Es war ein ganz wichtiger Sieg für die TTF Liebherr Ochsenhausen am 17. Spieltag der Tischtennis Bundesliga. Nach einem dreistündigen Krimi gegen Ligaprimus Borussia Düsseldorf in der Dr.-Hans-Liebherr-Halle durfte man aufatmen, natürlich nur, wenn man aus dem Lager der Oberschwaben kam. Im Schlussdoppel sicherten Hugo Calderano und Simon Gauzy ihrem Team die im Kampf um die Play-off-Teilnahme so wichtigen beiden Punkte. Das Ochsenhausener Duo rang bei seiner Bundesligapremiere die Düsseldorfer Karlsson/Walther nach zwischenzeitlichem 0:2-Satzrückstand mit 3:2 nieder, gleichbedeutend mit dem Sieg gegen den zuvor in dieser Spielzeit erst einmal bezwungenen einsamen Spitzenreiter.
Beide Teams nicht in Topaufstellung
Düsseldorf war ohne den leicht angeschlagenen Timo Boll angereist, doch das war nicht allein ausschlaggebend, zumal zurzeit der 23-jährige Schwede Anton Källberg, der zuvor eine 18:1-Bilanz in der TTBL erspielt hatte, Düsseldorfs Top-Ass ist. Und sein Landsmann Kristian Karlsson, der auch dabei war, steht ebenfalls hoch positiv und ist nur schwer zu schlagen. Der leicht angeschlagene Ricardo Walther, als exzellenter Doppelspieler bekannt, wurde mit Blick auf ein mögliches fünftes Match geschont, sodass der Trainer und frühere niederländische Nationalspieler Danny Heister selbst zum Schläger griff.
Jha und Calderano erfolgreich: TTF legen 2:0-Führung vor
Kanak Jha hatte gegen Heister durchaus zu kämpfen, fuhr aber in drei Sätzen den erwarteten Sieg ein. Hätte anschließend Hugo Calderano – Simon Gauzy fühlte sich nicht ganz fit und wurde mit Blick auf den Sonntag im Einzel nicht eingesetzt – gegen Anton Källberg verloren, wäre es ganz, ganz schwer geworden für sein Team. Und zunächst sah es gar nicht so gut aus für den Brasilianer. Calderano, der seine vorläufig letzte Saison für die TTF bestreitet, gewann zwar den ersten Satz ganz klar, verlor dann aber die Durchgänge zwei und drei gegen den sich enorm steigernden Schweden hauchdünn, sodass es brenzlig wurde. Doch der Ochsenhausener Spitzenspieler schaltete nochmals einen Gang hoch und brachte das wichtige Match zum Ende hin sogar noch recht klar nach Hause. 2:0-Führung für den Pokalvize in der Neuauflage des Final-Four-Endspiels, alles schien wunschgemäß zu laufen.
Karlsson und Källberg führen Düsseldorf zum 2:2
Der 18-jährige Samuel Kulczycki hatte gegen den erfahrenen Kristian Karlsson einen ganz schweren Stand, doch der junge Pole hielt gut mit und verlor den ersten Satz mit Pech 11:13. Der zweite Durchgang ging klar verloren, im dritten war Kulczycki wieder auf Augenhöhe, unterlag aber knapp. Der Champions-League-Sieger war zurück im Spiel. Anton Källberg legte gegen Kanak Jha mit einem 3:1 nach, wobei der US-Boy, der aufsteigende Form zeigte, drei der vier Sätze offen gestaltete. Es bleibt aber dabei, dass Jha bisher nicht die Leistungen zeigt, die man sich in Ochsenhausen von ihm erhofft. Dies hängt sicher mit verschiedenen Faktoren zusammen, nicht zuletzt – wie man hört – mit Heimweh, zumal dem 20-Jährigen, der ja abends angesichts der rigiden Corona-Beschränkungen nicht mal raus darf, die Decke auf den Kopf fällt. Aber das geht wohl einigen Tischtennisprofis derzeit so, die fernab ihrer Heimat leben und trainieren.
Tolles Doppel-Debüt von Calderano/Gauzy
2:2 jedenfalls – es ging ins Doppel. Ochsenhausen hatte riskant aufgestellt, denn Hugo Calderano und Simon Gauzy tragen zwar große Namen im Tischtennissport, hatten aber noch nie zusammen gespielt, was für das Borussen-Duo Kristian Karlsson/Ricardo Walther nicht galt. Man durfte gespannt sein, wie die in den Einzeln geschonten Simon Gauzy und Ricardo Walther – letzterer amtierender Deutscher Einzelmeister und schon zweimal nationaler Champion im Herren-Doppel an der Seite von Ruwen Filus – in ihren Rhythmus finden würden. Und der Anfang verlief nicht wie von Ochsenhausen erhofft. Im ersten Satz blieben die beiden TTF-Asse chancenlos, im zweiten hatten sie sich zwar gut zusammengerauft, konnten aber eine 8:4-Führung nicht ins Ziel bringen und unterlagen mit 12:14. Man stand jetzt mit dem Rücken zur Wand. Und im dritten Satz konnte man sich nie entscheidend absetzen und hatte bei 8:10 zwei Düsseldorfer Matchbälle gegen sich. Doch man wehrte diese sowie einen weiteren bei 10:11 mit unbändigem Kampfgeist ab und gewann ebenso mit 13:11 wie den vierten Durchgang, der auch auf des Messers Schneide stand. Da war es „nur“ ein Matchball der Gegner, den man abzuwehren hatte. Es passte einfach zur Dramaturgie dieses prickelnden Spiels, dass die Entscheidung im fünften Satz des Schlussdoppels fallen musste. Und da lagen Calderano/Gauzy zunächst einmal mit 2:5 hinten, spielten jedoch hochkonzentriert weiter und hatten am Ende mit 11:9 die Nase vorn. Nicht unverdient – auch aufgrund ihrer psychologisch anspruchsvollen Aufholjagden – durften sie gemeinsam mit den anderen Ochsenhausern den Sieg bejubeln. Es war erst die zweite Niederlage der Düsseldorfer Borussia in der gesamten Saison, in wettbewerbsübergreifend 27 (!) Partien.
