Hallo Ying! Danke, dass du dir nach deinem verdienten Familienurlaub etwas Zeit für unser Interview nimmst.
Wie lange musstest du auf diesen Urlaub warten?
Puh, das war nach etwas mehr als einem Jahr mein erster Urlaub. Natürlich war besonders durch Olympia in den letzten 12 Monaten nicht viel Zeit zum erholen, aber auch in den Jahren, in denen keine Olympischen Spiele anstehen, kommt man als Profi meist nicht mal mehr wirklich zum Weihnachtsurlaub aufgrund der vielen Wettkämpfe, auf die man sich natürlich auch immer gut vorbereiten muss. So war ich sehr froh jetzt zusammen mit meiner Familie ein wenig abschalten zu können.
Du hast Olympia gerade angesprochen. Bei den diesjährigen Spielen durftest du das zweite Mal an Olympia teilnehmen. Was sagst du rückblickend zu deiner Leistung im Einzel und eurer Leistung in der Mannschaft?
Ich denke, dass ich im Einzel das Maximale rausgeholt habe. Natürlich wäre mit einer anderen Auslosung evtl. auch noch das Halbfinale möglich gewesen, doch da ich nicht mal in den Top8 gesetzt war kann ich mich über die Auslosung an sich auch nicht beschweren.
In der Mannschaft habe ich mir als Nummer 1 natürlich selbst sehr viel Druck gemacht, auch wenn Peti und Nana durch ihre guten Leistungen es immer geschafft haben, mir den Druck ein wenig zu nehmen.
Auch das Spiel um Platz 3 begann ja mit dem Doppelsieg sehr gut, doch ich wusste, dass mein Einzel enorm wichtig ist für die weitere Entwicklung des Spiels. Mir war klar, dass ich das Spiel nicht verlieren darf und schon gar nicht den 1. Satz nach der 10:6 Führung. Aber bei Olympia passieren so viel unvorhergesehene Dinge, da ist es manchmal wirklich verrückt.
Bei deiner ersten Olympiateilnahme im Jahr 2016 konntest du mit der Mannschaft sensationell die Silbermedaille gewinnen. Wie war das Erlebnis damals für dich?
Ja, es war damals eine unglaublich schöne Zeit, die mich auch lange beflügelt hat. Umso mehr tut es mir ehrlich gesagt jetzt weh, dass wir keine Medaille aus Tokio mitbringen konnten. Der vierte Platz ist der undankbarste Platz, den es gibt und ich denke dieses unglückliche Gefühl über die Niederlage wird mich noch einige Jahre begleiten.
Wirst du denn 2024 bei den Olympischen Spielen erneut auf Medaillenjagd gehen oder wie sieht deine Zukunftsplanung aus?
Ich denke es hängt von mehreren Faktoren ab, ob ich 2024 nochmal angreifen kann und will.
An erster Stelle ist es natürlich wichtig, dass ich weiterhin fit bin. Aber es kommt auch darauf an, wie ich mich sportlich in den nächsten Jahren präsentiere. Wenn ich zu langsam und einfach nicht mehr gut genug bin, dann mache ich auch gerne Platz für die jüngere Generation und drücke ihnen die Daumen. Doch ich werde in den nächsten Jahren natürlich alles geben, dass ich meine gute aktuelle Form halten kann.
Mein Vorbild ist da so ein wenig der Timo, der es immer wieder schafft, trotz seines Alters auf den Punkt fit zu sein.
Als Mutter einer 8-jährigen Tochter wirst du sicherlich kein „normales“ Profileben mehr führen. Wie sieht dein Trainingsalltag aus?
In den letzten zwei Jahren konnte ich mein Trainingspensum tatsächlich relativ hochhalten, da meine Mutter für zwei Jahre hier war und sich immer, wenn ich beim Training oder auf Turnieren war, um meine Tochter gekümmert hat.
Allerdings wird meine Mutter uns bald wieder verlassen, so dass mein Mann, der als Co-Trainer der Herren-Nationalmannschaft den ganzen Tag im DTTZ ist, und ich dann schauen müssen, wie wir das alleine gestemmt bekommen. Das wird ganz sicher auch Auswirkungen auf mein Training haben. Wahrscheinlich werde ich dann nur noch am Vormittag trainieren können, während meine Tochter in der Schule ist. Auch die Turniere werde ich gut auswählen und planen müssen, um meine Tochter nicht zu vernachlässigen.
Auf Social-Media zeigst du gelegentlich Ausschnitte von deiner Tochter am Tischtennistisch.
Wird sie versuchen in deine Fußstapfen zu treten?
Ich denke eher nicht. Wir gehen das ganz locker an. Ich habe die Erfahrung, dass die Kinder, die von ihren Eltern zum Sport gezwungen werden oft kein Spaß mehr am Sport haben. Das wollen wir natürlich nicht. Wir haben es ihr angeboten mit ihr ein wenig zu trainieren, damit sie es später nicht bereut, dass sie es nicht versucht hat. Aktuell trainiert sie aber nur ein bis zwei Mal die Woche und geht somit nicht in die Richtung Leistungssport. Mit uns Eltern trainiert sie auch gerne zu Hause mal, da hat sie vor allem während des 1. Corona-Lockdowns einen großen Sprung gemacht, da wir da viel Zeit für sie hatten. Aber so lange wie mein Mann und ich noch im Leistungssport tätig sind, werden wir unsere Tochter leider nicht individuell fördern können.
Wie alt warst du eigentlich als du mit dem Tischtennis begonnen hast und wie bist du dann zum Leistungssport gekommen?
