Mo, 25. November 2024
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1. BULI DAMEN: „Wahnsinnsspiele“ bis zum letzten Ballwechsel

Obwohl nur acht Vereine am Start sind, macht die 1. Bundesliga Damen derzeit richtig Spaß und glänzt mit starken Leistungen und extrem spannenden Partien. Am Sonntag fanden einmal mehr zwei Begegnungen statt, die nichts für Herzinfarkt-Gefährdete waren.

Was dem Damen-Oberhaus auch zugutekommt ist, dass mit Langstadt seit Langem mal wieder ein ambitionierter Aufsteiger dabei ist, der – entsprechend verstärkt – mit den Großen gut mithält und mehr Zuschauer anzieht als gegenwärtig fünf der elf TTBL-Klubs. Auch gegen den amtierenden Champion Kolbermoor waren die Südhessinnen nicht weit von einem Sieg entfernt, auch wenn es am Ende zur Punkteteilung kam. Fast 300 Fans sorgten für eine Atmosphäre wie bei einem Endspiel um die Deutsche Meisterschaft. Und in Böblingen spielte sich ein Vier-Stunden-Krimi ab, bei dem die Zuschauer gut mitgingen, man aber während der Ballwechsel die berühmt-berüchtigte Stecknadel fallen hören konnte, da die Fans so auf das mitreißende Geschehen konzentriert waren. Am Ende zog die Heimmannschaft hauchdünn gegen Bad Driburg den Kürzeren, doch alle waren sich einig, auch die Gäste, dass ein Remis gerechter gewesen wäre.


SV Böblingen – TuS Bad Driburg 4:6

Als die dreieinhalb Stunden später angesetzte Partie in Langstadt begann, stand das Match in Böblingen noch auf des Messers Schneide. Vor der Partie hatte TuS-Manager Franz-Josef Lingens auch auf die Tradition gesetzt: „Die letzten Jahre haben wir immer knapp in Böblingen gewonnen.“ Er sollte Recht behalten, am Ende lief es genau so, wie es eben in der Regel läuft, wenn sich beide Klubs gegenüberstehen, so wie vor einigen Wochen auch im Pokal.

Die Doppel und das hintere Paarkreuz erwiesen sich als Trumpfkarte des TuS. Nadine Bollmeier (3:1 gegen Theresa Kraft, 3:2 gegen Rosalia Stähr) punktete doppelt, wobei die Satzergebnisse dokumentieren, wie eng es an jenem Sonntag zuging: Bollmeier vs. Kraft 13:11, 9:11, 15:13, 11:9; Bollmeier vs. Stähr 8:11, 13:11, 2:11, 11:6, 12:10. Auch Sophia Klee wusste zu gefallen. Gegen Stähr zog das 15-jährige Toptalent zwar den Kürzeren, gegen Theresa Kraft gelang Klee am Ende ein überraschendes 3:0, das den Gästesieg perfekt machte. Vorne konnten die Gäste nur einen Punkt verbuchen: Britt Eerland hielt die 51-jährige Yanhua Yang-Xu knapp auf Distanz.

Mit einem Durchschnittsalter von 50,5 Jahren ist das obere Böblinger Paarkreuz ohnehin rekordverdächtig – und noch immer richtig gut. Einmal mehr war Ausnahmespielerin Qianhong „Hongi“ Gotsch doppelt erfolgreich. Gegen Sarah de Nutte siegte die begnadete Defensivkünstlerin in vier Durchgängen, gegen Eerland gab die SVB-Ikone keinen Satz ab. Letzte Saison spielte sie 20:3, jetzt steht sie bereits wieder 4:0 und gibt nie einen Ball verloren. Neben Stähr konnte sich noch Yang-Xu in die Siegerliste eintragen (3:1 gegen de Nutte).

Doch es reichte eben nicht trotz 410:386 Bällen zugunsten Böblingens in der Endabrechnung – bei allerdings 19:22 Sätzen. Böblingens Trainer Andrzej Kaim war keineswegs unzufrieden mit dem Auftritt seines Teams. „Unsere Spielerinnen haben starke Leistungen gezeigt und super gekämpft“, so Kaim. „Ich bin stolz auf die Mannschaft.“

Franz-Josef Lingens war natürlich bester Laune, räumte jedoch ein: „Das Spiel hatte keinen Verlierer verdient.“ Für ihn war es ein Wechselbad der Gefühle. „Als wir 4:1 führten, dachte ich an einem Sieg, aber bei 4:3 wäre ich schon wieder mit einem Remis zufrieden gewesen und bei 4:4 und dem 1:2-Start von Bollmeier gegen Stähr war die Niederlage möglich“, bekannte der TuS-Manager. „Aber dann gewann Nadine auch ihr zweites Einzel hauchdünn und die überragend spielende Sophia Klee schaffte dann tatsächlich ein nicht zu erwartendes 3:0 gegen Kraft.“

 

TSV Langstadt – SV DJK Kolbermoor 5:5

In Langstadt erlebten die Fans ein echtes Spitzenspiel, auch wenn natürlich mit dem ttc berlin eastside der erst einmal an die Tische gegangene Meisterschaftsfavorit Nummer eins derzeit noch im Tabellenmittelfeld lauert und vermutlich bald an den meisten Ligarivalen vorbeiziehen wird.

