Die Hongkong Open liegen hinter uns. Auch wenn China nur wenige Top-Asse schickte, konnten in keinem Wettbewerb Europäer in die Medaillenränge vorstoßen. Die Einzel- und Doppel-Titel gingen alle an das Reich der Mitte. Das Auftreten der DTTB-Spieler war in Ordnung, auch wenn der große Coup ausblieb.
Lin Gaoyuan und Tomokazu Harimoto dominieren Herren-Turnier
Bei den Herren ging es ganz oben absolut setzungskonform zu. Es gewann der einzige chinesische Topspieler, zumindest wenn man das Ranking der ITTF zugrunde legt. Der an eins gesetzte Lin Gaoyuan besiegte zunächst einen starken Ricardo Walther (4:2) sowie dann nacheinander seine Landsleute Ma Te (4:0), Wang Chuqin (4:2) und Liang Jingkun (4:1), um sich im Finale an Tomokazu Harimoto schadlos zu halten. Der Japaner lag zwischenzeitlich zwar mit 2:1 Sätzen in Führung, konnte danach jedoch nicht mehr zulegen, während der Weltranglisten-Zweite nochmals eine Schippe draufpackte und am Ende doch noch relativ souverän gegen den 15-Jährigen in sechs Durchgängen gewann. Der an zwei gesetzte Harimoto hatte zuvor Jon Persson (4:2), Quadri Aruna (4:0), seinen Landsmann Jun Mizutani (4:1) sowie Zhou Yu (4:1) ausgeschaltet.
Von den deutschen Spielern kam einmal mehr Timo Boll am weitesten. Der Weltranglisten-Sechste hatte allerdings in Hongkong nicht einen wirklich souveränen Auftritt. Gegen Kamal Sharath Achanta und Maharu Yoshimura gab es jeweils 4:3-Zittersiege, doch im Viertelfinale musste der 38-Jährige gegen Zhou Yu nach guter Leistung eine Sieben-Satz-Niederlage hinnehmen.
Bis ins Viertelfinale (0:4 gegen Liang Jingkun) schaffte es auch der künftige Werderaner Mattias Falck. Der Schwede deutete gegen Kazuhiro Yoshimura (4:0) und Wong Chun Ting (4:3) an, weshalb die WM in Budapest zu seinem Triumphzug wurde. Allerdings hatte er da auch eine günstige Auslosung. Gegen starke Chinesen scheint er – bei aller Qualität – eher wenig zu reißen.
Ins Achtelfinale gelangten von den aktuellen Bundesliga-Assen Benedikt Duda (4:1 gegen Ho Kwan Kit, 1:4 gegen Liang Jingkun) und Simon Gauzy (4:3 gegen Lee Sangsu, 1:4 gegen Wang Chuqin).
Von den DTTB-Spielern enttäusche lediglich Patrick Franziska – zumindest gemessen an seinen vielen bärenstarken Auftritten der letzten Monate. Bereits in der ersten Hauptrunde musste der Bensheimer dem Japaner Maharu Yoshimura nach einem 0:4 gratulieren und besaß lediglich zu Anfang die Chance auf einen Satzgewinn. Man muss Franziska aber auch das Recht zubilligen, nach so vielen guten Turnieren einmal ein schlechtes zu spielen.
Wang Yidi entzaubert Mima Ito
Bei den Damen sicherte sich Wang Yidi die Goldmedaille samt Siegerscheck in Höhe von 18.600 Dollar. Zwar ist die 22-jährige Chinesin gemäß ITTF-Ranking nur die Nummer 46 der Welt, doch reichte ihr Niveau aus, um sich ungefährdet von der Qualifikation bis zum Turniersieg zu spielen und im Finale der Weltranglisten-Siebten Mima Ito, die in der Woche zuvor noch Ding Ning bei ihrem Heimturnier in China entzaubert hatte, nach Belieben zu beherrschen (11:3, 11:7, 11:5, 11:6).
Zum einen zeigt das die Schwächen des aktuellen Weltranglisten-Systems auf, zum anderen führt es aber auch zu der Erkenntnis, dass auch die Chinesinnen aus der zweiten Reihe ohne weiteres in der Lage sind, die Top-Japanerinnen in die Schranken zu weisen.
