Mo, 25. November 2024
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POKAL: 2:3 in Grünwettersbach: Titelverteidiger Düsseldorf entthront

Zwar können Boll und Co. ihren indiskutablen fünften Platz in der TTBL bis zum Rundenende noch locker korrigieren und in der Champions League läuft es sogar nach Plan, doch was am Freitagabend in Grünwettersbach geschehen ist, ist nicht mehr auszubügeln.

 

Schock für den Triple-Sieger

Es ist nicht die Saison der Düsseldorfer Borussia. Durch das 2:3 gegen sich am Ende in ihrem mit über 400 Fans rappelvollen Tischtenniszentrum in einen Rausch spielende Grünwettersbacher ist der Titelverteidiger und Triple-Gewinner der letzten Saison im Pokal-Viertelfinale ausgeschieden. Erstmals seit gefühlten Urzeiten ist man nicht für das Endrundenturnier um den deutschen Tischtennispokal qualifiziert. Viele hatten sich am 5. Januar 2019 ein Finale zwischen “Platzhirsch” Ochsenhausen und dem Boll-Klub ausgerechnet – und das wird es definitiv nicht geben. Somit hat die Borussia das erste von drei Saisonzielen verfehlt. Ein erneutes Triple kann natürlich auch nicht mehr gelingen.

Borussia nur scheinbar auf der Siegerstraße

Natürlich hatte der ASV schon öfters gut ausgesehen gegen den deutschen Renommier-Klub und sogar schon in der Liga gewonnen, doch sagt man im Allgemeinen, dass Düsseldorf in einer Finalsituation – und ein Pokal-Duell um den Einzug ins Final Four entspricht einer Finalsituation – um Längen schwerer zu schlagen ist als in einem “normalen” Match.

Und anfänglich deutete nichts auf einen Sensations-Coup hin. Vielmehr hatte alles so gut ausgesehen für den glasklaren Favoriten beim Tabellenvorletzten der Bundesliga, der erst vier Zähler auf dem Konto hat, auch wenn man sich allgemein einig ist, dass sich der ASV bisher unter Wert verkauft hat. Die Borussia, die auf den zuletzt formschwachen Omar Assar verzichtete, schien auf Kurs und führte nach 56 Minuten mit 2:0. Man diskutierte eigentlich nur noch darüber, ob Anton Källberg gleich den Sack zumachen und das Final Four eintüten oder diesen Job seinem Kollegen Timo Boll überlassen würde.

Gnanasekaran und Walther sorgen für die Wende

Doch dann geschah etwas ähnliches wie beim Viertelfinal-Match in Saarbrücken, wo Außenseiter Grenzau nach einem hoffnungslos erscheinenden 0:2 urplötzlich Oberwasser bekam, sich in einen Rausch spielte und kosternierten Saarländern nicht einmal mehr einen einzigen Satz gönnte. Nun, Düsseldorf durfte beim ASV, der den bisher enttäuschenden Bojan Tokic nicht aufgestellt hatte, zwar noch den einen oder anderen Satz gewinnen – insgesamt noch vier nach der 2:0-Führung, doch das war zu wenig, da der entfesselte Gastgeber noch deren neun holte.

Natürlich war es zunächst einmal überlebenswichtig, dass Sathiyan Gnanasekaran den ASV im Spiel hielt und Anton Källberg bezwang. Doch zunächst einmal “vergeigte” der Inder eine scheinbar sichere 2:0-Führung und fand sich plötzlich im Entscheidungssatz wieder, in dem er aber seinen Vorsprung über die Ziellinie brachte.

Und dann das eigentliche Schlüsselspiel: Ricardo Walther vs. Timo Boll. Dass Walther an Toptagen alles kann und auch Spieler zu schlagen vermag, die im internationalen Ranking deutlich über ihm stehen, ist bekannt. Doch nichts deutete vor dem Boll-Match auf einen Toptag des 26-Jährigen hin, den man gerne als schlampiges Genie bezeichnet: Alles oder Nichts – und allzu oft eben nichts.

Doch diesmal war es anders. Hatte der Ex-Borusse im ASV-Dress noch zum Auftakt gegen Kristian Karlsson beim klaren 0:3 alt ausgesehen – man hatte das Gefühl, dass noch zehn Sätze gespielt werden könnten, ohne dass Walther einen gewinnen würde -, ging gegen seinen ehemaligen Teamkollegen ein ganz anderer “Ric” an den Tisch. Hatte der prominente Odenwälder in seinem ersten Match gegen Penholder-Crack Dang Qiu, dessen Spiel ihm ohnehin nicht so gut liegt, schon etwas Glück benötigt, um sich mit 3:1 (9:11, 11:9, 11:9, 11:9) durchzusetzen, sah er sich nun mit einer anderen Situation konfrontiert. Er hatte einen Kontrahenten, der nicht lange grübelte, sondern einfach traf und die Sätze auch nach Hause brachte, wenn es um die Wurst ging. Den ersten noch nicht, aber danach war der Grünwettersbacher am Drücker und der Weltranglistendritte staunte nicht schlecht, was seinem Nationalmannschaftskollegen alles gelang. Kurzum: 3:1 (8:11, 11:6, 11:8, 11:9) für Ricardo Walter nach 32 Minuten Matchdauer und nach 148 Minuten insgesamt stand es auf einmal 2:2. Die Halle bebte und jetzt schien alles möglich.