„Ein Wahnsinnsspiel auf ganz hohem Niveau mit vielen tollen Ballwechseln“, freute sich TSV-Teammanager Manfred Kämmerer. „Die Stimmung war fantastisch, die Wände haben gewackelt.“ Auch der Deutsche Meister musste die Erfahrung machen, dass der Aufsteiger den Großen auf Augenhöhe begegnet, wenn Petrissa Solja, die sicher die beste Hand aller DTTB-Spielerinnen hat, und die Taiwanerin Cheng Hsien-Tzu, die nicht alle vor der Runde so stark eingeschätzt hatten, dabei sind. Chengs Einsatz war eingeplant, Soljas Engagement wurde dagegen erst durch einen kurzfristig verschobenen Bundeswehrlehrgang möglich.

Dreieinviertel Stunden Spitzentischtennis wurde den Fans geboten, in jedem Durchgang trennte man sich 1:1, nie konnte sich ein Team vorentscheidend absetzen. Beim Aufsteiger glänzte Alena Lemmer, zwei Wochen zuvor beim Remis in Bingen noch leicht neben der Spur, mit zwei toll herausgespielten Einzelsiegen. Solja und Cheng gewannen ihr gemeinsames Doppel und besiegten jeweils eine keineswegs schwach spielende Sabine Winter, unterlagen aber einer Kristin Lang, die sich in Topform präsentierte und der der EM-Titel im Doppel offensichtlich mächtig Aufwind und zusätzliches Selbstvertrauen verschafft hat. Bei Chengs 3:1 gegen Winter endete der vierte und letzte Satz übrigens mit 23:21 zugunsten der zierlichen Taiwan-Chinesin, die schließlich ihren zehnten (!) Matchball zum Sieg verwerten konnte. Cheng Hsien-Tzu ist als derzeitige Weltranglisten-53. eigentlich „nur“ die Nummer drei ihres Landes hinter Cheng I-Ching (WRL 7) und Chen Szu-Yu (WRL 21), spielt aber fast ebenso stark. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass die beiden besser Platzierten praktisch jedes World-Tour-Turnier spielen, während Langstadts Nummer zwei international deutlich seltener zum Einsatz kommt.

Sogar ein TSV-Sieg lag im Bereich des Möglichen. „Von einem verlorenen Punkt gegen den Deutschen Meister zu sprechen, wäre aber vermessen“, zeigt sich Manfred Kämmerer bestrebt, bei aller Euphorie die Kirche im Dorf zu lassen. Hätte Solja in ihrem ersten Match gegen Lang im Entscheidungssatz eine 6:0-Führung zum Sieg nutzen können – stattdessen zog sie nach einer gigantischen Aufholjagd ihrer Gegnerin mit 8:11 den Kürzeren –, wären es zwei Punkte für den TSV geworden. Gleiches gilt, wenn später Janina Kämmerer ihren Matchball gegen Katharina Michajlova beim Stand von 2:0 Sätzen und 11:10 hätte verwerten können, doch ihre Gegnerin zog den Kopf aus der Schlinge und rettete den Oberbayern das Unentschieden.

Allerdings stand auch Alena Lemmers 3:2-Erfolg gegen die routinierte Svetlana Ganina auf des Messers Schneide. In diesem Herzschlagmatch hatte die 21-jährige Langstädterin mit 1:2 Sätzen hinten gelegen und konnte im vierten Durchgang reihenweise Satzbälle zum Ausgleich nicht nutzen, so dass ihre Gegnerin plötzlich Matchball hatte. Lemmer jedoch behielt die Nerven, gewann den Satz noch mit 17:15 und hatte auch im Entscheidungsdurchgang den längeren Atem, wo sie mit 6:8 zurücklag und dann fünf Punkte in Folge machte. „Ich bin überglücklich, dieses Spiel noch gewonnen zu haben“, sagte eine freudestrahlende Lemmer. „Die Fans haben mich zum Sieg geschrien.“

Mit der Punkteteilung konnte auch der Gast leben, dessen erklärte Saisonziele – berlin eastside hin oder her – die Titelverteidigung und der Pokalsieg sind. „Insgesamt muss man sagen, dass es wohl ein leistungsgerechtes Unentschieden war, auch wenn wir jetzt direkt nach dem Spiel etwas enttäuscht sind“, so Trainer Michael Fuchs. „Unser Plan ging eigentlich ganz gut auf. Ein 1:1 in den Doppeln und versuchen, im vorderen Paarkreuz nicht negativ zu spielen und dann im hinteren Paarkreuz ein 3:1 zu schaffen.“ Aber eben nur fast, da man zwei Siege von Alena Lemmer nicht auf der Rechnung hatte. „Kristin hat eine herausragende Leistung gezeigt, sowohl gegen Peti Solja, als auch gegen Cheng Hsien-Tzu, wo sie teilweise größere Rückstände mit starkem Kampfgeist noch drehen konnte“, lobte Fuchs seine Europameisterin. „Sabine konnte in einem Spiel auf Messers Schneide gegen Cheng mit reihenweise Wahnsinnsballwechseln leider ihre Chancen im vierten Satz nicht verwerten. Ebenso in den ersten zwei Sätzen gegen Solja, wobei man die Leistungen der Langstädterinnen auch einfach anerkennen muss. Solja und Cheng gehören für mich zu den besten der Liga.“

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Wer nicht glaubt, dass das Zuschauen beim Damen-Tischtennis auf diesem hohen Niveau richtig Spaß macht, dem kann man nur empfehlen, demnächst einmal in Kolbermoor, Langstadt, Bingen, Bad Driburg, Anröchte, Böblingen, Busenbach oder beim dreimaligen Triple-Sieger in Berlin vorbeizuschauen. Die Chancen, zum „Wiederholungstäter“ zu werden, stehen nicht schlecht.

 

Text & Fotos (5): Dr. Stephan Roscher

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