Sa., 1. Februar 2025
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TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell feiert 60. Geburtstag

Am 1. April 1958 wurde im Gasthaus „Fuldaer Hof“ der TTC Maberzell gegründet, der unter seinem heutigen Namen längst zu den Top-Adressen im deutschen Tischtennis zählt und aktuell wieder im Play-off-Halbfinale der TTBL steht. Wir gratulieren herzlich zum Jubiläum!


Visionär und Macher: Stefan Frauenholz

Motor des Fuldaer Erfolgsmodells ist der umtriebige Manager und Präsident Stefan Frauenholz, ohne den der Verein kaum so weit nach oben gekommen wäre. Frauenholz formulierte schon 1992 – die erste Mannschaft war gerade Meister der 2. Verbandsliga geworden – eine Vision: „Ich träume von der 2. Bundesliga.“

Frauenholz redete nicht nur, sondern packte an, „stellte Weichen für professionellere Strukturen, begab sich auf Sponsorensuche, verstärkte die Mannschaft gezielt, und achtete stets darauf, dass die Akteure zum TTC passten“ (Dietmar Kelkel, Osthessen News, 01.04.18). Über Hessenliga, Oberliga und Regionalliga, in die man es erst schaffte, als man mit Claus Pedersen und Lars Hauth zwei Top-Dänen an Land gezogen hatte, ging es hoch in die 2. Liga.

Inzwischen hatte Fulda Vereinsboss seine Vision leicht modifiziert und peilte nunmehr den Aufstieg in die 1. Bundesliga an, der in der Saison 1999/2000 erstmals glückte. Nach einer von immensem Verletzungspech gekennzeichneten Debütsaison ging es gleich wieder eine Etage tiefer, doch davon ließ sich ein Macher wie Frauenholz nicht erschüttern.

Vier Jahre später war man zurück im Oberhaus und hatte zwischenzeitlich professionellere Strukturen geschaffen. In der Aufstiegsmannschaft von 2005 zählten Spieler wie Qing Yu Meng, Michal Dziubanski und Hansi Fischer zu den Leistungsträgern. Seitdem arbeitete man sich kontinuierlich nach oben und kam bald in der nationalen Spitze an.

Jan-Ove Waldner machte den einstigen Provinzklub weltbekannt

Über den guten Kontakt zu DONIC-Geschäftsführer Frank Schreiner gelang es 2005, mit dem zweimaligen Einzel-Weltmeister und Olympiasieger von 1992 Jan-Ove Waldner einen der besten Tischtennisspieler aller Zeiten nach Fulda zu holen. Der berühmte Schwede mit der genialen Hand, von manchen als „Tischtennis-Mozart“ bezeichnet, nahm als Galionsfigur eine ganz besondere Position beim TTC ein, selbst als er mit zunehmendem Alter später nicht mehr seine Gegner nach Belieben beherrschte. Waldner verließ den Verein nach sieben Jahren im stolzen Alter von 46 Jahren schweren Herzens und ging zurück in seine schwedische Heimat. „Waldi“, wie er in Maberzell liebevoll genannt wurde, hatte dort solchen Spaß, dass er 2007 mit seinem Freund Jörgen Persson einen weiteren Ex-Weltmeister in die Rhön gelotst hatte – und wieder war es Frank Schreiner, der den Deal mit seinem begehrten Vertragsspieler möglich machte. „Alter Schwede!“ konnte man da nur mit bewunderndem Erstaunen ausrufen. Mit diesen Tischtennis-Giganten hat der einstige Provinzklub aus Osthessen Tischtennisgeschichte geschrieben. Und die würde natürlich mit dem ersten Titel der Vereinsgeschichte ihre Vollendung finden.

Dass dies heute nicht als Spinnerei sondern als realistische Chance im Raum steht, hat man nicht unwesentlich einem weiteren personellen Glücksgriff zu verdanken. Die Verpflichtung des bis dahin noch recht unbekannten Chinesen Wang Xi, der nach dem Abtritt des hessischen Rivalen TTV Gönnern vom Profitischtennis im Jahr 2008 auf dem Markt war, erwies sich als Glücksgriff und katapultierte Maberzell in den Folgejahren immer weiter nach oben. Der Defensiv-Spezialist schlug serienweise Bundesliga-Hochkaräter und konnte beziehungsweise kann auch deshalb in der Rhön besondere Leistungen aus sich herauskitzeln, weil er im familiären Umfeld des Vereins gut eingebunden ist und sich dort zu Hause fühlt.

