So, 24. November 2024
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„3 für den ASV“: Eindrücke vom „Corona Cup“ in Grünwettersbach

Am Sonntag war das Grünwettersbacher Tischtenniszentrum Schauplatz des Schauturniers „3 für den ASV“, dem ersten deutschen Tischtennisevent überhaupt seit dem Stopp des Ligabetriebs infolge der Corona-Krise. Es war – den aktuellen Umständen geschuldet – ein „Geisterturnier“ ohne Zuschauer, das bei Sportdeutschland.TV und im TTBL-TV im kommentierten Livestream übertragen wurde.

Ausgetragen wurde das Benefizturnier zugunsten des amtierenden Pokalmeisters mit einer Ausnahmegenehmigung des Sozialministeriums von Baden-Württemberg unter strenger Berücksichtigung aller behördlichen Auflagen und unter Ausschluss eines erhöhten Risikos für die Gesundheit der Beteiligten. 

„Team Wang“ nicht zu schlagen 

Zum sportlichen Teil des Events: Das leicht scherzhaft aber nicht ohne Hintersinn auch als „Corona Cup“ bezeichnete Turnier war kein Dreier-Wettbewerb sondern ein Mannschaftswettkampf zwischen zwei Teams zu je zwei Spielern. Drei aus dem Quartett vom ASV Grünwettersbach, nämlich die Pokalhelden Wang Xi und Dang Qiu sowie Neuzugang Deni Kozul. Als Verstärkung war noch Dangs Bruder Liang dabei, der mit diesem das „Team Qiu“ bildete. Die gegnerische Mannschaft bestand folglich aus Wang und Kozul. 

Es wurde auf drei Gewinnsätze gespielt, allerdings insofern in verkürzter Variante, als bei 10:10 der nächstfolgende Punkt zum Satzgewinn genügte und Entscheidungsdurchgänge bei 5:5 begannen. 

„Team Wang“ dominierte letztlich recht deutlich, was namentlich am Abwehrass des ASV lag, dem die Trainingspause nichts ausgemacht zu haben schien und der gegen keinen der Brüder einen Satz einbüßte. Deni Kozul bezwang den etwas glücklos agierenden DTTB-Nationalspieler Dang Qiu in fünf knappen Sätzen, während er dem eigentlich um einiges schwächeren Liang Qiu, der kommende Saison für den TTC indeland Jülich in der 2. Liga aufschlagen wird, in fünf Durchgängen unterlag. Somit siegte das Team Wang/Kozul mit 3:1 bei 11:5 Sätzen.

Im Einzelnen spielten:

Wang Xi – Liang Qiu 3:0

Deni Kozul – Dang Qiu 3:2

Deni Kozul – Liang Qiu 2:3

Wang Xi – Dang Qiu 3:0 

Testlauf für „Geisterspiele“

Soweit das Sportliche, doch das trat beim „Corona Cup“ nicht so in den Vordergrund wie bei einem „normalen“ Turnier. So befassten sich auch die durchaus interessanten Kommentare von Hallensprecher Achim Krämer und ASV-Manager Martin Werner weit mehr mit der allgemeinen Situation des Tischtennissports und der TTBL im Zeichen der Pandemie als mit dem aktuellen Geschehen am Tisch.

Das lag nicht an den Spielern, die im Rahmen der Gegebenheiten ihr Bestes gaben und manchen attraktiven Ballwechsel zeigten, sondern an den besonderen Umständen, zu denen einfach Redebedarf bestand. Zumal ja unsicher ist, wann wieder mit Fans gespielt werden kann, und da ja, nach ganz düsteren Prognosen, sogar eine „Geisterspielsaison 2020/21“ bevorstehen könnte. Der Verfasser dieser Zeilen glaubt allerdings nicht daran und hält manches, was im Zuge von Corona derzeit diskutiert wird, zwar für verständlich aber dennoch für übertrieben. Nichtsdestotrotz war es eine Art Testlauf für „Geisterspiele“. Und der hat eindeutig erwiesen, dass solchen Wettbewerben das Salz in der Suppe fehlt.

In der sehenswert dekorierten Halle fehlten einfach die Fans – und die sind eben im hochklassigen Mannschaftstischtennis durch nichts zu ersetzen. Nur 200 oder 300 genügen – und schon ist es ein ganz anderes Tischtennisevent. Die ASV-Verantwortlichen haben wirklich einen guten Job gemacht und alles versucht, das Turnier auch ohne Zuschauer „aufzupeppen“, etwa durch das feurige Intro durch Achim Krämer. Das wirkte im ersten Moment spektakulär, doch wenn man es sich zum zweiten- oder drittenmal im Livestream anschaut und anhört, tritt mehr und mehr die Frage in den Vordergrund, für wen solche temperamentvollen, den Spannungsbogen bis zum Äußersten ausreizenden Ansagen eigentlich gedacht sind, wenn nicht für die, die voller Vorfreude und Spannung in die Halle gekommen sind, um Toptischtennis live und hautnah zu verfolgen.

