Sa, 21. Dezember 2024
spot_img
StartInternationalEuropameisterschaftenEM 2020: Schwache Performances als Warnschuss für Olympia - ein Kommentar

EM 2020: Schwache Performances als Warnschuss für Olympia – ein Kommentar

Das deutsche Team ist bei Europameisterschaften erfolgsverwöhnt. Die Einzeltriumphe von Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov, die regelmäßigen Siege in den Mannschaftskonkurrenzen der Männer und Frauen oder die Titel in den Doppelkonkurrenzen, zuletzt durch Nina Mittelham und Kristin Silbereisen errungen, sprechen eine deutliche Sprache. 

Das Abonnement auf den Erfolg kann aber auch nachlässig werden lassen. Momentan scheint dies bei der deutschen Nationalauswahl der Fall zu sein. Denn die ersten Ergebnisse bei der EM in Warschau waren alles andere als überzeugend. Patrick Franziska und Timo Boll, vorher gehandelt als die Top-Favoriten, ereilte am Donnerstag das Erstrundenaus gegen die Paarung Jorgic/Pucar. Zwei starke Einzelspieler – ohne Frage. Doch beide sind bekannt für ihre Doppelschwäche, der Blick auf die Bilanzen von Jorgic im Abschlussdoppel für Saarbrücken ist eindeutig. 

Umso fragwürdiger sind die Aussagen der DTTB-Starter vor dem Turnier. Patrick Franziska gab zu, mit Timo Boll vor der EM noch nicht eine einzige Einheit (!) absolviert zu haben. Man werde sich auf die vielen gemeinsamen Erfahrungen verlassen. 

Diese Äußerungen machen mich fassungslos. Die DTTB-Männer werden bei Olympia an zwei gesetzt werden, das Doppel spielt eine elementare Rolle im Mannschaftswettbewerb und Tokio steht in genau vier (!) Wochen bevor. Vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage hat das deutsche Spitzenduo noch keine einzige Doppeleinheit absolviert? Zum Vergleich: In China werden seit Anfang Mai regelmäßige Testturniere ausgerichtet, die im Fernsehen ausgetragen und bei denen die Olympia-Doppel bis ans Limit gebracht werden. Man erinnert sich auch an die vergangenen olympischen Spiele zurück, bei denen das Doppel Boll/Steger gegen die nominell schwächeren Niwa/Yoshimura aus Japan drei Sätze mit jeweils nur 4 bzw. 5 eigenen Punkten verlor. 

Interessant sind auch die Äußerungen von Benne Duda und Qiu Dang vor der EM zu ihrer Paarung: Man habe in den letzten Wochen noch härter am Doppel gearbeitet und in vielen Trainingseinheiten geschuftet. Diese Einstellung darf man nicht nur vom Ersatzdoppel erwarten, sondern auch vom Spitzenduo. Das Erstrundenaus von Boll und Franziska ist das gerechte Resultat, denn eine solche Vorbereitung ist schlichtweg arrogant. Hinzu kommt: Im Mixed-Doppel war für Patrick Franziska und Petrissa Solja ebenfalls früh Schluss. Vier Wochen verbleiben dem deutschen Team, ihre Trainingsrückstände aufzuarbeiten. 

Eine Niederlage bei der Europameisterschaft ist zu verzeihen und wird nicht allzu sehr ins Gewicht fallen. Bei Olympia müssen die DTTB-Starter aber in Topform da sein. Vergangene Erfolge sind in Tokio nichts wert – die ersten Runden der EM sind ein Warnschuss für das deutsche Team.

Text: Ludger Santel

Bild: ETTU

Verwandte Artikel

Meist gelesene

Must Read