Europäerinnen sind derzeit schon gar nicht imstande, da mitzuhalten. Die scheitern in aller Regel bereits an den Top-Japanerinnen. Am weitesten kam einmal mehr die hoch aufgeschossene Österreicherin Sofia Polcanova, die zwar optisch wenig spektakulär agiert, jedoch sehr sicher und ohne große Schwankungen spielt. Sie ist derzeit eindeutig die beste Europäerin. In Hongkong schaltete sie immerhin Soo Wai Yam Minnie (4:1) sowie die favorisierte Doo Hoi Kem (4:1) aus, bevor sie die Überlegenheit von Mima Ito beim 1:4 anerkennen musste.
Einigermaßen zufrieden sein durfte Berlins Spitzenspielerin Shan Xiaona, die immerhin die erste Runde überstand und dabei die Weltranglisten-24. Chen Szu-Yu (Taiwan) aus dem Turnier warf. Anschließend war aber nach einem 2:4 gegen Singapurs Spitzenspielerin Feng Tianwei das Turnier für die in China geborene DTTB-Spielerin beendet, die sich nach ihrer Babypause erst allmählich im Welt-Ranking wieder nach oben spielen muss.
Chinesen glänzen auch in den Doppeln
Auch im Herren-Doppel stand China am Ende ganz oben auf dem Treppchen. Liang Jingkun und Lin Gaoyuan, letzterer mit zwei Goldmedaillen erfolgreichster Spieler des Turniers, hatten im Finale die an drei gesetzten Südkoreaner Jang Woojin/Lim Jonghoon über weite Strecken im Griff und gewannen mit 3:1. Die deutsche Top-Formation Timo Boll/Patrick Franziska – in Shenzhen noch siegreich – hatte in Hongkong auf den Start verzichtet.
Das wertvollste Edelmetall schnappte sich China auch im Damen-Doppel. Die lediglich an Position sieben gesetzten Chen Ke/Mu Zi, eigentlich ein Gelegenheits-Doppel, setzten sich im Endspiel mit 3:1 gegen die hoch gehandelten Südkoreanerinnen Jeon Jihee/Yoo Eunchong durch und spielten nach verlorenem erstem Satz ihre Kontrahentinnen in Grund und Boden.
Lediglich im Mixed durfte sich eine andere Nation in die Siegerliste eintragen. Doch auch hier setzten sich Chinesen durch, allerdings solche aus Taiwan. Lin Yun-Ju/Cheng I-Ching hatten beim 3:0 im Finale überraschend wenig Mühe mit dem Korea-Duo Lee Sangsu/Choi Hyojoo, das in der Vorschlussrunde immerhin die Chinesen Zhou You/Chen Xingtong ausgeschaltet hatte.
Die Honkong-Open waren einmal mehr eine einzige Demonstration der Ostasiatinnen, wobei China mit vier Goldmedaillen den Vogel abschoss – besonders hoch zu bewerten, da bei den Herren ein einziger Topmann aus dem Reich der Mitte am Start war und bei den Damen nur die sogenannte zweite Kategorie.
Final-Ergebnisse
Herren-Einzel
Lin Gaoyuan CHN – Tomokazu Harimoto JPN 4:2 (11:3, 7:11, 8:11, 11:6, 11:9, 11:7)
Damen-Einzel
Wang Yidi CHN – Mima Ito JPN 4:0 (11:3, 11:7, 11:5, 11:6)
Herren-Doppel
Liang Jingkun/Lin Gaoyuan CHN – Jang Woojin/Lim Jonghoon 3:1 (6:11, 11:6, 12:10, 11:8)
Damen-Doppel
Chen Ke/Mu Zi CHN – Jeon Jihee/Yoo Eunchong KOR 3:1 (9:11, 11:1, 11:4, 11:5)
Mixed
Lin Yun-Ju/Cheng I-Ching CHN – Lee Sangsu/Choi Hyojoo KOR 3:0 (11:8, 11:3, 11:7)
Seamaster 2019 Hong Kong Open auf der Webseite der ITTF
Text: Dr. Stephan Roscher
Fotos (2): ITTF