Frankfurt/Spa. Die neue Europameisterin in der Altersklasse U21 heißt Annett Kaufmann! Die erst 15 Jahre alte Böblingerin besiegte in Spa (Belgien) im Finale die fünf Jahre ältere Russin Mariia Tailakova mit 13:11, 6:11, 11:9, 11:8, 7:11 und 11:8. Eine weitere Medaille ging außerdem an die Langstädterin Franziska Schreiner, die Kaufmann im Halbfinale am Sonntagvormittag unterlegen war und Bronze holte. Für den Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) ist es der zweite Titelgewinn im Einzel nach dem Sieg von Chantal Mantz bei der Premierenveranstaltung im Jahr 2017.
Kaufmann jüngste U21-Gewinnerin in der EM-Historie
Nach den Erfolgen im Einzel, Doppel und mit der Mannschaft in der Altersklasse U15 und mit dem deutschen Damen-Team ist der überraschende heutige EM-Triumph bereits der fünfte innerhalb von dreieinhalb Monaten für Annett Kaufmann. Gleichzeitig löst die Linkshänderin Vorjahressiegerin Pritikha Pavade als jüngste Goldmedaillengewinnerin der seit 2017 ausgetragenen U21-EM ab. Frankreichs Olympiastarterin war bei ihrem Sieg im März 2020 fast drei Monate älter als die Deutsche. Bei den Herren gewann der Grieche Ionnis Sgouropoulos zum zweiten Mal nach 2019. Die Titel in den Doppel-Wettbewerben gingen an die Türkinnen Ece Harac/Ozge Yilmaz, die Belgier Olav Kosolosky/Adrien Rassenfosse und im Mixed an das rumänische Duo Rares Sipos/Andreea Dragoman.
Überlegener Auftritt, nicht nur im Finale
Im Finale gegen die fünf Jahre ältere Favoritin Mariia Tailakova zeigte Annett Kaufmann ebenso wie in der gesamten Endrunde als jüngste Spielerin all die Tugenden, die ihre glänzende Perspektive nicht nur im europäischen Nachwuchstischtennis unterstreichen. Trotz ihrer Jugend agiert die Linkshänderin nicht nur bereits in technischer Hinsicht weit ausgereift, besitzt hohes taktisches Verständnis, beweist in bedrohlichen Situationen eine erstaunliche Abgeklärtheit und verfügt in spielentscheidenden Momenten über die notwendige Chuzpe für überraschende Schläge. Lara Broich, verantwortliche Bundestrainerin, war voll des Lobes über die gezeigten Leistungen ihres Schützlings während des gesamten Turniers: „Das war eine großartige Leistung von Annett! Sie hat das unfassbar stark gemacht. Es gab viele schwierige Situationen, jedoch hat sie diese alle durchweg super gemeistert! Hut ab, was sie in den letzten Monaten geleistet hat. Diese großartigen Ergebnisse resultieren aus vielen Jahren Schweiß und harter Arbeit im Verein, im Verband und beim DTTB. Ich freue mich riesig für sie und für alle, die im Umfeld zu diesen Erfolgen beigetragen haben! Es ist außerdem auch einfach toll, dass sie dank einer wild card der ETTU überhaupt mitspielen konnte, sonst wäre sie gar nicht dabei gewesen.“
Coole Kaufmann sorgt im dritten Satz für die Vorentscheidung
Ein sehenswertes Beispiel für ihre Ausnahmeklasse lieferte Kaufman im vorentscheidenden dritten Durchgang des Endspiels, nach Sätzen stand es 1:1. Nach Führung zu Beginn geriet der Teenager gegen die zwischenzeitlich fehlerfrei spielende Russin mit 5:9 ins Hintertreffen. Doch auch in dieser wichtigen Phase des Spiels vertraute Kaufmann auf ihr Können, probierte weiter, wechselte Aufschläge und Platzierungen, parierte dann sogar bei 8:9 nach Auszeit Tailakovas einen normalerweise gewinnbringenden Schmetterball ihrer Gegnerin, die, sichtlich verunsichert, keinen Punkt mehr machte. 11:9 für Kaufmann, 2:1-Satzführung – das Finale nahm seine bekannte Richtung. Die 20 Jahre alte Russin, 2015 und 2016 Vorgängerin von Kaufmann als U15-Europameisterin und zweimal Bronzemedaillengewinnerin in der Mädchen-Konkurrenz, schaffte zwar später noch einmal den Anschluss zum 2:3, dem unwiderstehlichen Drang Kaufmanns zum Titel hatte aber auch sie nichts mehr hingegenzusetzen.
