Paukenschlag im Sportforum Berlin: Nicht der favorisierte Serien-Pokalsieger der letzten fünf Jahre gewann das von eastside mit großer Helferschar vorzüglich organisierte Buderus-Final Four, sondern Herausforderer SV DJK Kolbermoor.
Der amtierende Deutsche Meister konnte nach einer Klasseleistung im Endspiel zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte den begehrten Cup jubelnd in die Höhe recken. Mit 3:1 setzten sich die Oberbayern in der „Höhle des Löwen“ durch.
Auch wenn es bitter für den Hauptstadtklub sein mochte, war das Ergebnis des Final Four für die 1. Bundesliga Damen nicht verkehrt, was den Spannungsfaktor betrifft. Ähnlich wie bei den Herren den Düsseldorfern inzwischen mit Cupgewinner Ochsenhausen ein Rivale auf Augenhöhe erwachsen ist, wird es auch im Damen-Bereich künftig so schnell nicht mehr langweilig werden, wenn es um Titelehren geht.
Hatte Kolbermoor letzte Saison die Meisterschaft nicht zuletzt deswegen erringen können, weil eastside über Monate durch Verletzungen und Schwangerschaften dezimiert war, konnten Winter und Co. diesmal dem in Bestbesetzung angetretenen Konkurrenten den Titel abjagen. eastside hat sich als verwundbar erwiesen – ohne Frage eine hochkarätig besetzte Spitzenmannschaft, auch auf europäischer Ebene, jedoch auch in Finalsituationen schlagbar. Auch das ist die Lehre aus dem Buderus-Final Four.
Die nationale Eliteliga der Damen ist ohnehin leistungsmäßig enger zusammengerückt, die Spannung war in der Vorrunde so groß wie lange nicht mehr. Ergebnisse wie 6:0 oder 6:1 gab es kaum und die Hälfte der Partie ging über die volle Distanz. Diese Tendenz hat sich in Berlin bestätigt, wenngleich – auch das eine Erkenntnis vom Samstag – die Verfolger wie Bad Driburg oder Bingen gegen die beiden Giganten noch nicht allzu viel ausrichten können, wenn es um die Wurst geht. Wenn Kolbermoor ohne Liu Jia spielt, wie in der Liga überwiegend der Fall, sieht das aber schon ganz anders aus. Und wenn bei der TuS eine Britt Eerland, die im Sportforum wegen einer Fußverletzung fehlte, dabei ist, wird es selbst für eastside zu einer echten Herausforderung, diese Truppe zu schlagen. Locker und mal eben im Vorbeigehen funktioniert das nicht mehr, was gut für die Liga ist, deren Qualität noch immer von viel zu wenigen Zuschauern honoriert wird. Ein Ligaschnitt von knapp 150 Besuchern ist traurig und etwas über 300 Fans bei einem Pokal Final Four sind auch schwach – gemessen an dem Niveau, das dort vorherrscht.
In den gestrigen Partien hatte sich auf Seiten des neuen Pokalsiegers besonders die 36-jährige Ex-Europameisterin Liu Jia hervorgetan, die sich in Galaform präsentierte, aber auch Kristin Lang bot starkes Tischtennis. „Susi“ besiegte Shan Xiaona und Nina Mittelham im Endspiel. Gegen Shan benötigte die Linkshänderin aus Österreich fünf Sätze, gegen Mittelham reichten ihr drei Durchgänge. Kristin Lang hatte den Auftakt gemacht mit einem 3:2 über Georgina Pota. Der Ehrenpunkt für den entthronten Titelverteidiger gelang vor etwas über 300 Tischtennisfans Matilda Ekholm, die Sabine Winter in vier Sätzen in Schach hielt.
