Der erste Hauptfeld-Tag der Austrian Open in Linz war kein wirklich guter Tag für die Asse des Deutschen Tischtennis-Bundes. Von fünf Spielerinnen und Spielern überstand lediglich Timo Boll die 1. Runde unbeschadet. Und die deutschen Doppel sind auch ausgeschieden.
Der an drei gesetzte Timo Boll zitterte sich zu einem hauchdünnen Sieben-Satz-Sieg über Patrick Franziska, der so dicht vor der Wachablösung – zumindest in diesem Turnier – gestanden hatte. Im DTTB-Duell, gleichzeitig die inoffizielle Odenwald-Meisterschaft, war der elf Jahre jüngere Herausforderer nämlich gleichwertig. Zwar hatte Boll die ersten beiden Sätze noch recht gut im Griff, doch kam Franziska mächtig auf und konnte seinerseits mit 3:2 in Führung gehen. Der Weltranglistenvierte egalisierte und der Entscheidungsdurchgang war nichts für schwache Nerven. Franziska schien bei einer 10:8-Führung auf der Siegerstraße, doch Boll wäre nicht Boll, wenn er sich seinem vermeintlichen Schicksal ergeben hätte. Der „Maestro“ wehrte die beiden Matchbälle ab und schaukelte schließlich den Satz mit 13:11 und damit das Match nach Hause (11:7, 11:8, 9:11, 3:11, 10:12, 11:6, 13:11). Somit wahrte er seine Chance auf die mit einer Million Dollar dotierten Grand Finals in Südkorea (13.-16 Dezember). Dazu muss er in Linz mindestens das Viertelfinale erreichen. Ein Sieg fehlt also noch.
Franziska ist dagegen bereits qualifiziert und darf sich auf das Mega-Turnier der 16 Jahresbesten freuen. Dennoch ärgerte sich der Unterlegene zunächst einmal, den Sack nicht zugemacht zu haben: „Das ist natürlich sehr ärgerlich und so eine Niederlage tut weh. Ich habe ein sehr gutes Spiel gemacht, auch wenn mir das erst einmal nicht hilft: Es ist eben erst vorbei, wenn es vorbei ist.“ Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf resümierte: „Zwei vergebene Matchbälle, das ist natürlich erst einmal bitter für Patrick, aber er wird das verdauen. Er zeigt, dass er einem so großen Spieler wie Timo Boll immer etwas näher kommt. Das ist sehr erfreulich für ihn und für das deutsche Tischtennis.“ Boll trifft am Freitag um 15.10 Uhr im Achtelfinale auf den Chinesen Zheng Peifeng, der Chuang Chih-Yuan ausschalten konnte. In der Weltrangliste steht der 22-Jährige, der 2018 die Czech Open gewann, nach nur vereinzelten Auftritten derzeit auf Position 148. Boll weiß nicht so recht, was ihn erwartet: „Mal abwarten, wie es wird. Ich habe noch nie gegen ihn gespielt.“
Dimitrij Ovtcharov hat – nach seinen guten Auftritten bei den Swedish Open – wieder einen kleinen Rückschlag erlitten. Sein Turnier-Aus in der 1. Runde war nicht eigeplant. Natürlich wusste er, dass der erst 17-jährige Taiwaner Lin Yun-Ju, der unter anderem Kristian Karlsson aus dem Turnier geworfen hatte, ein richtig gefährlicher Gegner ist. Dennoch hatte er ihn eine Woche zuvor in Stockholm noch mit 4:1 bezwungen. Etwas Pech kam auch hinzu, da „Dima“ drei der sechs Sätze in der Verlängerung verlor, so dass schließlich ein 14:12, 10:12, 12:10, 12:10, 7:11 und 11:7 zugunsten des junge Asiaten auf dem Bogen stand.
