Durch die viel beschworene geschlossene Mannschaftsleistung bezwangen die deutschen Herren am Vormittag (MEZ) Taiwan um Nachwuchsstar Lin Yun-Ju und Tischtennis-Legende Chuang Chih-Yuan. Erneut war es Timo Boll, der an der Seite von Patrick Franziska und hernach im Einzel am fleißigsten punktete und damit den 3:2-Erfolg sicherte.
Es scheint, als hätte man mit Timo Boll im Gepäck eine Team-Medaille sicher: Nach Silber 2008 und zweimal Bronze 2012 und 2016 macht der 40-jährige Anstalten, sein Team auch in Tokyo zu einer Team-Medaille zu führen. Zumal die Parallelen – zumindest bisher – auf der Hand liegen: Jeweils blieb er im Einzel hinter den Erwartungen zurück, um dann im Team vielversprechend aufzuspielen: Aktuell ist er in allen vier Partien als Sieger vom Tisch gegangen.
Dementsprechend legte er auch im Tokyo Metropolitan Gymnasium vor: Im Doppel überzeugte er zusammen mit seinem hessischen Mitspieler Patrick Franziska. Besonders beeindruckend war hierbei der erste Satz, in dem das taiwanesische Weltmeister-Doppel Chuang Chih-Yuan/Chen Chien-An sprichwörtlich keinen Fuß auf den Boden bekam und mit 11:0 unterging. Das asiatische Duo berappelte sich zwar und gewann den zweiten Durchgang, kam insgesamt aber nicht auf das Niveau der beiden Hessen, die seit dem mäßigen Abschneiden bei der Europameisterschaft offensichtlich ordentlich miteinander trainiert haben.
Nun kam es zu einer Neuauflage des Spiels um Bronze, diesmal jedoch mit einem anderen Sieger: Das Spiel zwischen Dimitrij Ovtcharov und Lin Yun-Ju wogte dabei stets hin und her, wobei Lin sich beispielsweise in Satz zwei etwas nervenstärker zeigte und schlussendlich die wichtigeren Punkte machte. Und auch wenn Ovtcharov sich in den Entscheidungssatz kämpfte, hatte Lin bereits in Satz vier die Chance auf den Sieg. So zeigte sich Deutschlands Nummer eins auch als fairer Verlierer und nickte dem 19-jährigen Taiwanesen anerkennend zu.
Eiskalt präsentierte sich im Anschluss Timo Boll: Er zeigte der vormaligen Nummer 17 der Welt, Chen Chien-An, deutlich seine Grenzen auf und wies den 30-jährigen Asiaten mit 11:4, 11:4 und 11:6 in die Schranken. An einen Sieg des Taiwanesen dürfte selbst er wenige Minuten nach dem ersten Aufschlag nicht mehr geglaubt haben…
Den ersten Matchball ließ Patrick Franziska liegen, wenngleich ihm ein formstarker Lin Yun-Ju gegenüberstand. Franziska wehrte sich nach Kräften, musste seinem Widersacher allerdings nach 30 Minuten zu dessen 3:0-Erfolg gratulieren. Vor dem Hintergrund der knapp verlorenen ersten Sätze gab der Deutsche zu Protokoll: „Es ist schade, dass ich nicht einen der ersten Sätze gewonnen habe. Aber ich war mit meiner Leistung sehr zufrieden.“
Etwas mehr Spannung hätte man nun bei dem „Leckerbissen“ und Entscheidungsspiel zwischen Dimitrij Ovtcharov gegen Chuang-Chih Yuan erwarten dürfen, auch da die beiden Weltklasseathleten sich gut kennen. Zwar stellte Chuang Deutschlands Nummer eins vereinzelt vor Probleme, aber wirklich Zweifel kamen am Sieg des leichten Favoriten Ovtcharov nie auf! Dies lag auch daran, dass „Dima“ seine Niederlage gegen Lin offenbar schnell abhaken konnte und sich dem Druck dieses wichtigen Entscheidungsspiels gewachsen fühlte.
Noch etwas schwieriger dürfte die Aufgabe im Halbfinale werden, wo am Mittwoch ab 12:30 Uhr Japan wartet. Ein Spiel, das wahrlich Hochspannung verspricht und bei dem sicherlich auch die Aufstellung der Coaches eine Rolle spielen kann: So ist es beispielsweise kein Geheimnis, dass der Japaner Jun Mizutani einer von Timo Bolls Lieblingsgegnern ist.
Text: David Rieß
Foto: ITTF