Ein Power-Spieltag steht in der 1. Bundesliga Damen bevor. Vier Partien an einem Wochenende sind in der überschaubaren Siebener-Liga nicht gerade häufig – und eigentlich wären es sogar fünf gewesen, doch der frischgebackene Champions-League-Sieger ttc berlin eastside hat die für den Sonntag geplante Partie in Weil abgesagt, weil er nicht in ein „Corona-Risikogebiet“ reisen möchte. Dennoch stehen einige interessante Duelle an, bei denen vermutlich hochklassiges, spannendes Tischtennis zu sehen sein wird. So etwa die Partie des neuen Ligaprimus Schwabhausen am Samstag gegen Langstadt oder das Duell zwischen dem Tabellenzweiten Böblingen und dem Meisterschaftsmitfavoriten Kolbermoor am Sonntagmorgen. Der Wermutstropfen des Spieltags: Bingen muss bei seinen Gastspielen in Weil und Langstadt mit drei Spielerinnen auskommen.
Samstag, 14.00 Uhr: TSV Schwabhausen – TSV Langstadt
Bei der 3:5-Niederlage in Kolbermoor am zurückliegenden Sonntag ließ der TSV Langstadt seine durchaus vorhandenen Chancen auf etwas Zählbares ungenutzt. Gerade bei Topspielerin Petrissa Solja war reichlich Sand im Getriebe. Man hatte sich nach einer achtwöchigen Pause so viel vorgenommen und stand am Ende in Oberbayern doch mit leeren Händen da. Da kommt es den Südhessinnen ganz gelegen, dass die Liga nun wieder richtig Fahrt aufnimmt und am kommenden Wochenende gleich zwei Partien anstehen, zwei Gelegenheiten also, sich den Frust von Kolbermoor von der Seele zu spielen. Und es geht zunächst gleich noch einmal nach Oberbayern.
Am Samstag reist man nach Schwabhausen. Der TSV ist bisher die Überraschungsmannschaft der Saison und steht mit 6:2 Punkten ungeschlagen an der Tabellenspitze. Zuletzt hatte man die noch als Spitzenreiter angereiste Sportvereinigung Böblingen klar in die Schranken gewiesen. Das Team ist auf den Positionen zwei bis fünf recht ausgeglichen besetzt. Und dann gibt es da noch die Nummer eins, Sabine Winter, der bisher einfach alles gelingt und die noch ungeschlagen ist (6:0) – zum Vergleich: eine Petrissa Solja steht momentan nur 3:3.
In Schwabhausen bleibt man auf dem Teppich. „Wir sind uns schon bewusst, dass es eine Ausnahmesituation in der Tabelle ist, aber ich denke, jeder hier in Schwabhausen hat sich einen Screenshot gemacht“, so ein augenzwinkernder Alexander Yahmed. Der Trainer des Gastgebers sieht Langstadt in der Favoritenrolle: „Wir freuen uns, einen der Titelkandidaten zu empfangen und sind gespannt, was wir noch alles an uns verbessern können. Die Positionen sind klar verteilt: Wir wollen ins Play-off und Langstadt will den Titel – denke ich zumindest. Dementsprechend freuen wir uns auf schöne Spiele und guten Sport.“ Auch Abteilungsleiter Helmut Pfeil hält das eigene Team für den Außenseiter: „Wir gehen in dieses Spiel genauso wie in jedes Spiel gegen einen Favoriten: Wir haben nichts zu verlieren und versuchen, unsere kleine Chance so gut wie möglich nutzen zu können. Wir werden die Tabellenführung nicht überbewerten. Das ist zwar ein schönes Bild, aber Langstadt ist der große Favorit in dieser Begegnung.“
„Das wird wieder ein hartes Stück Arbeit für uns“, ist Langstadts Coach Thomas Hauke überzeugt. „Schwabhausen ist auch hinter Sabine Winter sehr gut und vor allem ausgeglichen besetzt. Da braucht es schon eine sehr starke Mannschaftsleistung von uns, um dort etwas zu holen.“ Der Sportliche Leiter Manfred Kämmerer pflichtet bei: „Schwabhausen strotzt derzeit vor Selbstvertrauen, da müssen unsere Mädels richtig gut dagegen halten, wenn sie etwas holen wollen.“
Samstag, 14.00 Uhr: ESV Weil – TTG Bingen/Münster-Sarmsheim
Spätestens vor fünf Wochen mit dem tollen 6:2-Erfolg in Kolbermoor war der Aufsteiger aus dem Dreiländereck, der zuvor schon im Pokal mit der Qualifikation für das Final Four für Furore gesorgt hatte, endgültig in Europas Topliga angekommen und hat gezeigt, dass er vor keinem Gegner in Ehrfurcht erstarren muss. Mit Ievgeniia Sozoniuk, Polina Trifonova, Izabela Lupulesku, Sophia Klee und Vivien Scholz hat man ein spielstarkes, ausgeglichen besetztes Quintett am Start, das niemand in der 1. Bundesliga Damen mal eben locker aus der Halle schießen kann. Nun ist man natürlich heiß darauf, sich mit den Besten der Besten zu messen und gegebenenfalls weitere Akzente zu setzen. Doch so einfach funktioniert das gar nicht. Berlin wird – wie erwähnt – am Sonntag nicht nach Südbaden reisen und Bingen/Münster-Sarmsheim am Vortag nur mit drei Spielerinnen seine Aufwartung machen.
