Das deutsche Finale, wie es der DTTB sich gestern erhoffte, wird es morgen nicht, doch immerhin ein Deutscher hat den Einzug ins Endspiel des WTT Star Contender Turniers geschafft.
Vor dem Turnier hätte man wohl am ehesten dem an Position 5 gesetzten Dimitrij Ovtcharov oder dem an Position 9 gesetzten Patrick Franziska den Finaleinzug zugetraut.
Tatsächlich hat diesen ein Spieler erreicht, mit dem vor dem Turnier niemand gerechnet hätte.
Manchmal ist es wirklich verrückt und unerklärlich. Ruwen Filus spielt seit vielen Monaten in der TTBL konstant unter seinen Möglichkeiten – Bilanz 10:20 – scheidet in seinem 1. Spiel in der Qualifikation des Contender-Turniers durch eine knappe 2:3 Niederlage gegen den Portugiesen Joao Geraldo aus und spielt dann wenige Tage später das beste Turniere seiner Karriere.

Nach Siegen über Cedric Nuytinck (WR 71), Jang Woojin (WR 12), Jun Mizutani (WR 18) und Lin Yun-Ju (WR 6) musste nun auch der aufstrebende Darko Jorgic (WR 31) daran glauben.
Gegen den Slowenen startete Filus mit einem knappen Satzgewinn ins Match. Nachdem Jorgic den 2. Satz gewinnen konnte, hatte Filus das Spiel ab Satz drei sicher im Griff.
Den 4. Satz ließ sich der Abwehrspieler trotz 5:1 Führung zwar noch nehmen, doch das warf ihn nicht aus der Bahn.
Mit 11:5 und 11:7 gingen die Sätze 5 und 6 an den Deutschen.
Die Zuschauer sahen kein spektakuläres Match, aber dennoch ein sehr ansehnliches. Der 33-Jährige fand immer wieder Möglichkeiten auch mit seinen starken Angriffsbällen zu punkten und brachte den Saarbrücker dadurch aus dem Rhythmus.
Nachdem der 22-Jährige im Achtel- und Viertelfinale jeweils in der Verlängerung des Entscheidungssatzes seine Matches gewinnen konnte, war für ihn nun im Halbfinale Endstation.
Für Filus ist dies der zweite Finaleinzug bei einem ITTF/WTT-Turnier.
Erstmals stand er bei dem deutlich schwächer besetzten Challenger-Turnier 2019 in Bangkok im Finale und gewann damals auch das Turnier.
Ob nun ein zweiter Titel folgt, wird sich morgen herausstellen. Filus sagt zu seinem heutigen Match:  „Nach dem Verlust des viertes Satzes nach hoher Führung bin ich schon etwas ins Grübeln gekommen. Aber ich habe weiterhin viel auf Angriff gesetzt, das hat sich bezahlt gemacht. Ich bin froh, dass ich das Finale erreicht habe und werde morgen gegen Harimoto mein Bestes geben. Vielleicht reicht es ja wieder.“

Gern hätte Dimitrij Ovtcharov seinen Kumpel, gegen den er schon zu Jugendzeiten in Niedersachen viele umkämpfte Matches bestritten hatte, im Finale herausgefordert. Doch aus einem erneuten Sieg gegen Tomokazu Harimoto wurde nichts.
Der Deutsche spielt zwar stark und lieferte sich ein Match auf absolutem Weltklasseniveau mit dem Japaner, doch diesmal war es Ovtcharov, der klare Führungen nicht nutzen konnte.

