Am 15. Mai ist es soweit: Die Olympia-Mannschaften müssen gemeldet werden, drei Stammkräfte und ein Ersatzspieler werden von den Nationaltrainern ausgewählt. Daher steht auch Bundestrainer Jörg Roßkopf vor einer schwierigen Entscheidung, denn die Lage in der Nationalmannschaft erscheint keineswegs eindeutig: Während Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov die beiden Einzelstartplätze einnehmen, wird Patrick Franziska wohl den dritten Stammplatz im deutschen Team bekommen. Fraglich ist jedoch, wer als Ersatzspieler das Team begleitet.
Ovtcharov zurück in Topform
Vor anderthalb Jahren schien die Situation noch komplizierter: Denn durch überragende Auftritte bspw. bei den Australian Open gegen Xu Xin hatte sich Franziska mit ins Rennen um die begehrten zwei Einzeltickets gebracht. Diesem neuen Konkurrenzdruck musste sich vor allem Ovtcharov stellen, der sich nicht wie Timo Boll über die European Games sein Ticket erspielt hatte. Doch im Jahr 2021 ist der Orenburger zurück auf seinem Toplevel: Bei den WTT-Turnieren in Katar zeigte er durch Siege gegen Harimoto oder Lin Yun-Ju eindrucksvoll, dass er auch in Tokio zu den Top-Kandidaten für eine Einzelmedaille gehört.
Besonders interessant ist jedoch die Wahl des vierten Teammitglieds. Im Wesentlichen werden zwei Namen diskutiert, die mit nach Japan fliegen könnten: Benedikt Duda und Dang Qiu.
Duda, der in der Bundesliga für den TTC Schwalbe Bergneustadt an Brett Eins spielt, ist als Linkshänder besonders geeignet für das Doppel. Dieses wird bei olympischen Mannschaftskämpfen zwingend ausgetragen. Gerade mit Patrick Franziska könnte er eine schlagkräftige Paarung bilden, die auch mit den Spitzendoppeln der Japaner und Koreaner mithalten könnte. Duda ist ein Doppelspezialist: Schon mehrfach konnte er Finals auf World-Tour Turnieren erreichen. Spricht das für den Bergneustädter? Nur bedingt, denn sein Doppelpartner war jeweils Dang Qiu. Auch Qiu ist bekannt für seine Doppelstärke und bildet mit Tobias Rasmussen eins der stärksten Duos der TTBL.
Filus wohl ohne Chance
Am wahrscheinlichsten wäre wohl ein Ausfall von Timo Boll: Der Rekordnationalspieler ist mittlerweile verletzungsanfällig und hat immer wieder mit Trainingspausen zu kämpfen. Duda als Linkshänder wäre unter diesem Gesichtspunkt der konsequentere Ersatz.
In der Weltrangliste liegen die Beiden nicht weit auseinander. Duda ist auf Position Nr. 38 gelistet, Qiu auf Nr. 53. Interessant: Dazwischen findet sich in der Liste noch Abwehrspieler Ruwen Filus. Dem Fuldaer werden aber keinerlei Chancen eingeräumt, obwohl er im Februar noch das Finale des WTT Star-Contender Katar erreichen konnte. Sein Spielstil steht ihm im Weg: Ein defensives System ist für das Doppel äußerst ungeeignet und in der Regel in der Kombination mit Angriffsspielern selten erfolgreich.
Ist die Entscheidung schon gefallen?
Es wird sich daher zwischen Duda und Qiu entscheiden. Ein Blick auf die Einzelbilanzen spricht für den Letztgenannten:
Mit einer 17:7 Bilanz spielte der Penholderathlet eine überragende Saison, Benedikt Duda konnte mit einer 20:15 Bilanz nicht ganz überzeugen. Insbesondere am Anfang des Jahres 2021 war Duda, wie die ganze Mannschaft des TTC Schwalbe, in einem echten sportlichen Tief, während Qiu mit Grünwettersbach sogar den Sprung in die Playoffs schaffte.
Das Momentum scheint bei Dang Qiu zu liegen, der im Jahr 2021 den stabileren Eindruck machte. Weiteres Indiz: Qiu ist im Moment mit Patrick Franziska, Timo Boll und Jörg Roßkopf in Höchst im Odenwald, um weiter an der Topform zu arbeiten. Benedikt Duda sucht man dagegen in diesem Trainingsensemble vergeblich. Ein Zeichen, dass die Entscheidung schon gefallen ist? Die kommenden Tage werden wohl die Antwort liefern.
Text: Ludger Santel
Bilder: Johannes Gohlke