Bingens Teammanager und Coach Frank Liesenfeld erläutert die Problemlage: „Leider können wir den Rest der Vorrunde nur mit drei Spielerinnen bestreiten. Amy, Nadezhda und Mallika können aus den bekannten Gründen nicht nach Deutschland einreisen. Da der DTTB aber uns zum Durchführen der Spiele drängt, werden wir zu den Spielen antreten, bei drei Spielerinnen mit nur wenig Erfolgsaussichten.“ Besonderes Lob erhält die Italienerin im TTG-Kader: „Giorgia Piccolin hat sich soweit wieder gut erholt von ihrer Covid-19 Erkrankung und stellt sich, mit ihrer profihaften Einstellung und ihrem großen Herzen, in den Dienst des Teams und des Clubs.“ Liesenfeld fährt fort: „Wir werden die großen Aufgaben der Organisation mit Reisen, Hotels und Verpflegung auf uns nehmen und versuchen, uns sportlich gut zu präsentieren. Das sind wir unseren Fans und Sponsoren schuldig, zudem spiegelt es die professionelle Einstellung unserer Spielerinnen wieder.“ Eine gute Nachricht für die Fans des Klubs aus Rheinhessen: „Zur Rückrunde haben wir auf die Situation der Reiseproblematik reagiert und unser Team mit der tschechischen Nationalspielerin Karolina Mynarova ergänzt.“
Da sind natürlich nicht die Probleme des ESV Weil, der lieber gegen vier als gegen drei Gegnerinnen antreten möchte, doch an der Situation nichts ändern kann. Selbst hat man wieder den kompletten Fünferkader beisammen und wird versuchen, den zweiten Saisonsieg in der Liga unter Dach und Fach zu bringen – gegen den Rivalen, dem man bereits im Pokal mit 3:2 das Nachsehen gegeben hat. Auch am 6. September hatte Bingen im Übrigen mit Mantz, Piccolin und Tomanovska gespielt, doch da waren eben nur Dreiermannschaften vorgesehen.
Doris Spiess möchte wenigstens die Partie gegen die Rheinhessen gut über die Bühne bringen: „Wir gehen davon aus, dass Bingen antreten wird und nicht in letzter Minute noch absagt. Das wäre fatal, nach dem ganzen Aufwand, den wir betreiben mussten. Bis jetzt ist aber alles in Ordnung.“ Die Abteilungsleiterin des ESV weiß ferner zu berichten: „Unsere Mädels sind hier und trainieren schon seit über einer Woche gemeinsam. Dass Berlin abgesagt hat, ist schon sehr schade, war aber zu erwarten. Wir hätten natürlich sehr gerne gespielt und uns schon auf die Begegnung gefreut. Jetzt werden wir alle Energie ins Spiel gegen Bingen setzen und hoffen auf ein spannendes Match.“
Sonntag, 10.30 Uhr: SV Böblingen – SV DJK Kolbermoor
„Nur“ noch als Tabellenzweiter empfängt die zunächst mit 6:0 Punkte so grandios gestartete SV Böblingen den Meisterschaftsmitfavoriten Kolbermoor zu einem interessanten Süd-Derby. Die Crew aus Oberbayern hat zuletzt große Moral gezeigt und ein schwieriges Spiel gegen Langstadt zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht und sich auf Platz drei hochgearbeitet. Die Schwäbinnen mussten dagegen in Schwabhausen ein zumindest in dieser Höhe gewiss unerwartetes 2:6 quittieren und wollen nun gegen den anderen bayerischen Vertreter im Oberhaus beweisen, dass dies nur ein Ausrutscher war.