„Dima“ startete stark ins Match und gewann den 1. Satz mit 11:8. Doch in den Folgesätzen konnte sich der 17-Jährige Shootingstar immer besser auf die Angriffsbälle vom 32-jährigen Deutschen einstellen und vor allem die offenen Ballwechsel vermehrt für sich entscheiden.
Doch nachdem Ovtcharov den 4. Satz mit 13:11 gewinnen konnte, war das Spiel wieder völlig offen. Harimoto wirkte zum Anfang des 5. Satzes verunsichert und lag schnell mit 1:5 gegen einen sehr konzentriert spielenden Ovtcharov hinten. Wer den jungen Asiaten kennt, weiß jedoch, dass er nie aufgibt. So war es auch in diesem Match. Aus dem 1:5 Rückstand machte er ein 11:7. Nahezu identisch verlief der 6. Satz. 5:0 Führung für „Dima“, 11:7 Satzgewinn für den extrovertierten Weltranglistenlistenfünften.
Das Spiel war somit entschieden. Ovtcharov, der erst am Dienstag auf Platz 10 der Weltrangliste vorgerückt war und in der kommenden Woche noch einen Platz gut machen wird, nahm die Niederlage mit Fassung und gratulierte seinem Kontrahenten fair.

Dem DTTB sagte Dima nach seinem Ausscheiden: „Es waren für mich zwei sehr gute Wochen in Katar, aus den den ich viel Positives mitnehme. Heute war es ein sehr ordentliches Spiel von mir. Nach dem Ausgleich zum 2:2 hatte ich eigentlich das Gefühl, dass ich ihm überlegen war. Aber im nächsten Satz habe ich bei 5:1 ein paar Bälle liegen lassen, die eigentlich meine waren. Nach fast zwei Wochen Turnier mit fast täglichen Spielen haben mir in den entscheidenden Phasen diesmal vielleicht ein paar Prozent Spannung gefehlt. Aber so ist das: Er hätte in der letzten Woche gewinnen können, ich heute. Er ist ein sehr starker Spieler. Aber ich denke, unsere Chancen gegeneinander stehen 50:50. Vielleicht treffen wir uns ja bei den Olympischen Spielen wieder.“

Eine Prognose für das Finale ist natürlich nicht leicht.
Tomokazu Harimoto geht auf jeden Fall als Favorit ins Endspiel und könnte mit seinen festen Topspins Ruwen Filus das Leben extrem schwer machen.
Doch wenn der Deutsche weiterhin so stark spielt wie bisher, wird er sicherlich nicht chancenlos sein.
Bisher trafen beide Spieler zwei Mal aufeinander. Das erste Match konnte Filus im Jahr 2018 – Harimoto war zu dem Zeitpunkt 14 Jahre alt – mit 4:2 gewinnen. Vor 16 Monaten gab es bei den Austrian Open die Revanche. Harimoto gewann 4:1.
Egal wer dieses Mal gewinnt, ein ansehnliches Match werden die beiden Heißläufer den Zuschauern an den Bildschirmen ganz sicher bieten können.

Die Ergebnisse der Halbfinalspiele am Freitag:

Damen:
Mima Ito – Jeon Jihee 4:1 (5, 15, -9, 5, 13)
Feng Tianwei – Elizabeta Samara 4:0 (8, 4, 3, 5)

Herren:
Tomokazu Harimoto – Dimitrij Ovtcharov 4:2 (-8, 8, 8, -11, 7, 7)
Ruwen Filus – Darko Jorgic 4:2 (9, -9, 4, -8, 5, 7)

Mixed:
Jun Mizutani/Mima Ito – Lee Sangsu/Jeon Jihee 1:3 (3, -4, -9, -9)
Lubomir Pistej/Barbora Balazova – Cheng I-Ging/Lin Yun Ju 2:3 (-6, 9, -9, 6, -0)
Die Finalspiele am Samstag:

08:00 Uhr; Tisch 1: Kasumi Ishikawa/Miu Hirano – Shin Yubin/Jeon Jihee
08:40 Uhr; Tisch 1: Lee Sangsu/Jeoung Youngsik – Alvaro Robles/Ovidiu Ionescu
09:20 Uhr; Tisch 1: Jeon Jihee/Lee Sangsu – Cheng I-Ging

13:00 Uhr; Tisch 1: Mima Ito – Feng Tianwei
13:45 Uhr; Tisch 1: Tomokazu Harimoto – Ruwen Filus

Bericht & Fotos: Johannes Gohlke