Wenn an diesem Wochenende die deutschen Meisterschaften beginnen, werden alle Tischtennisfans seinen Kommentaren lauschen. Dennis Heinemann hatte bereits bei den Olympischen Spielen seinen ersten großen Auftritt als TV-Kommentator. Noch zwei Jahre zuvor war er Polizist. Inmitten der Corona-Pandemie entschied er sich jedoch dazu, sich seinen Traum zu erfüllen: als Sportkommentator zu arbeiten.
„Ich bin hier nicht richtig.“ Dieses Gefühl hat Dennis Heinemann die letzten Jahre begleitet. Als Polizist hat er eigentlich einen sicheren Job und wirklich unwohl fühlt er sich auch nicht. Doch er merkt, dass eigentlich etwas Anderes auf ihn wartet. „Bei dir kann ich mir viel vorstellen, aber Polizist eigentlich nicht.“ Diesen Satz hatte er von seinem Umfeld häufig gesagt bekommen. „Unrecht hatten die auch nicht“, sagt er heute. Inmitten der Corona-Pandemie 2020 entscheidet er sich für einen beruflichen Wechsel. Und kündigt seinen Job. Eine mutige Entscheidung, denn einen Plan B hat er damals nicht. „Ich hatte mir das weder besonders gut überlegt noch vorbereitet, aber es wäre ein Fehler gewesen, es nicht zu tun.“ Auch die Sicherheit während der Unwägbarkeiten der Pandemie in einem stabilen Beamtenverhältnis zu sein, bringt ihn nicht von seinem Entschluss ab.
Was ihn damals antreibt, ist seine Passion für die Arbeit mit der Stimme. Im März 2020 hatte der Regionalligaspieler des TSV Lunestedt den „Podkiosk“ gestartet, einen Podcast, in dem er mit seinen Gästen über ihre Lebensgeschichten, Motivationen und Fehler spricht. „Als ich gemerkt habe, wieviel Spaß mir das macht, wurde mir klar, dass ich etwas Journalistisches machen möchte.“ Der Podcast entfachte eine Faszination, die bereits zwei Jahre zuvor zufällig begonnen hatte. Damals war der Co-Trainer von Werder Bremen, ein enger Kumpel und Ex-Mitbewohner, bei der Suche nach einem einmaligen Kommentator für das „Highlightspiel“ der TTBL auf Heinemann gestoßen. Dieser sagte zu. „Ich dachte mir nur, jetzt verhaue das nicht!“ Denn der Testlauf sollte eine Generalprobe für die folgende Saison sein, ab der ein regelmäßiger Kommentator gesucht wurde. Heinemann überzeugte, unter anderem wegen seiner besonderen Stimmfarbe: „Meine Stimme ist schon immer gut angekommen, aber eigentlich kann ich ja nichts dafür.“ Fortan kommentierte er die Heimspiele des SV Werder Bremen für den Streamingdienst Sportdeutschland.
