Am Sonntag lief in den Halbfinal-Rückspielen der Damen alles wie erwartet. Das Überraschungsteam aus Weil war letztlich nur Sparringspartner für den ttc berlin eastside, der diesmal aber den Ehrenpunkt der Südbadenerinnen durch Ievgeniia Sozoniuk zulassen musste. Und mit Fu Yu stand Kolbermoor einfach zu stark für den TSV Langstadt, der nur durch Petrissa Solja und Tanja Krämer punkten konnte. Am kommenden Sonntag beginnt die Finalserie – und da könnte es richtig spannend werden, denn weit liegen Berlin und Kolbermoor, zumindest in dieser Aufstellung, leistungsmäßig nicht auseinander.
ttc berlin eastside – ESV Weil 7:1
Meisterschaftstopfavorit ttc berlin eastside ist mit zwei glatten Siegen über den ESV Weil in den Vorschlussrundenpartien um die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft als erster Klub ins Endspiel eingezogen. Dem 8:0 im ersten Play-off am Samstag folgte 24 Stunden später ein 7:1-Erfolg. Und das in exakt derselben Aufstellung auf beiden Seiten. Erneut eine konzentrierte Leistung der Hauptstädterinnen, die in der zweistündigen Begegnung nie ernsthaft in Gefahr gerieten – mit 15:1 in der Gesamtabrechnung ein Play-off-Halbfinale zu gewinnen, ist schon außergewöhnlich, selbst wenn man einen solch großen Namen trägt wie Berlin.
Sozoniuk erspart Weil die „Höchststrafe“
Den Ehrenpunkt für Liga-Neuling Weil holte Kurznoppenspezialistin Ievgeniia Sozoniuk mit einem 3:1 über Nina Mittelham. Beide hatten sich bereits am Tag zuvor ein enges Fünf-Satz-Match geliefert, da allerdings mit dem besseren Ende für die Deutsche Einzel-Meisterin. Die Serbin Izabela Lupulesku verpasste gegen die Topspielerin der Niederlande, Britt Eerland, die Revanche. Am Samstag war sie beim glatten 0:3 noch relativ chancenlos. Am Sonntag vergab sie bei 2:1-Satzführung einen Matchball beim Stand von 10:9.
Weil auch das Play-off-Halbfinale Corona-bedingt ohne Zuschauer stattfinden musste, hatten sich beide Mannschaften kostensparend auf die Austragung beider Partien in der Halle der Berlinerinnen geeinigt. Die Spiele am Samstag und Sonntag wurden via Livestream bei Sportdeutschland.tv übertragen.
Gegner des Hauptstadt-Teams in den Finalspielen an den kommenden beiden Wochenenden ist der SV DJK Kolbermoor. Bayerns Spitzenklub und Zweiter der Punktrunde setzte sich auch im zweiten Halbfinal-Vergleich gegen den TSV Langstadt (Freitag: 7:1, Sonntag: 6:2) durch.
Palina freut sich über hohe Konzentration bis zum letzten Ballwechsel
Der hohe Favorit hatte allen Grund zur Zufriedenheit, da die Aufgabe letztlich doch äußerst souverän gelöst wurde, es andererseits aber auch nicht langweilig war – zumindest in einzelnen Matches nicht –, sodass auch die Fans beider Lager inklusive der Neutralen am Livestream auf ihre Kosten kamen und nicht vorzeitig abschalteten.
„Selbst nach dem vierten Punkt gab es kaum einen Spannungsabfall, konstatierte ttc-Trainerin Irina Palina. „Wir wollten den Zuschauern an den Bildschirmen bis zum Schluss etwas bieten. Das letzte Spiel zwischen Eerland und Lupulesku war sehenswert mit einer Reihe hochklassiger Ballwechsel. Jetzt richten wir unseren Fokus auf das Finale gegen Kolbermoor am kommenden Wochenende. Dann müssen wir eine deutliche Schippe drauflegen.“
Weil mit Saisonverlauf „mehr als zufrieden“
Überraschungs-Halbfinalist ESV Weil hätte sich zwar zwei „freundlichere“ Ergebnisse gewünscht, hat aber dennoch gar nicht so schlecht gespielt und den hohen Favoriten in manchem Match zumindest ein bisschen geärgert – im Fall Sozoniuks gegen Mittelham sogar ein wenig mehr als bloß ein bisschen. Mehr war aber kaum drin, dazu waren die Qualitätsunterschiede letztlich doch zu groß.
