Nach den Olympischen Spielen in Tokio, die wegen Corona ins Jahr 2021 verlegt wurden, wird im DTTB-Trainerbereich ein spektakulärer Wechsel vollzogen. Die frühere kroatische Weltklassespielerin Tamara Boros (Foto) wird das Amt der Damen-Bundestrainerin von Jie Schöpp übernehmen, die auch nach Tokio beim DTTB bleibt und zukünftig für die U15-Talente zuständig sein wird.
Ab sofort soll Boros, seit 2017 Trainerin des weiblichen U23-Kaders des DTTB sowie des Deutschen Tischtennis-Internats in Düsseldorf, gemeinsam mit Schöpp Aufgaben im Damenbereich übernehmen und sie bei Großveranstaltungen bei der Betreuung der Spielerinnen unterstützen, um nach Tokio die bestmögliche Amtsübergabe zu gewährleisten.
Schöpp bleibt indes bis einschließlich der Olympischen Spiele die verantwortliche Bundestrainerin und Chefcoach der Damen. Nach dem Megaevent wird sie ein neues Aufgabenfeld wahrnehmen. „Gemeinsam mit Nachwuchs-Bundestrainerkollegin Lara Broich den weiblichen Nachwuchs in die Zukunft zu führen“, so beschreibt der DTTB in seiner Pressemitteilung Schöpps künftige Tätigkeit. „Schöpp übernimmt den U15-Bereich, Broich wird für die U18-Spielerinnen zuständig sein.“
Ob man die personellen Umschichtungen eher als den Versuch sehen mag, mit Tamara Boros eine aufstrebende Trainerin ganz nach oben zu bringen, oder ob man sie primär als eine „Kaltstellung“ der bisweilen auch kritisierten Jie Schöpp interpretiert, auf jeden Fall ist es eine einschneidende Personalentscheidung des nationalen Tischtennis-Spitzenverbandes.
„Am Ende eines Olympiazyklus sind die Spitzenverbände aller Sportarten immer aufgerufen, Veränderungen umzusetzen, die neue Impulse in allen Altersklassen bedeuten“, so DTTB-Sportdirektor Richard Prause. „Wir als DTTB sind in der beneidenswerten Position, gleich zwei ehemalige Weltklassespielerinnen und ebenso erfahrene und hoch qualifizierte wie erfolgreiche Trainerinnen im weiblichen Bereich einsetzen zu können, um mit den Damen in der Zukunft weiterhin erfolgreich zu sein.“
Die im Januar 1968 im ostchinesischen Baoding geborene Jie Schöpp, 107-fache DTTB-Nationalspielerin, holte als Aktive mit der Mannschaft zwei EM-Titel und einmal Bronze bei der WM 1997 für Deutschland. Zudem gewann die Defensivkünstlerin zweimal das prestigeträchtige Europe Top 12 und dreimal EM-Bronze im Einzel. Ihre Bilanz als Trainerin – seit Februar 2012 fungiert die lamngjährige Bundesligaspielerin als Damen-Bundestrainerin – liest sich ebenfalls nicht schlecht. Mit ihr auf der Kommandobrücke gewannen die deutschen Damen sensationell Silber in Rio 2016 und sicherten sich durch Gold im Team-Wettbewerb der European Games im ersten Anlauf die Qualifikation für Tokio. Zudem gelang ihrem Team der Europameisterschafts-Hattrick mit Titeln in den Jahren 2013, 2014 und 2015. In der Saison 2015/16 wählte sie der Verband Deutscher Tischtennistrainer zur Trainerin des Jahres.
Ihre designierte Nachfolgerin Tamara Boros war als Spielerin viele Jahre nicht nur die beste Europäerin, sondern auch ärgste Konkurrentin der Chinesinnen. Die vierfache Olympia-Teilnehmerin gewann unter anderem Bronze im Einzel bei der WM 2003 und wie Schöpp zweimal das Europe Top 12. Vor fünf Jahren wurde Boros in die „Hall of Fame“ der Europäischen Tischtennis-Union (ETTU) aufgenommen. Parallel zur Trainerkarriere hat die 1977 geborene Ausnahmespielerin in ihrem Heimatland Kroatien erfolgreich ein Sportstudium absolviert und einen Master-Abschluss an der Fakultät für Kinesiologie im Bereich Sport-Coaching erworben. In ihrer Abschlussarbeit untersuchte sie die Entwicklung von Spielsystemen im modernen Damen-Tischtennis. Mit dem Hochschulabschluss erfüllt die frühere Weltranglistenzweite auch formal die Kriterien des Deutschen Olympischen Sportbundes, der eine wissenschaftliche Ausbildung bei Berufstrainerinnen und -trainern auf Bundesebene befürwortet.
Text & Foto Schöpp: Dr. Stephan Roscher
Foto Boros: DTTB