Bis zum 15. Mai mussten die Meldungen für Olympia eingereicht werden. Für die Nationaltrainer ist dies typischerweise eine der schwierigsten Entscheidungen ihres Metiers. Diesmal besonders brisant: Seit Beginn der Corona-Pandemie gab es nur zwei internationale Turnierbubbles, der WTT China sowie Middle East Hub. Daher war es für die Verantwortlichen deutlich schwieriger einzuschätzen, in welcher Form sich die eigenen Schützlinge im Vergleich zur Konkurrenz befinden.
Asiatische Teams gewohnt stark vertreten
China vertraut bei den Herren auf ihr Spitzentrio, bestehend aus Ma Long, Fan Zhendong und Xu Xin. Als vierter Spieler wird Wang Chuqin hinzustoßen, der als Linkshänder besonders prädestiniert für das Doppel ist. Ihr größter Konkurrent? Japan. Das japanische Trio wird angeführt von Tomokazu Harimoto und Koki Niwa, die in der Einzelkonkurrenz starten und ergänzt durch den erfahreneren Jun Mizutani. Ob die Nominierung so klug war? Die Japaner gaben ihre Starter schon Anfang 2020 bekannt, zu einem ungewöhnlich frühen Zeitpunkt. Koki Niwa schien bei den internationalen Auftritten im März jedenfalls in sehr schwacher Form und unterlag u.a. deutlich dem Brasilianer Gustavo Tsuboi.
Die Chinesen werden darüber hinaus Lin Yun-Ju im Blickfeld haben: Der Linkshänder bildet zusammen mit Chuang Chih-Yuan und Chen Chien-An (nur Team) das taiwanesische Aufgebot. Taiwan könnte sich daher auch zu einem Finalkandidaten mausern. Denn Lin Yun-Ju ist immer für zwei Einzelpunkte gut, Chuang Chih-Yuan und Chen Chien-An wurden 2013 Weltmeister im Doppel – eine gefährliche Mischung.
Aber auch die weiteren asiatischen Teams haben es in sich: Südkorea vertraut auf Jang Woojin, Jeoung Young Sik und Lee Sang Su, wohingegen Hong Kong neben Leitwolf Wong Chun Ting überraschenderweise den für Fulda gemeldeten Lam Siu Hang für die Einzelkonkurrenz gemeldet hat.
Europa ist enger zusammengerückt
Deutschland hat sich bekanntermaßen für Dimitrij Ovtcharov, Timo Boll und Patrick Franziska entschieden. Vorgesehen ist, dass Ovtcharov zwei Einzel spielen wird, während Boll und Franziska ein schlagkräftiges Doppel bilden. Die Nominierung von Benedikt Duda als Ersatzspieler schielt wohl vor allem auf einen möglichen Ausfall von Boll, der das höchste Verletzungsrisiko innerhalb des deutschen Trios trägt. Der größte europäische Konkurrent der Deutschen?
Das dürfte mittlerweile Schweden sein. Mit Mattias Falck und Anton Källberg haben sie ein absolutes Spitzenduo, welches in jüngerer Zeit bewiesen hat, dass es auch die Topleute aus Asien bezwingen kann. Gerade Källberg konnte sich in Katar im März gegen An Jae Hyun und Lee Sang Su durchsetzen. Schweden ist zusammen mit dem starken Doppelspieler Kristian Karlsson ein Medaillenkandidat. Nicht zu unterschätzen sein wird auch die kroatische Delegation: Andrej Gacina und Tomislav Pucar gehören zur europäischen Spitze.
Überraschend ist die Nominierung aus Frankreich: Mit Alexandre Cassin (siehe Bild) hat man einen dritten Spieler nominiert, der in letzter Zeit weniger im Rampenlicht stand. Als Jugendeuropameister waren die Erwartungen an ihn ursprünglich hoch, doch in den letzten Jahren fiel der Neu-Fuldaer auch durch Disziplinlosigkeiten und mangelnde Professionalität auf. Die Franzosen vertrauen auf das Potenzial, welches Cassin ohne Zweifel weiterhin mitbringt.
Auch nicht zu erwarten: Die Nominierung aus Portugal. Während die Wahl auf Marcos Freitas und Tiago Apolonia nachvollziehbar erscheint, schien sich auf der dritten Position eigentlich Joao Geraldo in eine aussichtsreiche Position gespielt zu haben. Der Linkshänder gehört momentan zu den Topspielern der französischen Liga Pro A. Trotzdem ist die Wahl wieder auf den sehr erfahrenen Joao Monteiro gefallen.
Neben den europäischen und asiatischen Teams wird vor allem noch die brasilianische Auswahl im erweiterten Blickfeld mitspielen. Hugo Calderano kann auch gegen Deutschland oder Japan zwei Punkte holen und mit Gustavo Tsuboi haben sie ein unberechenbaren Athleten, der gerade im Doppel mit seinen Aufschlägen sehr unangenehm zu bespielen ist.
Die Nominierungen im Überblick:
Asien
Korea Jeoung Young Sik, Jang Woojin, Lee Sang Su
Taiwan Lin Yun-Ju, Chuang Chih-Yuan, Chen Chien-An
China Ma Long, Fan Zhendong, Xu Xin
Japan Tomokazu Harimoto, Koki Niwa, Jun Mizutani
Hong Kong, China Wong Chun Ting, Lam Siu Hang, Ho Kwan Kit
Europa
Deutschland Dimitrij Ovtcharov, Timo Boll, Patrick Franziska
Slowenien Jorgic Darko, Tokic Bojan, Kozul Deni
Kroatien Andrej Gacina, Tomislav Pucar, Frane Kojic
Schweden Mattias Falck, Anton Kallberg, Kristian Karlsson
Frankreich Simon Gauzy, Emmanuel Lebesson, Alexandre Cassin
Portugal Marcos Freitas, Tiago Apolonia, Joao Monteiro
Serbien Aleksandar Karakasevic, Zsolt Peto, Marko Jevtovic
Lateinamerika
Brasilien Hugo Calderano, Gustavo Tsuboi, Vitor Ishiy
Nordamerika
USA Kanak Jha, Nikhil Kumar, Zhou Xin
Ozeanien
Australien David Powell, Yan Xin, Hu Heming
Text: Ludger Santel
Beitragsbild: Johannes Gohlke