Erst schien es zu einer zähen Hängepartie zu werden, wie das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit der Coronakrise umgeht und ob es zu der auch in Tischtenniskreisen favorisierten Verlegung der Olympischen Spiele in Tokio kommen würde. Am Dienstag dann aber Nägel mit Köpfen: Die Spiele werden auf das Jahr 2021 verschoben.
Noch am Sonntag war vermeldet worden, dass das Komittee erst nach vierwöchiger Bedenkzeit über eine Verlegung der Olympischen Sommerspiele 2020 entscheiden wolle. Von Athleten und nationalen Sport-Verbänden kam zunehmend Kritik. Doch heute wurde bereits die gemeinsame Entscheidung des IOC und der Ausrichter in Japan bekannt gegeben. Die Initiative scheint aber weniger vom IOC als vielmehr von der japanischen Regierung ausgegangen zu sein. Ministerpräsident Shinzo Abe erklärte am Dienstag in Tokio, er habe IOC-Präsident Thomas Bach in einem Telefonat gebeten, das Sport-Event auf den Sommer 2021 zu verlegen. Der Schritt sei angesichts der Corona-Pandemie unvermeidlich, da die Wettkämpfe unter den gegebenen Umständen nicht vollständig ausgetragen werden könnten. Am Montag hatte Abe erstmals von einer möglichen Verschiebung gesprochen. Es ist die erste Verschiebung Olympischer Spiele nach den Zweiten Weltkrieg.
Der genaue Termin der Spiele in Tokio ist noch unbekannt, sie sollen aber nicht später als im Sommer stattfinden. Diese historische Entscheidung, die in der Tischtennisszene und bei den betroffenen Aktiven tendenziell eher positiv bewertet wird, wirft natürlich neue Fragen auf, etwa was mit den bereits qualifizierten Spielern geschieht und wie man unter dem Termindruck dann auch noch zwei Weltmeisterschaften über die Bühne bringen will.
Nachfolgend einige Stimmen von Spielern, Trainern und Funktionären des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB).
Richard Prause (DTTB-Sportdirektor): „Alles andere wäre eine Überraschung gewesen. Ich denke, das ist eine gute Entscheidung im Sinne der Gesundheit und Chancengleichheit. Wir müssen abwarten, wie die Details aussehen, insbesondere auch der internationale Turnierkalender. Dann können wir in die Planung gehen.“
Michael Geiger (DTTB-Präsident): „Die nun doch schnelle Absage bringt für alle Beteiligten frühe Planungssicherheit. Die Statements der Gesundheitsexperten und der Virologen haben erwarten lassen, dass eine Verlegung notwendig sein wird. Aber es bringt auch viel Ungewissheit mit sich. Der internationale Turnierkalender wird weiter gewaltig durcheinander gewirbelt. Das hat Auswirkungen auf die nationalen Ligen und Folgeveranstaltungen wie Welt- oder Europameisterschaften. Es wird spannend sein, wie die Strukturen im Sport in einem Jahr aussehen werden. Insbesondere wünsche ich den Sportlern, dass sie dann auch im kommenden Jahr teilnehmen können. Ich fühle auch mit allen Organisatoren und Bürgern in Japan und hoffe, dass Olympia 2021 ein großes und tolles Event wird.“
Thomas Weikert (ITTF-Präsident): „Ich bin einerseits sehr erleichtert über die Entscheidung, weil das für die ITTF etwas Planungssicherheit bringt. Ich bin andrerseits auch erleichtert, dass das IOC endlich eine richtige Entscheidung zum Schutze der Athleten, aber auch anderen Beteiligten, zum Beispiel der Zuschauer getroffen hat. Vielleicht kam die Entscheidung jetzt jedoch etwas spät.“
Jörg Roßkopf (Bundestrainer Herren): „Es wurde auch Zeit und die Jungs bekommen einen neuen Fixpunkt, wann Olympia stattfindet. Das wird eine spannende Saison 2020/21, weil wir zwei Weltmeisterschaften plus die neuen Strukturen der ITTF in ein Tischtennisjahr bringen müssen. Aber der Druck, ob Olympia nun am geplanten Termin stattfindet oder nicht, ist erst einmal weg. Wir können uns dann gut auf Olympia vorbereiten, was jetzt ja nicht mehr der Fall war. Es gibt viele spannende Themen: Was passiert mit den qualifizierten Spielern? Was passiert mit der Weltrangliste – wird sie eingefroren? Was passiert mit den Turnieren? Da hat die ITTF noch viel zu tun.“
Jie Schöpp (Bundestrainerin Damen): „Es ist für mich keine Überraschung, dass die olympischen Spiele jetzt verschoben worden sind. Natürlich wirft die Entscheidung unsere komplette Jahresplanung über den Haufen, aber angesichts der dramatischen Entwicklung in vielen Ländern war es die einzig richtige. Die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler und vor allem auch der vielen tausend Besucher geht vor ganz klar vor. Die Situation ist für alle Nationen gleich. Nun gilt es unseren Fokus und die Trainingsplanung auf den neuen Termin auszurichten.“
Timo Boll: „Ich hatte mir schon länger keine Hoffnung mehr gemacht, aber es ist die richtige Entscheidung. Ich bin seit dem letzten Bundesligaspiel daheim und halte mich fit. Ich versuche, das Positive daran zu sehen, dass sich mein Körper etwas regenieren kann. Weil wenn es dann irgendwann wieder losgeht, wird es heftig. Vermutlich wird dann alles in den Terminplan reingedrückt. Für viele ist es sicher bitter, die sich so lange auf Olympia vorbereitet haben, evtl. ihren Job sogar zurückgestellt haben und jetzt komplett umplanen müssen. Aber für uns Tischtennisspieler hat sich gar nicht so viel geändert. Vielmehr ist der Fairplay-Gedanke jetzt wieder gegeben, weil die Trainingsunterschiede sonst sehr groß gewesen wären. Ich hoffe, dass 2021 wieder eine ganz normale Vorbereitung möglich sein wird.“
Patrick Franziska: „Ich denke, das ist die richtige Entscheidung. Die Gesundheit aller geht vor. Jetzt haben wir zumindest wieder ein Ziel auf das wir hinarbeiten können. Auch wenn es weiter weg ist. Im Moment ist für alle einfach das Beste!“
Dimitrij Ovtcharov: „Wir haben auch heute erfahren, dass das Deutsche Tischtennis-Zentrum bis auf weiteres geschlossen bleibt. In Asien wird normal trainiert, d.h. im Sinne der Chancengleichheit und natürlich im Sinne der Gesundheit, haben die Japaner und das IOC richtig entschieden. 2021 wird ein großes Jahr mit der Einzel-WM, den Olympischen Spielen und davor evtl. noch die Mannschafts-WM. Das heißt, wir müssen dann alles raushauen.“
Text & Foto: Dr. Stephan Roscher
Quelle: DTTB