Deutschland hat die Tischtennis-Wettbewerbe der 2. European Games in Minsk fast nach Belieben beherrscht. Die Nationalteams der Herren und Damen setzten am Samstag mit zwei Goldmedaillen das Sahnehäubchen auf die Spitzenleistung der deutschen Asse im gesamten Turnier.
Sportdirektor Richard Prause hatte vor den Europaspielen zwar zu Protokoll gegeben, dass Deutschland in sämtlichen Wettbewerben Gold holen könne, doch was dann tatsächlich heraussprang, erinnert an die chinesische Dominanz auf der Welttischtennis-Bühne. Für die übrigen europäischen Nationen war der Vormarsch des DTTB fast schon beängstigend. „Es ist natürlich eine Riesensache, wenn man vier von fünf möglichen Titeln gewinnt und somit für Olympia schon alle an Bord hat“, kommentierte Michael Geiger, der Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes. „Es war eine eindrucksvolle Leistung, man kann fast sagen, Machtdemonstration.“ Neben den Titeln im Herren- und Damen-Team und im Mixed gewann Timo Boll den Einzel-Titel. Han Ying sicherte sich im Damen-Einzel die Silbermedaille.
In den Mannschafts-Endspielen machten die Deutschen kurzen Prozess mit ihren Gegnern. Zweimal 3:0 – das hatten selbst kühnste Optimisten nicht erwartet. Besonders bei den Damen nicht, wo man gegen die Rumäninnen, gerade nach dem Halbfinal-Krimi gegen Polen, eigentlich ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet hatte. Doch die Titelverteidigung ging viel reibungsloser über die Bühne als gedacht. Richtungsweisend war das 3:2 im Doppel der Berlinerinnen Nina Mittelham/Shan Xiaona über Daniela Dodean-Monteiro/Elizabeta Samara. Danach wurde es fast zum Selbstläufer. Han Ying stand gegen die in der Weltrangliste 34 Plätze besser positionierte Bernadette Szocs nur im ersten Satz vor Problemen, danach hatte sie ihre Gegnerin klar im Sack. Shan Xiaona machte gegen Daniela Dodean-Monteiro mit einem 3:1 den Deckel drauf, auch wenn ihr die Rumänin drei Sätze lang auf Augenhöhe begegnete. Nach dem Match sagte Shan ins Mikrofon des Hallensprechers: „Mir fehlen die Worte. Ich bin einfach nur happy.“
Damen-Bundestrainerin Jie Schöpp gestand nach dem Finale ein: „Ich dachte, mein Team kann mich nicht mehr überraschen. Aber mit einem 3:0 habe ich nie gerechnet.“ Schöpp zug ein Fazit: „Es war ein Sieg der gesamten Mannschaft. Wie sich die vier Spielerinnen vor und nach der Verletzung von Peti hier ergänzt haben und füreinander dagewesen sind, war die Basis für unseren Erfolg. Diese European Games haben gezeigt, dass ich nächstes Jahr bei den Olympischen Spielen über vier absolute Topspielerinnen verfüge.“
Die in der Vorschlussrunde so unglücklich gescheiterten Polinnen sicherten sich Bronze durch ein 3:2 im „kleinen Finale“ über die Auswahl Ungarns. Für den entscheidenden Punkt sorgte Europameisterin Li Qian gegen eine über weite Strecken überforderte Szandra Pergel.
Die DTTB-Herren vollendeten sieben Stunden nach den Damen den deutschen Triumph in Minsk. Timo Boll und Patrick Franziska eröffneten den Reigen durch ein 3:1 im Doppel über Kristian Karlsson/Jon Persson. Vizeweltmeister Mattias Falck agierte gegen einen richtig starken Dimitrij Ovtcharov nur zwei Sätze auf Augenhöhe, hatte dann aber keine Chance mehr. Bundestrainer Jörg Roßkopf ließ abermals Patrick Franziska das zweite Einzel bestreiten und schonte Timo Boll. Und der Saarbrücker rechtfertigte das in ihn gesetzte Vertrauen. Das enge Match gegen Jon Persson wurde in fünf Sätzen gewonnen. Das war der Titel.
„Wir sind sehr zufrieden, dass wir direkt im ersten Anlauf unseren Olympiastartplatz mit der Mannschaft erreicht haben, der uns ja auch zwei Plätze im Einzel sichert“, so Jörg Roßkopf unmittelbar nach dem Finale. „Das war unser großes Ziel und darauf haben wir uns sehr gut vorbereitet. Zu den Zeitpunkten der Qualifikationsturniere im Januar, April und Mai können wir nun über Lehrgänge als gezielte Olympiavorbereitungen nachdenken. Und den Spielern bleiben Reisen erspart.“
Bronze im Mannschaftswettbewerb der Herren ging an Deutschlands Halbfinalgegner Portugal, das Dänemark mit 3:1 in Schach hielt. Der erneut starke Einzel-Finalist der Europaspiele, Jonathan Groth, erzielte gegen Marcos Freitas den einzigen Punkt für die Skandinavier.
DIE ENTSCHEIDUNGEN AM SAMSTAG
Herren-Mannschaft, Finale
Deuschland – Schweden 3:0
Timo Boll/Patrick Franziska – Kristian Karlsson/Jon Persson 3:1 (9,7,-7,8)
Dimitrij Ovtcharov – Mattias Falck 3:1 (9,-10,5,7)
Patrick Franziska – Jon Persson 3:2 (-12,3,7,-9,9)
Herren-Mannschaft, Spiel um Bronze
Portugal – Dänemark 3:1
Tiago Apolonia/Joao Monteiro – Anders Lind/Tobias Rasmussen 3:0 (6,5,4)
Marcos Freitas – Jonathan Groth 1:3 (-9,11,-7,-7)
Joao Monteiro – Anders Lind 3:1 (-6,8,8,4)
Marcos Freitas – Tobias Rasmussen 3:1 (4,-9,7,10)
Damen-Mannschaft, Endspiel
Deutschland – Rumänien 3:0
Nina Mittelham/Shan Xiaona – Daniela Dodean-Monteiro/Elizabeta Samara 3:2 (-9,4,6,-9,6)
Han Ying – Bernadette Szocs 3:1 (-9,5,3,2)
Shan Xiaona – Daniela Dodean-Monteiro 3:1 (9,9,-10,7)
Damen-Mannschaft, Spiel um Bronze
Polen – Ungarn 3:2
Natalia Bajor/Natalia Partyka – Dora Madarasz/Szandra Pergel 2:3 (-8,5,-3,5,-9)
Li Qian – Georgina Pota 3:1 (5,-3,8,11)
Natalia Partyka – Dora Madarasz 3:2 (11,-4,8,-1,8)
Natalia Bajor – Georgina Pota 1:3 (-8,9,-8,-5)
Li Qian – Szandra Pergel 3:1 (3,-10,1,9)
Europaspiele auf der Webseite der ETTU
Text: Dr. Stephan Roscher
Foto: ITTF