Unzufrieden waren die Südbadenerinnen aber nicht, dazu ist ihnen in ihrer Premieresaison im Oberhaus einfach zu viel geglückt, so der Einzug ins Pokal Final Four und eben die Teilnahme am Halbfinale der Deutschen Meisterschaft. Dies unterstreicht auch Doris Spiess: „Mit dem Verlauf der gesamten Saison sind wir mehr als zufrieden. Unser Ziel war das Erreichen der Play-offs. Dass wir jetzt sogar das Halbfinale erreicht haben, übertrifft unsere Erwartungen im ersten Jahr in der ersten Bundesliga bei weitem.“ Die Abteilungsleiterin des Klubs aus dem Dreiländereck hebt zwei Spielerinnen in ihrer Analyse des Rückspiels gesondert hervor: „Heute hat Ievgeniia Sozoniuk eine sehr gute Leistung gezeigt. Nachdem sie gestern gegen Nina Mittelham knapp in fünf Sätzen verloren hatte, schaffte sie es diesmal, das Spiel für sich zu entscheiden. Schade, dass das Izabela Lupulesku gegen Britt Eerland nicht gelungen ist, als sie einen Matchball im 4. Satz nicht verwandeln konnte. Aber wie bereits erwähnt, Berlin ging als klarer Favorit ins Rennen und hat dieser Rolle auch entsprochen.“
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SV DJK Kolbermoor – TSV Langstadt 6:2
Es bleibt einstweilen dabei: Die Bundesligafrauen des TSV Langstadt können gegen Kolbermoor nicht gewinnen. Auch wenn sie in den beiden Play-off-Halbfinals am Freitag in Langstadt und am Sonntag in Kolbermoor beherzt kämpften, schlugen am Ende mit 1:7 und 2:6 doch zwei deutliche Niederlagen zu Buche.
Allerdings trat der namhafte Gegner aus Oberbayern auch in stärkerer Aufstellung an als in den Punktspielen. Mit Fu Yu ist das Team aus Kolbermoor bärenstark aufgestellt, selbst wenn Fu einmal patzen würde, stehen ihre Mitspielerinnen an den optimalen Positionen. So besteht natürlich ein deutlicher Leistungsunterschied zur deutschen Nummer drei, als solchen darf man den TSV Langstadt inzwischen getrost ansehen. Selbst der ttc berlin eastside wird im Finale zwei- oder vielleicht sogar dreimal Höchstleistungen erbringen müssen, um nicht zu scheitern. Es könnte jedenfalls sehr spannend werden, wenn sich die beiden Giganten ab dem kommenden Sonntag in den Endspielen um den Meistertitel duellieren.
Für die Südhessinnen indes ist mit dem heutigen Sonntag die Saison 2020/21 beendet. Platz drei in der Punktrunde und Einzug ins Halbfinale: Das entspricht in etwa den Erwartungen. Ob und wann gegebenenfalls mehr möglich sein könnte, wird sich zeigen – im Moment trennt die Langstädterinnen sportlich eben doch noch ein gutes Stück von den „Top 2“, Berlin und Kolbermoor.
„Wir haben heute alles probiert, uns voll reingehängt und uns auch nochmal leicht steigern können“, so das Urteil von Coach Thomas Hauke nach der Sonntagspartie. „Wir hatten in den letzten 15 Tagen sechs Spiele, davon vier auswärts, vielleicht hat uns am Ende auch etwas die Kraft gefehlt.“
Kolbermoor in Galaformation zu stark für Langstadt
War das 1:7 vom Freitagabend in der Eckehard-Colmar-Halle vom Ergebnis fraglos zu drastisch ausgefallen, wurde das 2:6 in Bayern zwei Tage später den tatsächlichen Größenunterschieden schon eher gerecht. Vielleicht wäre auch noch ein 3:5 möglich gewesen, ein Remis aber schon kaum mehr. Jenes lag sogar im ersten Spiel kurz in der Luft, als Petrissa Solja und Dina Meshref im zweiten Durchgang in ihren Matches sehr gut im Rennen lagen, beide jedoch den Sack nicht zumachen konnten, sodass es 1:5 statt 3:3 stand. Schaut man sich die Satzverhältnisse an, erkennt man keinen allzu großen Unterschiede zwischen dem ersten und zweiten Halbfinale: 10:21 und 10:20 aus Sicht des TSV. Es fehlte also schon einiges zum großen Coup. In der Punktspielaufstellung wäre es sicher eine enge Kiste zwischen den beiden Rivalen geworden, doch Konjunktive haben keine Relevanz im Topsport.
So mussten sich die Hessinnen mit zwei Erfolgen der routinierten Tanja Krämer gegen Defensivkünstlerin Ganina – die Ex-Busenbacherin beherrscht das Spiel gegen Abwehr wirklich extrem gut – sowie einem durchaus hoch einzuschätzenden Sieg von Petrissa Solja über Nationalmannschaftskollegin Kristin Lang in Kolbermoor begnügen. Dazu gab es jeweils noch zwei, drei Matches, in denen die Langstädter Asse zumindest zwischenzeitlich recht gut aussahen. Im Hinspiel etwa hatte Dina Meshref gegen Lang den Sieg auf dem Schläger, konnte aber drei Matchbälle nicht verwerten. Es fiel aber auch auf, dass die Gäste immer dann auftrumpften und großen Siegeswillen sowie ausgesprochene Nervenstärke zeigten, wenn es in die entscheidende Phase ging.
