Die Hinspiele der Play-off-Viertelfinals gingen am Gründonnerstag deutlich an die favorisierten Teams. Der TSV Schwabhausen siegte mit 6:2 beim ESV Weil, der TSV Langstadt bezwang die SV Böblingen mit 7:1. Faustdicke Überraschungen gab es lediglich in jeweils einem Match. Weils Polina Trifonova brachte Sabine Winter sensationell die erste Saisonniederlage in der Liga bei. Und dass die 14-jährige Böblingerin Annett Kaufmann die Weltranglisten-19. Petrissa Solja bezwingen würde, hatte zuvor wohl niemand auf der Rechnung gehabt.
Eigentlich ist noch gar nicht so viel passiert. In den Rückspielen am Samstag haben Weil und Böblingen die Chance, den Zähler wieder auf null zu stellen und ein drittes Match zu erzwingen. Da es nicht auf die Höhe der Siege ankommt, würde jeweils bereits ein 5:3 genügen. Ein solcher Coup wäre nach den Eindrücken des Donnerstags eher den Weilerinnen zuzutrauen, der Unterschied zwischen den in Bestbesetzung antretenden Langstädterinnen und den Böblingerinnen ohne Qianhong Gotsch scheint doch zu groß zu sein. Unmöglich ist im Sport aber gar nichts.
ESV Weil – TSV Schwabhausen 2:6
Nach dem chancenlosen 1:7 Mitte Januar im Punktspiel gegen den TSV Schwabhausen, präsentierte sich am Donnerstag vom ersten Ballwechsel an ein anderer ESV Weil, der Entschlossenheit signalisierte, etwas Zählbares aus der Partie mitzunehmen.
Um ein Haar hätte Ievgeniia Sozoniuk gleich zu Beginn ein fettes Ausrufungszeiten gesetzt. Doch der Krimi gegen die erneut starke Mateja Jeger ging nach fünf Sätzen hauchdünn an die Kroatin im Gästeteam (12:10, 5:11. 14:16, 11:1, 12:10). Doch dann schlug die heimliche Nummer eins der Südbadenerinnen zu: Polina Trifonova brachte Sabine Winter die erste Bundesliganiederlage der laufenden Saison bei. Und was das für ein Krimi war! Dieser ging schließlich mit 15:13 im Entscheidungsdurchgang an die Sensationssiegerin aus Bulgarien, die kämpfte, als ob es um ihr Leben ginge, und keinen Ball verloren gab. Und der ESV konnte sogar nachlegen und in Führung gehen dank eines starken Auftritts der Serbin Izabela Lupulesku, die ihrer ungarischen Gegnerin Orsolya Feher nach einem 0:2-Satzrückstand noch ein 3:2 abtrotzte. Es folgte das erste weniger dramatische Match. Sophia Klee, die an diesem Gründonnerstag unter ihren Möglichkeiten blieb, hatte gegen Fehers Landsfrau Mercedesz Nagyvaradi nach gewonnenem erstem Satz nichts mehr zu bestellen – 2:2 zur Pause, keiner mochte Wetten abschließen.
Doch dann ging es mit einem Mal ganz schnell. Der Aufsteiger fand in keinem Match mehr Zugriff und das Gästeteam dominierte plötzlich fast nach Belieben. Sabine Winter spielte sich den Frust von ihrer Auftaktniederlage gegen Ievgeniia Sozoniuk von der Seele (11:5, 11:6, 11:3) und Mateja Jeger hatte kaum weniger deutlich gegen Polina Trifonova, die sich gegen Winter offensichtlich auch mental verausgabt hatte und leer wirkte, das Sagen. Hinten ging dann jeweils noch ein Satz an Weil, doch auch an den Niederlagen von Izabela Lupulesku gegen Mercedesz Nagyvaradi und Sophia Klee gegen Orsolya Feher gab es nichts zu rütteln.