Über Matthias Stach bekommt er eine einmalige Möglichkeit
Seine Stimme kommt auch im Podcast gut an. Vermehrt lassen sich auch berühmtere Persönlichkeiten in seinem „Kiosk“ blicken. Einer davon ist Matthias Stach, der als Eurosport-Kommentator für Tennis hohe Bekanntheit erlangt hat. Das Gespräch läuft gut. Als Heinemann ihm erzählt, dass er Sportkommentator im TV werden möchte, leitet Stach ihn an den zuständigen Koordinator bei Eurosport weiter. Versprechen könne er aber nichts, ergänzt er noch. Trotzdem ist es für den Bremer eine Riesenchance. Nun soll er bei Eurosport vorsprechen. Mithilfe von Testkommentaren könne man dann beurteilen, inwiefern Heinemann sich für eine Kommentatorenkarriere eigne. Die ersten Rückmeldungen aus seinem Umfeld seien gut gewesen, sagt er heute. Doch die Experten bei Eurosport sind nicht zufrieden, es sei zu erkennen, dass er noch „erste Schritte“ mache. Heinemann ist enttäuscht, aufgeben möchte er aber nicht. Monate später meldet sich plötzlich dann der Koordinator zurück: Er brauche noch dringend einen Co-Kommentator für den World-Cup der Damen. „Da war auch einfach Glück im Spiel“, blickt der 32-Jährige zurück. „Sie suchten noch schnell eine Ergänzung für Harry Weber und hatten mich wohl noch im Kopf.“
Dieser Auftritt kommt an, er nutzt seine Chance. Denn 2021 ruft der Eurosport-Koordinator ihn ein weiteres Mal an: Ob er sich denn vorstellen könne, für Eurosport die olympischen Tischtenniswettbewerbe als Hauptkommentator zu begleiten, wird er gefragt. Heinemann ist begeistert: „Ein viel größeres Event gibt es ja nicht.“ Und gleichzeitig ist er verwundert, denn „eigentlich war ich ja nur einmal Co-Kommentator gewesen.“ Der Bremer sagt sofort zu. Ein Jahr, nachdem er seinen Job bei der Polizei gekündigt hat, scheint sich sein Traum zu erfüllen.
„Da musste ich mich erstmal kneifen“
Nach Tokio geht es zwar nicht, die Promidichte ist am Sendungsort in München trotzdem hoch. „Als ich in München angekommen bin, habe ich im Fahrstuhl sofort Pascal Hens getroffen.“ „Das war schon manchmal komisch,“ schmunzelt er über die zwei Wochen, in denen er in einer Bubble mit vielen Größen des deutschen Sports lebt. Den Zauber von Olympia konnte er auch in München vernehmen: „Wir hatten dort auch eine Art olympische Atmosphäre.“ Als das erste Mal der Countdown in seiner Kommentatorenkabine herunterläuft und sein Einsatz beginnt, ist er zwar aufgeregt, aber voller Vorfreude. Die Erfahrung ist für ihn auch heute noch unwirklich: „Wenn du die Kabine betrittst und weißt, du kommentierst jetzt das Finale der Olympischen Spiele – da musste ich mich einmal kneifen.“ Sein persönliches Highlight? „Das Spiel von Ovtcharov gegen Fan Zhendong, da bin ich selber total aus mir rausgekommen.“ Und auch die Eurosport-Koordinatoren bescheinigen ihm nach Olympia eine sehr gute Leistung, sodass er nun hofft, weitere Einsätze zu bekommen. Gerne würde er für Eurosport auch mal Tennis kommentieren.
Zunächst steht ab dem 28.08. allerdings ein weiteres Highlight bevor: Die deutschen Meisterschaften in Bremen, seiner Heimatstadt. „Das ist etwas Besonderes“, sagt Heinemann. 2006 saß er mit 17 Jahren in der ÖVB-Arena bei der Team-WM und schaute das Finale Deutschland gegen China. „Jetzt auch dort als Kommentator dabei zu sein, ist sehr schön.“ Nach dem größten internationalen Sportevent darf er auch die wichtigste nationale Meisterschaft mit seiner Stimme begleiten. „Es läuft gerade ziemlich gut“, resümiert er und blickt positiv auf die letzte Zeit zurück. Schon jetzt, ein Jahr nach seiner beruflichen Umstellung, scheint er sagen zu können: „Auf diesem Weg bin ich richtig.“
Wer Dennis Heinemann einmal live hören möchte, kann am Samstag und Sonntag bei den Deutschen Meisterschaften im Stream einschalten. Dort wird er an der Seite von Richard Prause und weiteren Gästen die Spiele begleiten. Alles Relevante zu den Deutschen Meisterschaften gibt es auf tt-dm.de. Weitere Infos zu Dennis Heinemann sind unter dennis-heinemann.de zu finden.
Mischa Zverev zu Gast im „Podkiosk“ von Dennis Heinemann:
Text und Interview: Ludger Santel
Bild: Dennis Heinemann