Das Multitalent gibt einen interessanten Einblick in seine vielfältigen Aufgaben beim DTTB bei der Arbeit mit den größten Talenten Deutschlands, als Halbprofi beim 1. FC Köln in der 2. Bundesliga, in seinen Ehrenämtern auf Vereinsebene und beim Verband und darüber hinaus auch noch im Studium. Dieses Engagement ist in dieser Form oder zumindest auf dieser Ebene nahezu einmalig.
Hey Gianluca, danke dass du dir die Zeit für das Interview nimmst.
Du bist Trainer der besten Nachwuchsspieler Deutschlands, Halbprofi in der 2. Bundesliga und engagierter Ehrenamtler. Nebenbei studierst du auch noch Wirtschaftsinformatik. Langweilig wird dir anscheinend selbst im Lockdown nicht und wenn doch, dann planst du coole Outdoor-Tischtennis Aktionen in Kooperation mit deinem Verein.
Die Tischtennisbegeisterung hast du sicherlich von deinem Vater geerbt, der selbst in der 2. Liga aktiv war und schon seit vielen Jahren Geschäftsführer eures Heimatvereins ist. Wann hat er dich das erste Mal an den Tischtennistisch geholt und ab wann ging es für dich so richtig los mit Tischtennistraining in deinem Heimatverein den TTC Brühl-Vochem?
Hallo Johannes, danke für deine blumigen Worte. Die Zeit für das Interview nehme ich mir gerne.
Richtig, die Begeisterung für den Tischtennissport habe ich förmlich im Blut. Meine Eltern und sogar Großeltern haben mir die Leidenschaft für den Sport weitergegeben. So war ich als Kind bereits häufig mit bei den Spielen meiner Eltern. Bilder mit Ball und Schläger aus dem Kinderbett, wie bei meinem Bruder, existieren bei mir zwar nicht, den ersten ernsthaften Versuch Tischtennis zu spielen, absolvierte ich jedoch bereits mit fünf Jahren bei einem Nikolaus-Turnier des TTC BW Brühl-Vochem. Bei uns Anfängern wurden zum Glück nicht alle Tischtennis-Regeln eingefordert, sonst wäre ich wohl maßlos überfordert gewesen. Danach habe ich immer häufiger zum Schläger gegriffen. Weitere vier Jahre dauerte es allerdings noch, ehe ich mein erstes Meisterschaftsspiel bestritt. (September 2003 in der Schüler-Kreisliga)
Wie verlief dann deine Jugendzeit?
War dein großer Bruder Ricardo, der ja schon in der Jugend Nationalspieler war, ein Vorbild für dich oder hast du dir eigene Ziele gesetzt?
Ric ist drei Jahre älter als ich. Er war daher weniger mein Vorbild, er war vielmehr derjenige, von dem ich am meisten profitierte. Als kleiner Bruder durfte/musste ich ihn fast überall hin begleiten. So erhielt ich beispielsweise schon früh die Möglichkeit in einem Landesleistungsstützpunkt trainieren zu können. Und wenn mir etwas unangenehm war, konnte ich meinen großen Bruder immer vorschicken. Praktisch, nicht wahr?
Ich bin anfangs ebenfalls in den Nachwuchskadern des DTTB (3-Stufen-Projekt; Mini-Kader; D/C-Kader) gewesen, später spielte ich dort jedoch keine Rolle mehr. Zwar war ich im Jugendbereich phasenweise an Nummer eins der JOOLA-Rangliste, weil ich im Liga-Alltag gute Ergebnisse erzielte, doch bei den Einzelturnieren ließ ich konstant meine Topform vermissen. Aus diesem Grund blieb mir ein Einsatz als Jugend-Nationalspieler stets verwehrt.
Ich kann mich nicht mehr genau an mein Alter erinnern, ich war schätzungsweise 15 Jahre alt, als ich für mich die Entscheidung traf, kein Tischtennis-Profi werden zu wollen. Der Grund: ich wollte nicht von meinem Hobby abhängig sein. Tischtennis ist für mich eine solch große Leidenschaft, dass ich dies nicht verspielen wollte, in dem ich alles auf die Karte Tischtennisprofi setzte. Ich ging stets mit großer Freude in die Halle. In jedem Training zu wissen, dass mein Einkommen von meiner sportlichen Leistung abhängig sei, war für mich eine Vorstellung, die diese Freude enorm gefährdet hätte. Ich entschied mich dementsprechend früh für einen semi-professionellen Weg.
Mit 15 Jahren war das damals wohl schon eine recht reife Entscheidung. Doch hast du die Entscheidung bisher bereut?
