Im Rahmen der Deutschen Meisterschaften konnten wir mit Herrmann Mühlbach sprechen. Der 32-Jährige hat bisher schon in verschiedenen interessanten Bereichen der TT-Szene arbeiten können und hat daher viel zu erzählen. Besonders der Einblick in seine aktuelle Beschäftigung bei der Belagentwicklungsfirma ESN ist für viele Tischtennisfans mit Sicherheit interessant.
Hallo Hermann! Danke, dass du dir für unser Interview kurz vor deiner Heimreise Zeit nimmst.
Wir haben uns kennen gelernt, als du noch als Nationaltrainer für Luxemburg in der ganzen Welt unterwegs warst. Wie kamst du damals überhaupt zu diesem Job und wie waren die vier Jahre in Luxemburg für dich?
Ich war vor dem Job in Luxemburg Assistenztrainer der Jugendnationalmannschaft des DTTB. Über den ehemaligen Landestrainer des TTBW, Martin Ostermann, der in Luxemburg Sportdirektor ist, kamen dann die Kontakte dorthin. Erstmal sollte ich nur die Sommervorbereitung übernehmen, daraus wurde dann plötzlich ein Jahr und am Ende waren es vier Jahre. Doch die Aufgabe als Cheftrainer war sehr reizvoll, so dass ich die Herausforderung gerne angenommen habe.
Für mich war es mein erster Vollzeitjob als Trainer. Der Verband dort ist natürlich sehr klein, zu vergleichen mit einem Landesverband in Deutschland. Dennoch war es ein Nationalverband mit der Möglichkeit auch internationale Turniere zu spielen und mit großartigen Bedingungen vor Ort.
Wir hatten neben mir natürlich noch weitere Trainer, Sparringspartner, eine eigene Halle, roten Boden und die finanziellen Mittel sehr viele Turniere zu besuchen.
Sehr schön war auch, dass ich als hauptverantwortlicher Trainer recht frei meine Theorien ausleben konnte. Ich mache auch gerne spezifisches Materialtraining, was ich dann auch dort mit eingebracht habe.
Wie zufrieden warst du am Ende mit deiner Arbeit während deiner vierjährigen Amtszeit?
Als ich in Luxemburg ankam gab es ca. 30 Kaderspieler im Training. Dies waren alles Jugendspieler, da die wenigen älteren Spieler, die für die Nationalmannschaft spielten, woanders trainierten.
Zum Beginn meiner Zeit dort habe ich gegen den besten Spieler der Trainingsgruppe, das war ein 15-Jähriger, mit der linken Hand gewonnen. Zum Ende meiner 4-jährigen Amtszeit habe ich dann gegen ihn mit der rechten Hand verloren. Von daher war ich mit der Entwicklung der Spieler dort zufrieden, insbesondere mit Luka Mladenovic. Er hatte unter mir als Trainer erst lange Noppen und dann einen Antispin gespielt, womit er sich in der Jugend unter die Top8 in Europa und unter die Top20 der Welt hochgearbeitet hat.
Dein Schützling Luka Mladenovic spielt mittlerweile beim FSV Mainz 05 in der 2. Bundesliga. Wie zufrieden bist du mit seiner Entwicklung – auch ohne dich als Trainer – in den letzten Jahren?
Ich habe seine Entwicklung natürlich noch weiterverfolgt. Er ist jetzt noch besser geworden im Angriff, da hing er zu meiner Zeit noch etwas hinterher. Die Kombination zwischen dem Antispiel und dem Angriff ist jetzt super.
Allerdings habe ich mein Wissen über das Materialspiel noch weiterentwickelt, das war ja damals etwas ganz Neues für mich, als ich es den Spielern in Luxemburg beigebracht habe.
Was ich dort mit den Jungs gemacht habe, hat auch meinem Schwager Carlos ganz gut gefallen, so dass er mit 26 Jahren auch auf einen Anti gewechselt ist. Mit ihm haben wir nun neue Kombinationen einstudiert und erlernt, so dass er mit dem Antispiel noch ein wenig weiter als Luka ist. Es wäre interessant zu sehen, wer mittlerweile besser ist.
Eine sehr starke Entwicklung von Luka, aber auch von Carlos! Doch wie kam es dann zu deinem Wechsel vom Nationaltrainer zum Materialentwickler?
Die 15-Jährigen waren dann nach vier Jahren alle 18/19 Jahre alt und hatten es auch schon in die Herren-Nationalmannschaft geschafft. Ich sollte dann wieder eine neue Gruppe von 14/15-Jährigen übernehmen und gleichzeitig kam ein Angebot von ESN.
Mir hat das Trainerdasein zwar Spaß gemacht, aber ich fand es zu früh, um mich dafür zu entscheiden, mein ganzes Leben lang nur Trainer zu sein. Besonders die Arbeitszeiten als Trainer sind nicht gerade familienfreundlich, so dass ich mich erstmal für die neue Herausforderung bei ESN entschieden habe.
Was machst du genau bei ESN?
Ich habe ja Mathematik und Informatik studiert und kann mein Wissen dort nun gut in der Belagsvermessung und -entwicklung einbringen.
Bei ESN selbst gibt es ca. 200 Mitarbeiter, von denen der Großteil in der Produktion arbeitet.