Zufriedenheit im Ochsenhauser Lager, doch nach dem Spiel ist vor dem Spiel
„Ich bin froh, dass ich meiner Mannschaft heute helfen konnte und dass es zum Sieg gereicht hat“, freute sich Hugo Calderano, der kommende Saison in Orenburg unter Vertrag stehen wird, allerdings nur für sehr wenige Spiele in der Champions League. „Gerade gegen Düsseldorf sind es immer besondere Spiele, da zählt ein Sieg umso mehr. Mit meiner Leistung war ich ganz zufrieden. Dass Anton [Källberg] zurzeit sehr stark ist, wusste ich, aber ich habe es dann doch recht gut gelöst. Und im Doppel hatten wir am Anfang unseren Rhythmus noch nicht gefunden, aber dann haben wir unglaublich gut gespielt und zum Glück gewonnen.“
„Heute haben wir sehr gut gespielt, super hart gekämpft und eine geschlossene Teamleistung gezeigt“, so ein voll und ganz zufriedener TTF-Chefcoach Fu Yong. „Ich bin stolz auf die Jungs. Es war heute schließlich kein Sieg gegen irgendeine Mannschaft, sondern gegen den Tabellenführer, der auch ohne Timo Boll sehr stark ist. Das gibt der Mannschaft Auftrieb für die nächsten schweren Spiele.“
„Ich habe selten so ein spannendes, umkämpftes Spiel gesehen“, sagte Ochsenhausens Teammanager Manuel Pfender. „Unsere Jungs haben klasse gekämpft. Viel Zeit zur Freude bleibt uns aber nicht. Heute sind wir natürlich alle sehr glücklich nach diesem tollen Spiel. Ab morgen gilt dann unsere ganze Konzentration aber der schweren Aufgabe in Grünwettersbach am Sonntag, wo wir nun mit Rückenwind hinfahren und den heutigen Sieg vergolden möchten.“
„Es ist gut, dass wir uns so ein dickes Polster erarbeitet haben. So tut uns diese Niederlage zwar weh, aber sie hat im Moment auf unsere Tabellensituation keine Auswirkungen“, so Borussia-Trainer Danny Heister, der den kommenden Aufgaben recht gelassen entgegensehen kann.
Nächstes Schlüsselspiel für Ochsenhausen am Sonntag
Durch den Erfolg bleiben die TTF auf dem dritten Tabellenplatz. Mit 22:12 Punkten liegen sie gleichauf mit dem Zweiten Saarbrücken und dem Vierten Grünwettersbach, dem nächsten Gegner von Gauzy und Kollegen. Zwei Punkte Vorsprung hat man auf die Verfolger Mühlhausen und Neu-Ulm, das ist nicht allzu viel fünf Spieltage vor Rundenende, dennoch aber eine Grundlage, auf der sich in den kommenden Wochen aufbauen lässt, um das große Ziel Play-offs zu erreichen. Man darf wirklich gespannt sein auf das Duell mit Wang Xi und Co. am Sonntag.
Borussia Düsseldorf empfängt zeitgleich den TTC Neu-Ulm, der nach zuletzt zwei Niederlagen eigentlich sogar gewinnen muss, um aussichtsreich im Rennen um die Play-offs zu bleiben. Das wird natürlich besonders schwer für die Westschwaben, zumal Düsseldorf dem Vernehmen nach dann auf Timo Boll zurückgreifen wird.
TTF Liebherr Ochsenhausen – Borussia Düsseldorf 3:2
Kanak Jha – Danny Heister 3:0 (11:6, 11:8, 11:9)
Hugo Calderano – Anton Källberg 3:2 (11:2, 10:12, 12:14, 11:7, 11:3)
Samuel Kulczycki – Kristian Karlsson 0:3 (11:13, 3:11, 9:11)
Kanak Jha – Anton Källberg 1:3 (9:11, 7:11, 12:10, 9:11)
Calderano/Gauzy – Karlsson/Walther 3:2 (6:11, 12:14, 13:11, 13:11, 11:9)
Beitragsbild oben: Hugo Calderano konnte sein Einzel gegen Anton Källberg und das Doppel an der Seite von Simon Gauzy gewinnen.
Sehenswert: Komplettes Video des Spiels Ochsenhausen vs. Düsseldorf.
Text & Fotos (2): Dr. Stephan Roscher