„Wir haben die Sensation leider wieder nicht geschafft“, trauerte Doris Spiess den vergebenen Möglichkeiten ein wenig nach, wollte ihrem Team jedoch auch keinen Vorwurf machen. „Es waren unglaublich gute Spiele, die geboten wurden. Gerade zu Beginn waren die Matches so hart umkämpft. Und dass Polina Trifonova die Siegesserie von Sabine Winter bricht, war sensationell. Beide haben Tischtennis vom Feinsten gezeigt.“ Die Abteilungsleiterin des ESV fährt fort: „Auch das Spiel von Ievgeniia Sozoniuk gegen Mateja Jeger ging über die volle Distanz und nur hauchdünn an Schwabhausen. Bis zum 2:2 zur Pause war noch alles offen, doch danach war der Faden gerissen. Die Schwabhausener Spielerinnen waren dann doch einen Tick souveräner. Deshalb geht der Sieg für Schwabhausen auch voll in Ordnung. Trotzdem war es ein tolles Event und eine Werbung für unseren Sport.“
TSV-Trainer Alexander Yahmed empfand es keineswegs als deutliche Angelegenheit. „Dies war alles andere als ein klarer Sieg, wir waren am Ende froh über das Resultat“, so Yahmed. „Aber gerade am Anfang des Spiels hätte es ganz anders laufen können, als Sabine verloren hat nach einer super Leistung von Polina, die echt sehr, sehr stark spielte. Mateja gewann ganz knapp 3:2, da hätten wir schon 0:2 hinten sein können.“
Helmut Pfeil hatte allen Grund zur Zufriedenheit: „Das war wieder einmal eine starke Mannschaftsleistung. Weil war der erwartet schwere und unangenehme Gegner. Aber nach dem engen Start haben sich unsere Damen konzentriert zurückgekämpft und nach der Pause keine Niederlage mehr zugelassen.“ Der Abteilungsleiter der siegreichen Oberbayern, die gerade die beste Saison ihrer Vereinsgeschichte spielen, ist überzeugt: „Das Rückspiel wird sicher kein Zuckerschlecken. Weil wird alles versuchen, um ein Entscheidungsspiel erreichen zu können. Das wird erneut ein Kampf auf Augenhöhe um jeden Ball werden.“
Das Rückspiel steht am Ostersamstag um 14 Uhr in Schwabhausen auf dem Programm. Der Gewinner dieses Play-off-Viertelfinales muss in der Runde der letzten Vier gegen keinen Geringeren als dem Titelverteidiger und Meisterschaftstopfavoriten ttc berlin eastside an die Tische.
TSV Langstadt – SV Böblingen 7:1
Beide Teams traten in derselben Aufstellung an wie am Sonntag in ihrem letzten Punktspiel, das in der Tendenz kaum anders gelaufen war, nur dass diesmal der Böblinger Ehrenpunkt nicht Rosalia Behringer vergönnt war, sondern der 14-jährigen Annett Kaufmann. Das Toptalent des DTTB konnte den Krimi gegen TSV-Spitzenspielerin Petrissa Solja tatsächlich für sich entscheiden und damit die wohl hochkarätigste Gegnerin ihrer bisherigen Karriere schlagen. Die Experten mögen sich darüber streiten, wo der Höhenflug des sich in solcher Rasanz steigernden schwäbischen Tischtennis-Backfischs enden könnte, wenn sie jetzt bereits die Nummer 19 der Welt in die Knie zu zwingen vermag, doch das soll hier nicht unser Thema sein.