Die Gäste aus der Nähe von Rosenheim zählen fraglos zu den stärksten Teams der Liga. Spitzenspielerin Kristin Lang ist nach einer Operation wieder an Bord. Wan Yuan überzeugte gegen Langstadt mit zwei Erfolgen – unter anderem konnte sie Petrissa Solja bezwingen. Und im zweiten Paarkreuz ist Defensivkünstlerin Svetlana Ganina immer noch brandgefährlich – gerade junge Gegnerinnen beißen sich sehr oft die Zähne an ihr aus. „Die SV Böblingen ist gegen Kolbermoor Außenseiter“, lässt Pressewart Manfred Schneider keinen Zweifel aufkommen. „Die letzten vier Bundesliga-Vergleiche zwischen beiden Teams endeten alle mit Siegen für Kolbermoor.“ Böblingen wird vermutlich einmal mehr mit Qianhong Gotsch, Mitsuki Yoshida, Annett und Alexandra Kaufmann auflaufen, während Yanhua Yang-Xu und Sönke Geil als Coaches eingeplant sind. „Hongi konnte zuletzt aus privaten Gründen nicht wie gewohnt trainieren, will diesen Rückstand aber bis Sonntag aufholen“, wie Manfred Schneider informiert.
Da keine Zuschauer erlaubt sind, will der Gastgeber wieder einen Livestream anbieten. Für Böblingen wird es übrigens die letzte Partie in der seit 2010 gewohnten Umgebung sein. Der komplette Vorbau der Halle am Silberweg (Klubraum, Umkleideräume und Sanitärbereich) wird im Januar abgerissen, um Platz für die Erweiterung der Kindertagesstätte zu schaffen.
SV DJK-Trainer Michael Fuchs rechnet mit einem heißen Tanz im „Ländle“. „Meiner Meinung nach wird das Spiel gegen Böblingen wie immer eine enge Kiste, ganz unabhängig von den Ergebnissen des letzten Wochenendes“, sagt Fuchs. „Die Qualität von Hongi Gotsch war über die ganzen letzten Jahre ja immer der Grund, weshalb Böblingen ein schwerer Gegner für jeden Verein ist. Durch die Entwicklung von Annett in letzter Zeit wird es auch im unteren Paarkreuz schwerer zu punkten, wo wir bisher gefühlt immer unsere Vorteile gesehen haben.“ Und das ist der Wunsch des Trainers für den Sonntag: „Ich hoffe einfach, mein Team knüpft an die Leistung der letzten Woche an, dann mache ich mir über den Ausgang des Spiels auch keine Gedanken.“
Sonntag, 14.00 Uhr: TSV Langstadt – TTG Bingen/Münster-Sarmsheim
Nach der Partie bei Spitzenreiter Schwabhausen geht es für den TSV-Tross im Eiltempo zurück ins heimische Langstadt – immerhin 375 Kilometer entfernt –, um am Sonntagnachmittag wieder möglichst frisch auf der Matte zu stehen, wenn die Rheinhessinnen aus Bingen/Münster-Sarmsheim ihre Visitenkarte in der Eckehard-Colmar-Halle abgeben. Es handelt sich nicht um ein lupenreines Derby, wohl aber ein Spiel mit derbyähnlichem Charakter. In der Vergangenheit gab es immer rassige Duelle zwischen beiden Klubs.
Doch diesmal werden sich lediglich drei Rheinessinnen – Chantal Mantz, Giorgia Piccolin und Katerina Tomanovska – gegen die drohende Niederlage stemmen können. Die übrigen drei Spielerinnen des TTG-Kaders sitzen in ihren Heimatländern USA, Indien und Weißrussland fest und können wegen der strikten Aus- und Einreisebedingungen im Zeichen von Covid-19 derzeit ihr Team nicht verstärken. In der Rückrunde hat man mit der Tschechin Karolina Mynarova vom Zweitligisten Füchse Berlin eine weitere Spielerin verpflichtet, damit man wenigstens keine Auftritte zu dritt mehr erleben muss. Mynarova ist eine bedingungslose Offensivspielerin und gehört der renommierten Luxemburger Trainingsgruppe von Peter Engel an. Doch am Wochenende und für den Rest der Hinrunde muss man eben mit dem obigen Trio auskommen, weshalb es schwer werden dürfte, Punkte einzufahren. Auch in Langstadt ist man in dieser Konstellation krasser Außenseiter.
Dennoch möchte der Gastgeber nicht den Fehler begehen, einen Gegner zu unterschätzen und zieht die Partien der letzten Monate als Vergleich heran. „Bingen hat erst zwei Spiele absolviert. Eins davon haben sie unglücklich gegen den Tabellenzweiten Böblingen nur ganz knapp verloren“, so Manfred Kämmerer. „Hier würde ich trotzdem unser Team als leichten Favoriten sehen, wenngleich das nicht viel zu heißen hat.“ Kämmerer sieht den Doppelspieltag als gute Gelegenheit: „Die Mannschaft möchte natürlich die unglückliche Niederlage in Kolbermoor sofort wieder vergessen machen. Da kommt es uns sehr gelegen, dass wir gleich zweimal die Chance dazu haben.“
Beitragsbild oben: Polina Trifonova, Nummer 2 des ESV Weil.
Text & Fotos (5): Dr. Stephan Roscher