Denn du bist ja nun gerade auf einen guten Weg – ab April machst du dein Diplom-Trainer-Studium – irgendwann doch hauptberuflich in die TT-Szene einzusteigen. Oder lehnst du es nach wie vor ab, hauptberuflich mit Tischtennis zu tun zu haben und planst nach deinem abgeschlossenen Studium als Wirtschaftsinformatiker zu arbeiten?
Meine damalige Entscheidung habe ich nie bereut. Dafür bin ich mit meinem eingeschlagenen Weg schlichtweg zu glücklich.
Ich habe jedoch vor einigen Jahren meinen Standpunkt ein Stück weit revidiert, in dem ich diesen auf mein Dasein als Tischtennisspieler beschränkt habe. Als Spieler kann mit einer Verletzung plötzlich alles vorbei sein. Als Spieler hat man zudem einen höheren Leistungsdruck und keine Möglichkeit für ein zweites Standbein. All dies ließ mich deutlich positiver auf ein Engagement als Trainer blicken. Dementsprechend kann ich mir aktuell sehr gut vorstellen, mich beruflich auf einen Trainerjob einzulassen.
Du bist aktuell Co-Trainer der deutschen Jugendnationalmannschaft.
Wie lange machst du das schon, wie bist du dazu gekommen und ist das Arbeiten mit jungen Spielern, die auf dem Weg zum Profi sind, das was du dir auch langfristig vorstellen könntest?
Genau, seit Sommer 2017 bin ich für den DTTB in dieser Position tätig. Etwa ein halbes Jahr zuvor hat mich Bundestrainer Xiaoyong Zhu gefragt, ob ich sein Assistent werden will. Es ist natürlich eine großartige Aufgabe, mit den größten Talenten Deutschlands zusammenzuarbeiten. Zudem profitiere ich enorm von Xiaoyongs Knowhow. Dementsprechend bin ich sehr zufrieden mit meiner derzeitigen Rolle.
Langfristig sehe ich mich aus einem einfachen Grund nicht in dieser Position: es handelt sich hierbei nämlich um eine Honorartrainertätigkeit und keine hauptberufliche Stelle.
Wenn du es dir aussuchen könntest, wo würdest du in Zukunft denn am liebsten als Trainer arbeiten? Siehst du dich eher als Talenteschleifer wie Helmut Hampl, als TTBL-Vereinstrainer oder ganz woanders?
Die bestehenden Trainerstellen sind unglaublich verschieden und bringen alle ihren ganz eigenen Reiz mit. Ehe ich mich auf einen Traumjob festlege, würde ich liebend gerne noch mehr Erfahrungen in den unterschiedlichen Bereichen des Tischtennissports sammeln.
Ok, dann schauen wir nun mal etwas genauer auf deine aktive Karriere als Spieler.
Du hast 2012 deinen Heimatverein, in dem du es innerhalb von 9 Jahren vom Anfänger in der Schüler Kreisliga bis zum Spitzenspieler in der Herren Regionalliga geschafft hast, in Richtung Jülich verlassen, um dort in der 2. Bundesliga aufzuschlagen. Ein Jahr später bist du dann innerhalb der Liga zum 1. FC Köln gewechselt. Dort spielst du nun bereits seit 8 Jahren und machst gefühlt jedes Jahr einen kleinen Schritt nach vorn. Mittlerweile bist du ein solider Spieler im vorderen Paarkreuz der 2. Bundesliga und duellierst dich Woche für Woche mit talentierten Jung- und Vollprofis.
Wie schaffst du es trotz deiner semiprofessionellen Tätigkeit, dich immer noch ein wenig weiterzuentwickeln und mit den Spielern, die zwei Mal täglich trainieren, gut mitzuhalten?
Ich empfinde die Bezeichnung „Karriere“ für mich als zu hoch gestochen. Bei meinem Mitspieler Damien Eloi wäre dieser Begriff angemessen. Bei mir selbst sehe ich es vielmehr wie ein sehr erfolgreiches Hobby.
Vermutlich ist diese entspanntere Sichtweise eine Erklärung für meine positive Entwicklung. So bewege ich mich stets mit viel Freude in der Halle und will die Zeit dort zu 100% nutzen. Lapidar gesagt: für eine schlechte Trainingseinheit, ist mir meine Zeit zu schade.
Es gibt nur einmal pro Woche eine feste Trainingsgruppe, jede weitere Einheit muss ich mir selbst organisieren. Hier kann ich mich glücklich schätzen, dass ich in Köln zahlreiche Trainingspartner um mich herum habe, die zur Verfügung stehen und mit denen ich mich gegenseitig ans Leistungsmaximum treiben kann.
Ein weiterer nicht unerheblicher Faktor für meine Leistungssteigerung als Erwachsener war meine erneute Zusammenarbeit mit Dirk Huber während seiner Trainertätigkeit beim FC von 2015 bis 2019. Zu ihm genieße ich seit meiner Jugendzeit vollstes Vertrauen und habe es richtig genossen, nicht durchgehend mein eigener Trainer sein zu müssen.