Meine Aufgabe ist es zum einen, dass ich während des Spiels Messungen mache. Ich messe, wie der Ball fliegt, um die Beläge zu unterscheiden und zu klassifizieren. Auf der anderen Seite bin ich aber auch verantwortlich für die Entwicklung von speziellen Belägen – also kurze Noppen, lange Noppen und Antispin.
Im TT-NEWS Forum wird u.a. auch darüber diskutiert, ob ESN den verschiedenen Marken die gleichen Beläge verkauft. Was kannst du dazu sagen?
Es kommen zwar die meisten Beläge der europäischen Marken aus unserer Fabrik, doch sie sind dennoch alle unterschiedlich. Die großen Marken bekommen exklusiv ihre Beläge, die sie auch oft selber entwickeln oder bei unserer Entwicklungsabteilung in Auftrag geben.
In den letzten Jahren konnten die Marken mit ESN-Belägen zum Marktführer Butterfly etwas aufschließen, was die Spieleigenschaften der Top-Beläge angeht. Wie schafft es ESN konkurrenzfähig zu bleiben?
Ich denke wir müssen uns keinesfalls verstecken. Ich selbst bin ja im Bereich der Vermessung tätig. Und wenn wir die Beläge gegeneinander auf Spin, Tempo und Flugkurve vermessen, haben wir in jedem Bereich objektiv bessere Beläge als die japanischen Marken.
Damit dies auch bei den Spielern ankommt, ist dann mehr die Aufgabe der Marken selbst. Da ist das Marketing enorm wichtig.
Butterfly macht das sehr geschickt, sie sind Hersteller und Marke. Wenn man sich das anschaut, dann ist in sehr vielen Ländern die Nummer 1 des Landes bei Butterfly unter Vertrag. Wenn jetzt jemand mit Tischtennis ernsthaft anfangen möchte, dann schaut er natürlich meist darauf, was der beste Spieler meines Landes spielt.
Von der Messung her sind unsere Beläge mittlerweile dynamischer und besser und ich denke es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich das auch im Amateurbereich wieder mehr rumspricht.
Mit Benedikt Duda hat ja z.b. zuletzt auch ein ESN-Spieler die Deutsche Meisterschaft der Herren gewonnen.
Danke für die interessanten Infos und die ausführliche Antwort. Kommen wir zu dir als Bundesligaspieler. Du gehst nun in deine zweite Saison beim TV Hilpotstein in der 2. Bundesliga. Was sind deine persönlichen Ziele in deiner 14. Zweitligasaison?
Ich war ganz froh, dass ich im letzten Jahr einen Platz in der Mannschaft des TV Hilpoltstein bekommen habe. Dadurch dass ich jetzt in Hofheim arbeite, war das der Zweiligaverein der zwecks der kurzen Entfernung am ehesten in Frage kam. Besonders toll in Hilpoltstein sind natürlich die vielen Zuschauer und die sympathischen Mitspieler. Mit Alexander Flemming bin ich z.b. schon lange befreundet. Ich selber hoffe einfach, dass ich die wichtigen Spiele für mein Team gewinnen kann, damit wir am Ende die Klasse halten können.
Du bist ein enorm guter Aufschläger, wahrscheinlich sogar einer der besten in Deutschland. Wie hast du dich zu so einem Aufschlagkünstler entwickelt?
Aufschläge sind mein Steckenpferd. Ich habe bereits mit 10 Jahren angefangen den Ball besonders hochzuwerfen. Dadurch bekommt man mehr Spin in den Ball, was ich jetzt durch unsere Messtechnik bei ESN auch bestätigen konnte.
Die Aufschläge an sich habe ich mir größtenteils selbst angeeignet. Ich habe immer gerne viel experimentiert. Außerdem habe ich Glück gehabt, dass ich während meinen fünf Jugendjahren in Baden-Württemberg Rudi Stumper und Pavel Solja gut kennen lernen konnte. Von ihnen habe ich viele Ideen mitbekommen. Sie haben immer viel über Taktik und Aufschläge gesprochen. Für sie sind Aufschlag und Taktik das Wichtigste im Tischtennis und das habe ich übernommen. Als wir mit 15 Jahren zurück nach Sachsen gegangen sind, haben wir jeden Tag zu Hause im Keller Aufschläge geübt.
In unserer gemeinsamen Tischtennisschule Mühlbach machen wir auch in jedem Jahr Lehrgänge zu dem Thema, um das Wissen auch weiterzugeben. Denn das Thema Aufschläge wird im Amateurbereich sehr unterschätzt. Als mein jetziger Schwager Carlos nach Deutschland kam, war er Nr. 21 in Kolumbien. Dann haben wir ein Jahr seine Aufschläge trainiert. In den ersten drei Monaten wollte er immer aufgeben, da es natürlich schwer war den Ball so hochzuwerfen und so viel Schnitt in den Ball zu geben. Doch nach drei Monaten war es dann stabil und er hat es weiterverfolgt. So hat er es geschafft 2014 kolumbianischer Meister zu werden.
Vielen Dank für das sehr interessante Interview! Wir wünschen dir weiterhin viel Spaß bei deiner Arbeit und viel Erfolg beim Start in die neue Saison der 2. Bundesliga!
Interview & Bild: Johannes Gohlke