Prozent den Dingen daneben gerecht.“
„Ehemalige chinesische Nationalspieler sind für mich wichtige Trainingspartner. Mit denen kann ich aus der Trainingszeit mehr herausziehen. Die spielen mir dann zu und arbeiten nicht an ihrem eigenen Spiel.“
Zusammenstellung & Fotos (5): Dr. Stephan Roscher
Quellen: tischtennis.de, SPOX.com, RP online