Kurzum: Qualität statt Quantität lautet mein Erfolgsrezept.
Ein nicht ganz unlogischer Schritt in deiner Entwicklung wäre ja nochmal der Sprung in die TTBL. Ich bin mir sicher, wenn du den Schritt tatsächlich nochmal wagen solltest, dass du ihn dann nur mit deinem 1. FC Köln vollziehen würdest. In dieser Saison wurde bekannt, dass ihr tatsächlich Aufstiegsambitionen habt. Nachdem der Aufstieg in dieser Saison auf Grund des Saisonabbruchs nicht möglich war, werdet ihr nun in der nächsten Saison Platz 1 oder 2 in der Tabelle angreifen. Wie wahrscheinlich ist es, dass der 1. FC in der nächsten Saison den Aufstieg wahrnimmt, wenn er denn sportlich geschafft werden sollte? Und wärst du gerne ein Teil des TTBL-Teams, wenn auch vielleicht nur als Nummer vier oder fünf?
Es ist richtig, dass wir beim FC einen Aufstieg in die TTBL wahrgenommen hätten und künftig auch wahrnehmen möchten, sollten wir die (Vize-)Meisterschaft in der 2. Bundesliga feiern.
Die TTBL ist bestimmt ein gutes Stück weg von meinem aktuellen Leistungsstand. Die Hoffnung und Ambition, sich dort heran zu kämpfen, habe ich. Folglich würde ich gerne die Chance ergreifen, in der TTBL zu spielen, wenn sie sich bietet. Auch wenn nur als Nummer vier oder fünf des Teams, wie du sagst.
Man hört ja immer wieder, dass gerade die Vereine mit einem Fußballbundesligisten in der Abteilung, meist stark vom Abschneiden der Fußballteams abhängig sind.
Wie ist das bei euch? Müsstet ihr euch bei einem Abstieg des FC aus der Fußball Bundesliga von euren Aufstiegsträumen verabschieden, da der nötige Etat für die TTBL nicht mehr zu stemmen wäre oder seid ihr unabhängig von der Fußballabteilung?
Das verhält sich zwar ein wenig kompliziert, ich versuche es jedoch verkürzt und simpel darzustellen. Das Wohl des gesamten Vereins hat für uns als Tischtennis-Abteilung eine enorm große Bedeutung, denn ohne die finanzielle und personelle Unterstützung aus dem Geißbockheim (die Geschäftsstelle des 1. FC Köln) stünde die Tischtennis-Abteilung nicht dort, wo sie steht. Die Abstiege der Fußballer hatten in der Vergangenheit jedoch keine Auswirkungen auf unsere Abteilung. Dafür ist der FC, als viertgrößter Fußballverein Deutschlands, zu stabil geführt.
Das hört sich sehr gut an.
Ich weiß nicht ob ich das jetzt zu außergewöhnlich sehe, aber ich habe bisher noch keinen Herrenspieler in den ersten zwei Ligen gesehen, der in seinem Verein so sehr engagiert ist wie du.
Du bist seit einigen Jahren stellvertretender Abteilungsleiter des 1. FC Köln und Ressortleiter der Ressorts Bundesligen Herren. Wie kamst du zu diesen Ehrenämtern und was genau sind deine Aufgabengebiete beim FC und DTTB?
2013 wechselte ich nach Köln und mein Verständnis von Vereinsleben sieht eben so aus, dass ich mich im Verein engagiere. Ich habe mich schon als Jugendlicher in meinem Heimatverein, dem TTC BW Brühl-Vochem, engagiert und bin dort heute noch als Beisitzer im Vorstand tätig. Beim FC habe ich mich dann als erstes in der Öffentlichkeitsarbeit eingebracht, da ich dort die größte Not sah. Mein Engagement intensivierte sich dann nach und nach. Seit 2017 bin ich als stellvertretender Abteilungsleiter aktiv.
Mit diesem Ehrenamt bin ich quasi die Allzweckwaffe der Tischtennis-Abteilung. Ich helfe bei der Öffentlichkeitsarbeit, plane die Aufstellungen der Erwachsenen-Teams, akquiriere neue Partner, bin Ansprechpartner für die Mitglieder, suche nach neuen Spielern, unterstütze bei der Organisation von Veranstaltungen und habe vermutlich jede Aufgabe schon mal gemacht.
Seit 2020 bin ich zusätzlich von den Zweitligisten bei den Herren zu ihrem Vertreter gewählt worden. Damit bin ich zugleich als „Ressortleiter Bundesliga Herren“ für den Austausch der obersten drei Ligen mit dem DTTB verantwortlich und vertrete die gemeinsamen Interessen im Ausschuss für Leistungssport sowie beim DTTB-Bundestag.