Ungewöhnlich: Mittelham war im Endspiel für Pota eingewechselt worden. Der Schläger der Ungarin war durch die Kontrolle gefallen, so dass sie mit einem Ersatzschläger spielen musste, den sie zwei Jahre nicht mehr benutzt hatte. Dementsprechend wirkte sie im Auftaktmatch unsicher und brachte nicht ihre normale Leistung. So erhielt Mittelham eine Chance, die dann allerdings gegen die bärenstarke „Susi“ überhaupt nichts ausrichten konnte. Paradox: Nach dem Finale hat Berlin Potas Schläger noch einmal den Schiedsrichtern vorgelegt und diesmal bestand er den Test – doch eben zu spät.
„Ich habe in meiner langen Karriere so viele Titel geholt“, so Liu Jia. „Aber eine deutsche Pokalmeisterschaft war noch nicht dabei. Ich freue mich sehr, dass es uns geglückt ist, den Favoriten zu besiegen. Bei mir ist es heute zwar sehr gut gelaufen, aber ausschlaggebend war unsere super Teamleistung.“ Auf die Frage, woher diese prächtige Form kommt, obwohl sie längst nicht mehr so häufig trainiert und nicht mehr so viele World-Tour-Turniere spielt wie früher, antwortete die ehemalige Weltranglistenneunte: „Ich muss gar nicht mehr so viel trainieren und finde immer wieder recht schnell in mein Spiel hinein. Im Augenblick bin ich verletzungsfrei und es macht mir wieder sehr viel Spaß. Ich weiß heute auch besser als früher, wie ich meine Kräfte einteilen muss und denke, dass ich ein ganz gutes Auge habe, das Spiel meiner Gegnerinnen gut lesen kann und auch in schwierigen Situationen die Ruhe behalte.“
Kolbermoors Trainer Michael Fuchs freute sich ebenso: „Unser Plan ist genau so aufgegangen, wie ich es mir für den Optimalfall erhofft hatte – gerechnet hatt ich damit aber nicht. Umso größer ist die Freude. Mit Susi waren wir richtig stark, hatten aber in einigen wichtigen Situationen auch das nötige Quäntchen Glück. Ich denke, wir haben den Pokal verdient nach Kolbermoor geholt. Jetzt wird erst einmal richtig gefeiert.“
Weniger erfreut zeigte sich Andreas Hain. „Wir haben heute nicht gut genug gespielt und sind teilweise schlecht vorbereitet in das Turnier gegangen“, sagte Berlins Manager. „Und die Chancen, die wir hatten, haben wir nicht genutzt. Da kommt einiges an Arbeit auf uns zu, das muss wieder besser werden.“ Hain gratulierte zwar den frischgebackenen Cupgewinner aus Kolbermoor, ließ aber auch eine Kampfansage folgen: „Die Meisterschaft holen wir uns, da bin ich mir ganz sicher.“
FINALE
ttc berlin eastside – SV DJK Kolbermoor 1:3
Georgina Pota – Kristin Lang 2:3 (6:11, 11:13, 11:6, 11:7, 7:11)
Shan Xiaona – Liu Jia 2:3 (7:11, 11:8, 5:11, 15:13, 5:11)
Matilda Ekholm – Sabine Winter 3:1 (8:11, 11:5, 11:2, 11:9)
Nina Mittelham – Liu Jia 0:3 (13:15, 5:11, 2:11)
HALBFINALS
TTG Bingen/Münster-Sarmsheim – SV DJK Kolbermoor 1:3
Wan Yuan – Kristin Lang 0:3 (7:11, 7:11, 5:11)
Chantal Mantz – Liu Jia 0:3 (5:11, 2:11, 5:11)
Giorgia Piccolin – Sabine Winter 3:2 (11:5, 13:15, 11:9, 7:11, 11:9)
Wan Yuan – Liu Jia 0:3 (2:11, 6:11, 5:11)
TuS Bad Driburg – ttc berlin eastside 0:3
Sarah de Nutte – Shan Xiaona 1:3 (4:11, 5:11, 11:9, 2:11)
Sophia Klee – Matilda Ekholm 0:3 (9:11, 7:11, 1:11)
Nadine Bollmeier – Nina Mittelham 1:3 (9:11, 11:7, 7:11, 7:11)
Zwei Fotos vom Rahmenprogramm
Text & Fotos (5): Dr. Stephan Roscher