„Etwas unter Wert geschlagen“
„Wir sind etwas unter Wert geschlagen worden“, meinte Langstadts Sportlicher Leiter Manfred Kämmerer nach der Auftaktpartie in heimischer Halle. „Es waren durchaus Chancen da, das eine oder andere Spiel noch zu gewinnen und das Ergebnis etwas freundlicher zu gestalten. Da hatte Kolbermoor in der einen oder anderen Situation auch etwas mehr Glück als wir.“ Für das Rückspiel erhoffte sich Kämmerer „ein deutlich besseres Ergebnis“, was natürlich nur bedingt eintrat. Marketingchef Rainer Kegelmann bedauerte, dass ein solch hochkarätiges Duell unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen werden musste: „Was wäre da los gewesen in der Halle, das Halbfinale wäre in Langstadt das Top-Ereignis gewesen, da hätten wir wahrscheinlich über 300 Fans und eine Wahnsinnsstimmung im Rücken gehabt.“
Dina Meshref wechselt nach Frankreich
Nicht allzu glücklich war Dina Meshref, der am Freitag im zweiten Match auf den letzten Metern vor dem Ziel die Luft ausgegangen war: „Das war eine sehr unglückliche Niederlage gegen Kristin Lang für mich. Drei Matchbälle nicht zu verwerten, ist mir schon länger nicht passiert.“ Am Sonntag in Kolbermoor bestritt die 27-jährige Ägypterin nach zwei Jahren im TSV-Dress dann ihre letzten beiden Matches für Langstadt. Kommende Saison wird sie für den französischen Champions-Ligisten Metz aufschlagen. “Dina ist eine immer freundliche und absolut zuverlässige junge Frau“, lobte Rainer Kegelmann die Weltranglisten-35. „Wir alle werden sie sicher sehr vermissen.“ Dem Vernehmen nach möchte man sich aber die Dienste der Taiwanerin Cheng Hsien-Tzu, die diese Saison aufgrund der Corona-Beschränkungen nicht zum Einsatz kam, für eine weitere Spielzeit sichern.
Petrissa Solja äußerte sich positiv. „Wir sind mit dem Halbfinaleinzug zufrieden, damit war unser Saisonziel erreicht“, so die Weltranglisten-19. „Wir sind froh, dass wir die Saison überhaupt zu Ende spielen konnten und freuen uns auf die nächste Saison, in der wir hoffentlich wieder die Spiele zusammen mit unseren Fans genießen dürfen.“ Lob erhielt sie von Thomas Hauke: „Tischtennis-Deutschland kann sich bei Olympia auf Peti freuen, die nach ihrer Verletzung von Spiel zu Spiel besser geworden ist.“ Tanja Krämer, gegen Kolbermoor erfolgreichste Langstädterin, gab am Sonntagnachmittag zu Protokoll: „Wir haben alles probiert, der Favorit hat sich aber nicht richtig ärgern lassen.“
Kolbermoor will im Finale offene Rechnung begleichen
Und genau deshalb war auch Michael Fuchs mit seiner Truppe sehr zufrieden, die zweimal eine hoch konzentrierte Klasseleistung bot und absolut zu Recht ins Endspiel einzog. „Ich denke, wir haben auch heute verdient gewonnen“, sagte Kolbermoors Trainer nach der Sonntagspartie. „Respekt aber auch an Langstadt, die uns auch heute wieder alles abverlangt haben. Vor dem Halbfinale hatte ich mir schon kleine Vorteile im hinteren Paarkreuz ausgerechnet. Der letztendliche Knackpunkt für unsere Siege war aber, so denke ich, dass wir gegen ein oberes Paarkreuz aus Petrissa Solja und Dina Meshref in zwei Spielen mit einer 7:1-Bilanz vom Tisch gegangen sind.“ Fuchs fügte hinzu: „Wir hatten uns ziemlich akribisch auf die Spiele vorbereitet und sind jetzt froh, dass sich das ausgezahlt hat.“ Und dann folgt noch eine kleine aber kernige Kampfansage an den Titelverteidiger mit Blick auf die Finalserie: „Für freuen uns sehr über den Einzug ins Finale und wollen die Rechnung, die wir aus dem Pokal mit Berlin noch offen haben, gerne begleichen!“
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Beitragsbild oben: Kristin Lang erwies sich auch in den Halbfinals als stabile Kraft bei Kolbermoor und spielte vorne 3:1.
Text: Dr. Stephan Roscher
Fotos: Dr. Stephan Roscher (7), ttc berlin eastside