Respekt für diese starke Einstellung zum Ehrenamt und für deine Arbeit. ?
Kannst du als Mannschaftsplaner denn schon verraten, ob du für die 1. Mannschaft deines Vereins noch einen Neuzugang für das obere Paarkreuz geangelt hast, (vielleicht sogar einen Engländer aus der Top100 der Weltrangliste, wie bei uns im TT-NEWS Forum gemunkelt wird) oder wirst du erneut im oberen Paarkreuz aufschlagen dürfen?
Wir haben in den letzten Jahren immer mit fünf Spielern in der Bundesliga-Mannschaft geplant und wollen dies künftig so beibehalten. Durch den Wechsel von Robin Malessa in unsere 2. Mannschaft, planen wir also noch einen neuen Spieler in Köln zu begrüßen.
Auf die Spekulationen im Forum bin ich mehrfach angesprochen worden und kann mich hier nur wiederholen: uns liegt aktuelle keine Unterschrift eines neuen Spielers vor. Sobald dies der Fall sein sollte, werden wir dies verkünden.
Interessant, wir werden das gespannt verfolgen und sicherlich darüber berichten, wenn es so weit ist.
Die meisten Tischtennisfans denken bei dem Namen Walther, erstmal an deinen großen Bruder Ricardo, der bekanntlich für Borussia Düsseldorf in der TTBL aufschlägt. Wie ist euer Verhältnis auf der TT-Ebene? Gibst du ihm als A-Lizenz-Trainer auch den ein oder anderen Tipp, trainiert ihr ab und an zusammen und fieberst du bei seinen Spielen, zumindest auf internationaler Ebene, regelmäßig am Bildschirm mit und wäre es vielleicht sogar mal ein Traum für dich, mit ihm in einer Mannschaft zu spielen?
Wir haben durch unseren Altersunterschied von drei Jahren bereits von klein auf in unterschiedlichen Trainingsgruppen trainiert und dies ist heute bekanntlich immer noch so. Unser Verhältnis auf der Tischtennis-Ebene ist daher nicht sonderlich intensiv. Gelegentlich trainieren wir zwei zusammen. Das beschränkt sich jedoch darauf, dass man während der gemeinsamen Tage mit der Familie in Form bleiben will.
Natürlich sind wir beide miteinander im Austausch, verfolgen die Ergebnisse des jeweils anderen und wenn es sich anbietet, gibt’s auch mal einen Tipp bei der Vorbereitung auf den kommenden Gegner. Laut „Ric“ habe ich wohl als kleiner Junge den Traum gehabt, gemeinsam mit ihm als Doppel in der 1. Bundesliga zu spielen. Ich kann mich daran leider nicht erinnern und sehe es heutzutage nicht mehr als realistisch an. Eine schöne Geschichte wäre es jedoch.
Klingt gut, nur schade, dass Ric so einen langfristigen Vertrag in Grünwettersbach unterschrieben hat, ansonsten wäre er sicherlich auch ein toller Neuzugang für den FC, sobald ihr den Aufstieg in die TTBL geschafft habt. ?
Nun ja, vermutlich wäre jetzt ein Lobgesang auf meinen Bruder angebracht. Aber den erspare ich allen Lesern und insbesondere mir selbst.
Kommen wir mal wieder zum jüngeren Walther. Wenn man nach deinen Erfolgen sucht, sticht einem zuerst der 3. Platz mit der Deutschen Mannschaft bei der Universiade 2019 ins Auge.
Dort hast du durch einen starken Einzelsieg gegen Südkorea im Achtelfinale und durch den Gewinn des entscheidenden 5. Spiels gegen Schweden im Viertelfinale, großen Einfluss auf das starke Mannschaftsergebnis gehabt.
Aber auch der Westdeutsche Einzelmeistertitel 2019, wird dir sicher was bedeuten.
Was ist für dich persönlich dein größter Erfolg und hast du dir für die Zukunft noch weitere sportliche Ziele gesetzt?
Ja, die beiden von dir angesprochenen Resultate waren in der Tat sehr schöne Erlebnisse. Ebenso in der jüngeren Vergangenheit die Medaillengewinne bei den Deutschen Meisterschaften im Doppel oder der Einzug ins Viertelfinale im Einzel.
Mein nächstes Ziel haben wir schon angesprochen: ich würde gerne den FC in die TTBL führen.
Ich denke, das ist ein schönes Schlusswort für unser Interview.
Vielen Dank für deine offenen und sehr schön gewählten Worte und viel Erfolg in der kommenden Saison Gianluca. ?
Interview und Titelfoto: Johannes Gohlke
Foto im Beitrag: Stephan Roscher