Ich war fünf Jahre alt, als ich im Kindergarten mit dem Tischtennis begonnen habe. Schon in dem Alter haben wir mehrere Einheiten am Tag trainiert. Das war damals ganz normal und nichts Besonderes. Als ich dann mit sechs in die Schule gekommen bin, gab es immer eine Einheit am Vor- und eine am Nachmittag bzw. Abend.
Wie beurteilst du das Trainingssystem in China, vor allem im Vergleich mit dem in Deutschland?
Es gibt ja das Sprichwort: Ohne Fleiß kein Preis. Also man sieht natürlich schon, dass sich das harte Training in China auszahlt, sonst wäre ich ja auch nicht da wo ich jetzt bin.
Uns wurde immer gesagt, wenn ihr Tischtennis spielen wollt, dann spielt richtig, ansonsten hört auf.
Einfach nur aus Spaß ein wenig Tischtennis spielen, das gibt es in China kaum.
Es ist dort einfach eine andere Mentalität, daher kann man es schlecht mit Deutschland vergleichen.
Aktuell bist du einen Weltranglistenplatz hinter der japanischen Abwehrspielerin Hitomi Sato, die zweitbeste Abwehrspielerin der Welt. Wie und wann bist du zur Abwehrspielerin geworden?
Ich war sieben oder acht Jahre alt, als ich mit dem Abwehrspiel begonnen habe. Es war so, dass meine Stadtmannschaft gezielt nach einer Abwehrspielerin gesucht hat und da ich als Angriffsspielerin nicht so gut war, hat mein Vater entschieden mich als Abwehrspielerin ausbilden zu lassen. Kurze Zeit nach der Umstellung habe ich dann auch unsere Stadtmeisterschaft gewonnen, die Entscheidung war also ganz gut. ?
Hast du es dann später auch mal in den Nationalkader von China geschafft?
Nein, im richtigen Nationalkader war ich nie, da es zu viele gute Abwehrspielerinnen gab. Ich durfte dann oft mit dem B-Kader trainieren, aber auch da war ich nie richtig Mitglied.
Wie kam es dann zu einem Wechsel nach Deutschland? Du warst damals ja erst 19 Jahre jung.
Als ich es nicht in die Nationalmannschaft geschafft habe, war eigentlich mein Plan in Japan ein Studium zu machen und nebenbei ein wenig dort weiterzuspielen.
Meine alte Trainerin hat dann allerdings eine Anfrage aus Busenbach, die eine Abwehrspielerin für ihr Team suchten, an mich weitergeleitet. Da ich noch nie vorher in Europa war, nahm ich das Angebot an und freute mich darauf 1 – 2 Jahre Deutschland und Europa kennen lernen zu können.
Aus diesen 1 – 2 Jahren, sind jetzt 19 Jahre geworden. Du lebst mittlerweile also schon dein halbes Leben in Deutschland und hast dich mittlerweile gut integriert. Wie waren für dich aber die ersten Jahre allein im fremden Land?
Das war damals schon eine große Umstellung. Zum einen die neue Kultur, zum anderen aber auch die ländliche Gegend in die ich gekommen bin. Ich komme aus einer sieben Millionen Einwohner Stadt. In Deutschland war dann das Erste was ich kennen gelernt und wo ich gelebt habe die Zehntausend Einwohner Stadt Busenbach. Das war natürlich eine Riesenumstellung und nicht so leicht.
Hast du dir für die Zukunft noch sportliche Ziele gesetzt, oder hast du alles erreicht was du erreichen wolltest?
Ich denke Ziele hat man immer. Es wäre natürlich schon ein Traum für mich bei Olympia nochmal eine Medaille zu gewinnen.
Wie sehen deine Pläne für die Zeit nach der aktiven Karriere aus? Strebst du evtl. den Job als Trainerin an?
Ganz ehrlich: Ich habe mir um meine Arbeit nach der Profikarriere noch gar keine richtigen Gedanken gemacht. Als Trainerin ist es meiner Meinung nach in Deutschland schwer einen guten Job zu finden.
Ich werde versuchen so lange wie möglich noch als aktive Spielerin mein Geld zu verdienen und vielleicht werde ich dann ja erstmal einige Jahre als Hausfrau und Mutter arbeiten. ?
Du bist seit neun Jahren für den KTS Zamek Tarnobrzeg in Polen aktiv. Planst du dort auch bis zum Karriereende zu spielen?
Ich denke schon. Es ist für mich mittlerweile mein Heimatverein. Der Verein ist wie eine große Familie für mich, ich fühle mich wirklich wohl dort und freue mich auf jede Reise nach Polen. Besonders schön finde ich, dass mich meine Mitspielerin und mein Trainer auch bei den internationalen Turnieren von der Tribüne aus unterstützen, wenn sie vor Ort sind.
Du spielst auf der Rückhandseite mit dem TSP Spectol blue und bist somit eine von sehr wenigen Abwehrspielerinnen, die mit einer kurzen Noppe abwehren. Was sind für dich die Vorteile an der kurzen Noppe?
Ich habe ganz ehrlich gesagt, nie etwas anderes kennen gelernt. Ich habe als Kind mit kurzen Noppen begonnen und bin dann immer dabei geblieben. Der Vorteil für mich ist, dass ich damit einen besseren Schnittwechsel spielen kann. Der Nachteil ist natürlich die fehlende Kontrolle im Vergleich zu langen Noppen. Doch ich denke nicht, dass ich mit anderem Material noch erfolgreicher spielen könnte.
Interview & Bild: Johannes Gohlke