Nicht „ewiger Zweiter“ sein: Fulda-Maberzell hat Großes im Sinn

Im Frühjahr 1958 jedenfalls konnte sich in Maberzell noch keiner vorstellen, dass man einige Jahrzehnte später Ex-Weltmeister verpflichten und eines Tages um die nationale Krone spielen würde. 60 Jahre später sieht man sich nicht ohne eine gehörige Portion Stolz als erster Herausforderer von Rekordmeister Borussia Düsseldorf. Mehrfach schon stand man in Endspielen in Meisterschaft und Pokal, doch zum ganz großen Coup hat es bisher noch nicht gereicht. Deutscher Vizemeister war man in den Jahren 2014, 2015 und 2017, Vizepokalsieger in den Jahren 2013, 2014, 2015 und 2016.

Doch man möchte nicht als „ewiger Zweiter“ in die Tischtennisgeschichte eingehen und vielleicht schon in dieser Saison zum ganz großen Wurf ausholen. Man hat die Runde mit 14 Siegen bei nur vier Niederlagen als Tabellenzweiter abgeschlossen und ist optimistisch, die Play-offs gegen Ochsenhausen, das den Hessen recht gut liegt, wie schon im Vorjahr zu überstehen. Das Liebherr TTBL-Finale am 26. Mai in Frankfurt hat man jedenfalls fest eingeplant und rechnet mit einem erneuten Duell gegen Rekordmeister Düsseldorf um den Titel, gegen den man in der Vergangenheit, gerade in Final-Situationen, immer wieder den Kürzeren zog. Man schöpft Hoffnung aus dem 3:2-Punktspielsieg am 21. Januar vor 850 begeisterten Fans in heimischer Halle. Und da dieser trotz Timo Bolls Mitwirkung im Borussia-Dress gelang, der dem zuletzt bärenstarken Jonathan Groth gratulieren musste, rechnet man sich auch für ein mögliches Endspiel eine realistische Chance aus und sieht den Düsseldorf-Fluch als beendet an.

Mit dem Weltranglisten-19. Ruwen Filus und Publikumsliebling Wang Xi, gerade einmal mehr zweitbester Spieler der Punktrunde geworden, verfügt man über zwei der besten Defensivkünstler Europas, denen der nach der Saison zum russischen Champions-Ligisten UMMC wechselnde Groth zur Seite steht, der durch den kroatischen Ex-U21-Europameister Tomislav Pucar ersetzt wird. Für besondere Fälle steht noch Tischtennis-Weltenbummler Thomas Keinath zur Verfügung und kommende Saison soll Trainersohn Fan Bo Meng, amtierender Hessenmeister, oben mit hereinschnuppern.

Das Maberzeller Erfolgsmodell basiert – abgesehen vom in der Region omnipräsenten Hauptsponsor RhönSprudel – auf einem gewaltigen Pool mittlerer und kleinerer Sponsoren, was bedeutet, dass die Abhängigkeit von einzelnen Geldgebern nicht zu groß wird und ein eventueller Ausstieg des einen oder anderen elegant aufgefangen werden kann, sofern es sich nicht gerade um den Namenssponsor handelt. Doch der denkt gar nicht daran und ist auch in der Führungsetage des Klubs gut repräsentiert.  

Zudem handelt es sich um eine Region, in der es wenig hochklassigen Sport und keine Konkurrenz durch potente Fußballvereine gibt, somit ist Bundesligatischtennis dort eine Attraktion, die die Fans anzieht, in aller Munde ist und – im Gegensatz zur leidvollen Erfahrung vieler anderer Bundesligisten – auch in der lokalen und regionalen Presse eine gebührende Rolle spielt. Folglich kann man sich über mangelnden Fanzuspruch nicht beklagen. 5.000 Zuschauer, im Durchschnitt also 555, sahen die neun TTC-Heimspiele der Punktrunde 2017/18. Die HUBTEX-Arena – früher Wilmingtonhalle – ist bei Topspielen meist so gut gefüllt, dass kaum mehr eine Maus Platz findet. Die Fans gelten als heißblütig und die Stimmung ist gigantisch, gerade für Tischtennis-Verhältnisse, wo es in unserem Sport doch vielfach recht moderat, bisweilen zu moderat, zugeht.  

Wir werden den Weg des Topklubs aus der osthessischen Bischofsstadt weiter aufmerksam verfolgen, wünschen alles Gute und freuen uns auf die nächsten sechs Jahrzehnte Spitzentischtennis in Fulda!  

 

Text & Fotos (4): Dr. Stephan Roscher

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