Gnanasekran/Qiu machen den Sack zu

Doch noch hatte der Underdog aus Baden nichts erreicht – außer natürlich den Titelfavoriten geärgert und gezwungen, über die volle Distanz zu gehen. Doch man wusste, dass die Borussia mit dem Schweden-Duo Karlsson/Källberg ein starkes Doppel ins Rennen schicken würde.

Gut, Gnanasekaran, der international jahrelang ein tolles Doppel mit seinem Landsmann Achanta bildete – kurioserweise gerade wieder bei der Borussia unter Vertrag, doch nicht berücksichtigt, weil man ihn nicht zu brauchen meinte –, ist auch als guter Doppel-Spieler bekannt. Einmal hatte er in der TTBL bereits mit Dang Qiu zusammengespielt und es reichte zu einem 3:1-Sieg über die Bad Königshofener Oikawa/Majoros, doch Karlsson/Källberg gelten als anderes Kaliber.

Allerdings hatten die mit einer 2:1-Bilanz geführten Schweden vor sechs Wochen in der Liga gegen die Bergneustädter Duda/Drinkhall den Kürzeren gezogen. Doch in Grünwettersbach war die Situation nochmals anders. Der Topfavorit kämpfte mit dem Rücken zur Wand in der Befürchtung, plötzlich alles zu verlieren, während die beiden ASV-Asse so gut wie nichts zu verlieren hatten und vom Publikum frenetisch angetrieben wurden. Anfänglich verlief das Duell noch ausgeglichen, doch ab dem dritten Satz gab es kein Halten mehr. Von da an hatten “Gnana” und Qiu gegen die zunehmend verkrampfenden Karlsson/Källberg das Match im Griff und trafen fast nach Belieben. In gnadenlosen 32 Minuten war die Messe für die Borussia gelesen. Nach einer Gesamtspieldauer von 182,5 Minuten war die Riesensensation spruchreif und die ASV-Asse durften sich feiern lassen.

Enttäuschung beim Rekord-Pokalsieger

Tragisch für den 26-maligen deutschen Pokalmeister Borussia Düsseldorf, der eigentlich “nur” den Sack hätte zumachen müssen, aber gut für das deutsche Mannschaftstischtennis, dass nicht immer ein und derselbe Klub alles abräumt. 2011/12 konnte zum letzten Mal ein anderes Team den DTTB-Pokal gewinnen, der 1. FC Saarbrücken TT mit Trainer Matthias Landfried und den Spielern Bastian Steger, Joao Monteiro und Bojan Tokic, die gegen Borussia Düsseldorf damals bereits im Viertelfinale gewinnen konnten. Die darauf folgenden sechs Jahre hatten immer Boll und Kollegen den Siegessekt aus dem Pokal geschlürft. Diesmal dürfen sich andere daran laben. Zudem war es eine schöne Episode für den Pokalwettbewerb, die die alte Regel untermauerte, dass der Cup eben selbst im Tischtennis seinen eigenen Gesetzen unterworfen ist.

Düsseldorfs Manager Andreas Preuß war nach der Niederlage sehr enttäuscht. „Jetzt ist es passiert, wir haben ein wirklich entscheidendes Spiel verloren“, so Preuß. „Auch wenn wir heute nicht gut waren, müssen wir dem ASV zu einer tollen Leistung gratulieren. Für uns heißt es jetzt schnell nach vorn zu schauen, denn wir haben am Sonntag schon das nächste wichtige Spiel gegen Bremen und kämpfen nun um die Play-off-Runde.“ Auch Cheftrainer Danny Heister war konsterniert. „Die Enttäuschung ist natürlich groß, wir sind alle sprachlos“, sagte Heister. „Wir haben sehr gut begonnen und hatten uns selbst beim 2:2 vom Doppel mehr erwartet. Leider hat Anton heute einen schlechten Tag erwischt. Nach der Niederlage im Einzel kam er mit dem Druck im Doppel nicht mehr klar.“

Erstmals nimmt der ASV Grünwettersbach damit am Pokal-Final Four in der Neu-UImer ratiopharm arena teil – einer der größten Erfolge der Vereinsgeschichte. Dort trifft er im Halbfinale auf den SV Werder Bremen – eine in der heutigen Form nicht einmal unlösbare Aufgabe. Man wird sehen und darf gespannt sein …

 

ASV Grünwettersbach – Borussia Düsseldorf 3:2
Ricardo Walther – Kristian Karlsson 0:3 (8:11, 3:11, 7:11)
Dang Qiu – Timo Boll 1:3 (11:9, 9:11, 9:11, 9:11)
Sathiyan Gnanasekaran – Anton Källberg 3:2 (11:6, 11:5, 10:12, 8:11, 11:8)
Ricardo Walther – Timo Boll 3:1 (8:11, 11:6, 11:8, 11:9)
Qiu/Gnanasekaran – Karlsson/Källberg 3:1 (11:9, 7:11, 11:6, 11:5)

Zuschauer: 400 

Halbfinal-Paarungen beim Final Four am 05.01.2018 

ASV Grünwettersbach – SV Werder Bremen

TTF Liebherr Ochsenhausen – TTC Zugbrücke Grenzau

 

Alle Viertelfinal-Partien

TTC GW Bad Hamm – TTF Liebherr Ochsenhausen 0:3

1. FC Saarbrücken TT – TTC Zugbrücke Grenzau 2:3

SV Werder Bremen – TTC Schwalbe Bergneustadt 3:1

ASV Grünwettersbach – Borussia Düsseldorf 3:2

 

Text & Foto Boll: Dr. Stephan Roscher

Fotos Gnanasekaran/Qiu u. Walther: Friedrich Haubner / TTBL Sport GmbH

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