Bingen gegen Berlin in Dauerschleife? Nicht ganz, aber fast. Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Problemlösungen. Und wenn man das Reisen etwas reduzieren kann, ist das durchaus im Interesse der Liga. Champions-League- und Pokalsieger ttc berlin eastside hat aus der Vorrunde noch einige Partien nachzuholen. Vier Begegnungen hat die Truppe aus der Hauptstadt erst absolviert, so wenig wie kein anderer Bundesligist. Nun geht man aber gleich doppelt ans Werk und trägt in Bingen am Samstag und Sonntag (jeweils um 14 Uhr) unter Verzicht auf ein Heimrecht die Vorrunden- und Rückrundenbegegnung aus.
Bislang lief es für die Berlinerinnen in der Liga noch nicht optimal. Man hat erst eine Partie gewonnen – zuletzt am Vortag des Final Four gegen Weil mit 5:3 – und zuvor eine Niederlage und zwei Punkteteilungen hinnehmen müssen. Eigentlich weit unter den Ansprüchen des ttc eastside, doch passiert ist letztlich gar nichts, denn es geht ja zunächst einmal „nur“ um die Qualifikation für die Play-offs, und dass diese Shan und Kolleginnen missglücken könnte, glaubt wirklich niemand in ganz Tischtennis-Deutschland. Man möchte nun das Feld von „hinten“ aufrollen und sich Spiel für Spiel weiter in Richtung Spitze vorarbeiten – momentan steht man nur auf Platz fünf, mit zwei Siegen bei den Rheinhessinnen, die man fest einplant, wäre man aber bereits Tabellendritter.
Doch der Gegner spielt ja auch noch mit und gilt – auch ohne Fans im Rücken – als heimstark. Die vier Partien der unkompletten Vorrunde erbrachten allesamt Niederlagen, auch weil man meist nicht einmal zu viert antreten konnte, da immer wieder mehrere Spielerinnen coronabedingt in ihren Heimatländern festsaßen.
Dann jedoch verpflichtete man die bis dahin beim Zweitligisten Füchse Berlin aktive Tschechin Karolina Mynarova für die zweite Saisonhälfte – und schon der erste Doppelspieltag am letzten Wochenende zeigte, dass man wohl genau das richtige getan hat. Endlich wieder zu viert, besiegte man mit einer auf Anhieb überzeugenden Mynarova zunächst Schwabhausen mit 5:3 und tags darauf Böblingen mit 6:2. Man verbesserte sich auf Rang sechs und steht damit erstmals auf einem Play-off-Platz. Da fühlt man sich wohl und würde auch gerne dort bleiben, allerdings würde man bei zwei Niederlagen am Wochenende zunächst einmal wieder hinter den ESV Weil rutschen, bei dem zuletzt gegen Schwabhausen zwar der Wurm drin war, der aber auch schon starke Auftritte im Oberhaus hatte.
So oder so, Bingen hat frisches Selbstbewusstsein getankt und will dem Favoriten, der mit seinem Champions-League-Team anreisen wird, das Leben so schwer wie möglich machen. Doch ganz unverwundbar ist der ttc eastside auch in dieser Besetzung nicht, wie zwei Punktverluste in der Vorrunde gezeigt haben. Man muss aber davon ausgehen, dass die Berlinerinnen nun – mit zwei Titeln in der Tasche und entsprechendem Rückenwind ausgestattet – demonstrieren wollen, dass dies lediglich Ausrutscher waren. Sie wollen ein Zeichen setzen, dass sie nun voll da sind und nichts mehr anbrennen lassen. Bingen wird dennoch versuchen, mit Herzblut dagegenzuhalten.
„Natürlich sind wir in beiden Spielen krasser Außenseiter“, räumt Bingens Vorsitzender Joachim Lautebach ein. „Wir gehen davon aus, dass Berlin in Bestbesetzung antritt. Trotzdem hoffen wir nach der guten Leistung vom vergangenen Wochenende auf zwei gute Spiele unserer Mannschaft. Leider wieder ohne Zuschauer.“ Lautebach setzt auf das erfolgreiche Quartett vom vergangenen Wochenende: „Vorgesehen ist, dass die vier Spielerinnen vom letzten Mal natürlich wieder spielen. Es sei denn, Corona macht uns noch einen Strich durch die Rechnung.“ Teammanager Frank Liesenfeld merkt zudem an: „Wir haben eine gute und intakte Mannschaft zusammen, die mit ihrer professionellen Einstellung, kämpferisch und mit Spaß am Spiel an die schweren Aufgaben gegen Berlin herangehen wird.“ Liesenfeld lässt keinen Zweifel aufkommen: „Berlin ist für mich der Topfavorit auf die Meisterschaft, der nun mit starker Aufstellung die Tabelle aufrollen wird für eine gute Platzierung zu den Play-offs. Wir freuen uns auf die beiden Matches und wollen, so gut es geht, dagegenhalten.“
Wie immer recht knapp und präzise fällt das Statement von eastside-Manager Andreas Hain aus: „Wir spielen mit Xiaona Shan, Nina Mittelham, Britt Eerland und Jessica Göbel. Wir wollen selbstverständlich möglichst Erster der Hauptrunde werden, um auch die beste Ausgangsposition für die Play-offs zu haben. Von daher sind zwei Siege gegen Bingen Pflicht.“
Samstag, 14.00 Uhr: TTG Bingen/Münster-Sarmsheim – ttc berlin eastside
Sonntag, 14.00 Uhr: TTG Bingen/Münster-Sarmsheim – ttc berlin eastside
Beitragsbild oben: Giorgia Piccolin wird am Wochenende wieder als Bingens Nummer 2 auflaufen.
Text & Fotos (2): Dr. Stephan Roscher
Foto Mynarova: Petra Steyer