Die neue Europameisterin zeigte sich unmittelbar nach dem Gewinn ihres fünften EM-Titels im Jahr 2021 überwältigt von ihren Gefühlen: „Es ist einfach unglaublich, ich fühle mich gerade etwas überfordert von meinen eigenen Gefühlen. Die letzten Monate waren einfach so unglaublich – so viele Titel, und die meisten davon unerwartet. Ich bin im Moment einfach nur glücklich und so froh über meinen Sieg bei den U21. Damit hatte ich definitiv nicht gerechnet und vorher wirklich überhaupt keinen Gedanken daran verschwendet. Das ist überwältigend.“
Verdiente Bronzemedaille für starke Franziska Schreiner
Deutschland trumpfte in Belgien aber nicht nur durch Annett Kaufmann auf. Auch die 19 Jahre alte Franziska Schreiner spielte sich mit glänzenden Leistungen und ihrem Einzug in das Halbfinale ins Rampenlicht. Die Langstädterin hatte sich gestern mit einem Erfolg über die starke Rumänin Elena Zaharia die Bronzemedaille verdient, die ihr ebenso wie Annett Kaufman zu einem persönlichen Startplatz bei den Europameisterschaften der Damen 2022 in München verhilft – ein Extra-Bonbon der ETTU für die besten Vier im Einzel. Erst die spätere Europameisterin stoppte den Siegeszug ihrer Doppelpartnerin. Kaufmann: „Das ist natürlich schade, dass wir im Halbfinale aufeinandergetroffen sind, im Endspiel wäre es schöner gewesen. Aber der Freundschaft tut das keinen Abbruch, wenn man mal in einem Spiel für eine kurze Zeit zu Gegnerinnen wird.“
Franziska Schreiner lieferte Kaufmann beim 1:4 ein Duell auf Augenhöhe und zog nach dem Gewinn der Bronzemedaille ebenfalls eine positive EM-Bilanz: „Ich bin super glücklich gezeigt zu haben, was in mir steckt. Ich freue mich auch über Bronze, auch wenn ich natürlich gerne einen Schritt weiter gegangen wäre. Aber alles nach der überstanden Gruppenphase war ein Bonus.“ Bundestrainerin Lara Broich lobte: „Großes Kompliment an Franzi. Sie hat hier ein sehr gutes Turnier gespielt. In einem guten Halbfinale haben heute nur Kleinigkeiten den Unterschied ausgemacht.“ Auch zwei deutsche Herren schafften es in die Endrunde: Fanbo Meng (Fulda-Maberzell) unterlag knapp im Viertelfinale, für Cedric Meissner (Bad Homburg) bedeutete das Achtelfinale die Endstation.
Insgesamt sieben deutsche Medaillen in der U21-Statistik
Der Goldmedaillengewinn von Annett Kaufmann ist Deutschlands zweiter in der U21-Damen-Konkurrenz. Bei der Premiere in Sotschi (Russland) 2017 gewann Chantal Mantz das deutsche Endspiel vor Yuan Wan, die die erste von insgesamt drei Silbermedaillen holte. Die beiden weiteren gingen an Dang Qiu, der 2019 Zweiter hinter Tomislav Pucar (Kroatien) wurde. Im Jahr 2019 unterlag Gerrit Engemann im Finale dem Griechen Ioannis Sgouropoulos. Zusammen mit dem dritten Platz für Franziska Schreiner in Spa sowie dem Halbfinaleinzug 2018 von Dennis Klein im Doppel (mit dem Tschechen Polansky) weist der Medaillenspiegel der U21-EM-Statistik nun zweimal Gold, dreimal Silber und zweimal Bronze für deutsche Athleten aus.
DIE SPIELE AM SONTAG, 14. November
Damen-Einzel, Finale
Annett Kaufmann – Mariia Tailakova RUS 4:2 (11,-6,9,8,-7,8)
Halbfinale
Mariia Tailakova RUS – Andreea Dragoman ROU 4:1 (-6,5,9,5,16)
Annett Kaufmann – Franziska Schreiner 4:1 (6,-11,9,6,14)
Herren-Einzel, Finale
Ioannis Sgouropoulos GRE – Maksim Grebnev RUS 4:3 (6,-7,10,-13,9,-10,7)
Halbfinale
Lev Katsman RUS – Ioannis Sgouropoulos GRE 3:4 (7,9,9,-8,-10,-9,-7)
Maksim Grebnev RUS – Irvin Bertrand FRA 4:1 (2,8,6,-10,8)
Damen-Doppel, Finale
Ece Harac/Ozge Yilmaz TUR – Sabina Surjan/Tijana Jokic SRB3:2 (-3,-3,14,9,5)
Herren-Doppel, Finale
Olav Kosolosky/Adrien Rassenfosse BEL – Csaba Andras/Ivor Ban HUN/CRO 3:2 (8,-11,6,-10,10)
Text: DTTB
Foto: Johannes Gohlke