Ohne die aus Furcht vor Corona seit dreieinhalb Monaten pausierende Qianhong Gotsch stand der Gast aus Baden-Württemberg einmal mehr auf verlorenem Posten. Petrissa Solja (3:1 gegen Mitsuki Yoshida) und Dina Meshref (3:1 gegen Annett Kaufmann) brachten die Hessinnen mit 2:0 in Front. Tanja Krämer (gegen Alexandra Kaufmann) und Franziska Schreiner (gegen Rosalia Behringer) bauten die TSV-Führung durch 3:0-Siege – bei dennoch einigen engen Sätzen – auf 4:0 aus. Annett Kaufmanns Paukenschlag gegen Petrissa Solja (4:11, 12:10, 14:12, 11:9) ließ Dina Meshref ein 3:2 über Mitsuki Yoshida zum 5:1 folgen. Tanja Krämer zeigte im Anschluss, dass man sie auch weiter als „Abwehrkillerin“ bezeichnen darf und nahm in beeindruckender Manier Revanche für die Niederlage vom Sonntag gegen Rosalia Behringer (11:7, 12:10, 11:4). Die 19-jährige Franziska Schreiner, die ohnehin eine tolle Saison spielt, hatte wenig Mühe, gegen Alexandra Kaufmann für den Endstand zu sorgen.
In Böblingen freute man sich über den Wahnsinnssieg von Annett Kaufmann über Petrissa Solja. „Wichtig war, dass Annett einen 7:10-Rückstand im zweiten Satz noch umbog“, so Pressewart Manfred Schneider. SVB-Manager Frank Tartsch war voll des Lobes: „Annett zeigte sich deutlich verbessert im Vergleich zum letzten Aufeinandertreffen. Auch eine nach ihrer Schulterverletzung noch nicht wieder in Topform spielende Peti muss man erst einmal schlagen!“ Lob erhielt auch die SVB-Japanerin: „Auch Mitsuki überzeugte, verlor allerdings im fünften Satz mit 8:11 gegen Dina Meshref.“
Vom TSV Langstadt liegen uns diverse Statements zum Spiel vor. Beginnen wir mit zwei Spielerinnen. „Die Niederlage gegen Rosi Behringer am Sonntag hatte schon etwas in mir genagt“, räumte Tanja Krämer ein. „Das wollte ich heute unbedingt besser machen und ich bin froh, dass mir das gelungen ist.“ Zufrieden konnte auch die Ägypterin Dina Meshref sein, die nicht nur gegen Annett Kaufmann – nach zwei mächtig umkämpften Sätzen zum Auftakt – mit 3:1 gewinnen konnte, sondern später auch gegen die Japanerin Mitsuki Yoshida in einem engen Match mit 3:2 die Oberhand behielt. „Ich bin mit meiner Leistung sehr zufrieden, gerade weil es zwei schwere Spiele waren“, so Meshref. „Es ist sehr ungewöhnlich, in so kurzer Zeit mehrmals gegen dieselben Gegner zu spielen.“
Auch der Trainer hatte nichts zu bemängeln. „Wir haben die Favoritenrolle angenommen und uns souverän durchgesetzt“, stellte Thomas Hauke fest. „Dennoch waren teilweise wieder enge Spiele dabei, die wir aber fast alle zu unseren Gunsten entscheiden konnten.“ Und der Sportliche Leiter des ambitionierten Klubs aus Südhessen, Manfred Kämmerer, freute sich, dass sein Team auf gutem Kurs zu sein scheint: „Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Die Mannschaft hat das heute sehr gut gemacht. Jetzt möchten wir natürlich auch das zweite Spiel gewinnen und ins Halbfinale einziehen.“
Das Rückspiel findet am Samstag um 12 Uhr in der Böblinger Paladion-Halle statt. Der Sieger des maximal drei Partien umfassenden Duells – ein eventuelles drittes Match würde am 6. April in Langstadt ausgetragen – trifft im Halbfinale in der Außenseiterrolle auf den SV DJK Kolbermoor.
Beitragsbild oben: Sensation in Weil: Polina Trifonova mit hoch negativer Punktrundenbilanz bezwang Sabine Winter, die bis dahin 16:0 stand.
Text & Fotos (4): Dr. Stephan Roscher