Es fehlten einfach die Zuschauer, die gerade in der TTBL manche Halle zum Hexenkessel werden lassen. Speziell in Grünwettersbach ist man Begeisterung von den Rängen gewöhnt. Als Referee fungierte ASV-Trainer Jo Sekinger, zudem war ein etwas verloren wirkender Fotograf bei der Arbeit zu beobachten. Andere Menschen waren nicht zu sehen außer den beiden Spielern, die sich jeweils am Tisch duellierten. Und das genügt nicht. Man konnte die berühmt-berüchtigte Stecknadel fallen hören, nur Ballgeräusche und die Bewegungen der Spieler waren akustisch zu vernehmen. Zudem zeigten sich die Aktiven würdevoll zurückhaltend in ihren Emotionen, erkennbar bestrebt, nichts falsch zu machen und den strengen Auflagen zu genügen. Shakehands war, den Umständen geschuldet, nicht gewünscht, lediglich ein ganz kurzer Gruß in Richtung des Gegners nach Matchende mittels einer Handbewegung – am Sonntag in Grünwettersbach übertrieben kurz gehalten, die Spieler wirkten, als hätten sie Angst, dass durch Zuwinken Viren in Umlauf geraten könnten.

Hingebungsvoll desinfizierten sie nach ihren Spielen den Tisch. Alles prima und verantwortungsbewusst, doch es ist nicht der Touch, der zum Profisport passt. Es wirkt fast so, wie wenn ein Fußballbundesligist den Platzwart entlassen hätte und die Spieler nun die Rasenpflege mit übernehmen müssten. Für kurze Zeit bei besonderen Umständen geht fast alles, doch auf längere Sicht eben nicht.

Fans sind nicht zu ersetzen

Bundesligatischtennis ist ein Produkt von und für Menschen, das hat gerade „3 für den ASV“ eindrucksvoll bewiesen. Das gilt natürlich für die TTBL aber auch für die 2. Bundesliga Herren oder das Damen-Oberhaus. Und es reicht weiter nach unten – schließlich gibt es auch einzelne Regionalligisten oder Oberligisten in Deutschland mit mehr als 100 „feurigen“ Fans im Schnitt. Der Verfasser etwa hat diverse Damen-Bundesligaspiele live verfolgt, in denen das Heimteam förmlich von den Zuschauern getragen wurde und über sich hinauswuchs. Und dazu reichten zum Teil 120 bis 150 Fans. Bei „Geisterspielen“ ist die Summe der Einzelspieler ausschlaggebend, doch jener besondere Kick, der den Mannschaftssport erst attraktiv macht, fehlt. Und der besteht gerade darin, dass einzelne Akteure auf einer Woge der Euphorie über sich hinauswachsen. Dabei spielt im Übrigen auch die Anfeuerung von der Bank eine wesentliche Rolle, auch die ist bei „Geisterformaten“ nicht gegeben.

Das Grünwettersbacher Modell soll indes nicht schlechtgeredet werden. Es handelt sich um ein interessantes Turnierformat für eine wettkampffreie Übergangszeit, in der man so immerhin zeigen kann, dass man noch da ist – auch als Signal an die Sponsoren. Somit ist es in diesen außergewöhnlichen Wochen auch anderen Klubs zur Nachahmung empfohlen, sofern diese überhaupt genügend Spieler zur Verfügung haben – zahlreiche TTBL-Stars befinden sich derzeit ja in ihren Heimatländern und dürfen einstweilen gar nicht zurück nach Deutschland reisen.

Fazit: „Geisterspiele“ mögen in einer Ausnahmesituation besser sein als nichts, eine Lösung auf mittlere oder längere Sicht stellen sie nicht dar. Das Interesse der Fans sowie – ganz wichtig! – der Sponsoren würde rasant zurückgehen und das Produkt TTBL sehr schnell ernstlich in Gefahr geraten. 

 

Video des kompletten Turniers „3 für den ASV“

TT-NEWS: „Coronagerechtes“ Benefizturnier des ASV Grünwettersbach am Sonntag

 

Beitragsbild oben: Wang Xi war der überragende Spieler beim Schauturnier in Grünwettersbach.

 

Text & Fotos (2): Dr. Stephan Roscher

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