Jörg Roßkopf gab nach dem Match zu Protokoll: „Lin ist natürlich ein junger, talentierter Spieler, der aus dem Match der Vorwoche dazugelernt hat. Vorentscheidend aus meiner Sicht war die nicht genutzte 9:7-Führung im ersten Satz. Den Satz hätte Dima gebraucht, so wie in der Vorwoche in Schweden. Dima hat leider heute pro Satz zwei, drei relativ leichte Bälle liegen lassen, was auf diesem Niveau dann die entsprechenden Folgen hat. Daran und an ein paar kleinen anderen Sachen muss er weiter arbeiten, und dann wird das auch.“
Ein stark aufspielender Ricardo Walther war gegen den favorisierten Japaner Jun Mizutani dem Achtelfinale sehr nahe, konnte jedoch den Sack nicht zumachen. Eine 3:1-Satzführung und ein 8:6-Vorsprung im fünften Durchgang reichten dem Grünwettersbacher TTBL-Profi nicht zum Weiterkommen – am Ende hieß es 12:10, 2:11, 11:7, 11:5, 12:14, 6:11, 3:11 aus Sicht des 26-jährigen Deutschen.
Jörg Roßkopf lobte ihn dennoch: „Ricardo hat wie auch an den Tagen zuvor erneut eine starke Leistung geboten. Ein 4:1 wäre durchaus ein verdientes Ergebnis gewesen, das hätte nach dem Spielverlauf bis dahin niemanden überrascht. Aber dann hat Jun seine Taktik geändert, ist näher am Tisch geblieben und hat das Spiel mehr mit seiner Vorhand diktiert.“
Petrissa Solja hat bei den Austrian Open einen sehr guten Eindruck hinterlassen und konnte – trotz ihrer Niederlage am Donnerstag – auch der Weltranglistenfünften Wang Manyu fast auf Augenhöhe begegnen. Die Mixed-WM-Dritte leistete der Top-Chinesin in einem attraktiven Match heftigen Widerstand. Im fünften Satz lag die derzeitige Nummer 44 der Welt mit 10:8 vorne und stand dicht vor dem 2:3-Anschluss. Am Ende hieß es jedoch 11:8, 11:7, 14:16, 11:8, 12:10 zugunsten der Asiatin. Zuvor hatte Solja in der Qualifikation die Weltranglisten-27. Lee Ho Ching (Hongkong) ausgeschaltet. Bei den Swedish Open hatte Solja die Weltranglistenneunte Miu Hirano (Japan) bezwungen und anschließend der ehemaligen Weltranglistenersten Liu Shiwen (China) gratulieren müssen, die sie ebenfalls richtig fordern konnte. In der Dezember-Weltrangliste dürfte sich die 24-jährige Pfälzerin, die in der Bundesliga für Aufsteiger TSV Langstadt aufschlägt, in die 30er-Region des ITTF-Rankings verbessern. Im März 2016 hatte Solja schon einmal auf Platz 13 gestanden – und da möchte sie mittelfristig wieder hin.
Das Doppel-Achtelfinale bedeutete die Endstation für die drei involvierten Paarungen mit DTTB-Beteiligung – etwas enttäuschend, denn eigentlich hatte man sich mehr versprochen. Im Fall des deutsch-dänischen Herren-Doppels Patrick Franziska/Jonathan Groth kam das Turnier-Aus allerdings durch höhere Gewalt zustande. Groth musste verletzungsbedingt passen, so dass die belgischen Bundesligaspieler Martin Allegro/Florent Lambiet kampflos weiterkamen. Die Enttäuschung betrifft eher den Doppel-Wettbewerb der Damen, wo man auf deutsche Medaillen spekuliert hatte. Dort schieden die Europameisterinnen Kristin Lang/Nina Mittelham gegen Doo Hoi Kem/Lee Ho Ching (Hongkong) nach einem 1:3 aus. Den EM-Dritten Petrissa Solja/Sabine Winter erging es beim glatten und überraschenden 0:3 gegen Jeon Jihee/Jang Haeun (Südkorea) noch übler.
Eine Trumpfkarte hat der DTTB indes noch im Ärmel. Im Mixed „überlebte“ von vier deutschen Kombinationen zwar nur eine das Achtelfinale, doch es könnte durchaus noch eine Medaille herausspringen. Die Mixed-Europameister Ruwen Filus/Han Ying spielen nach einem 3:2-Erfolg über die Ungarn Adam Szudi/Szandra Pergel am Freitag gegen die südkoreanisch-nordkoreanische Kombination Jang Woojin/Cha Hyo Sim um den Einzug in die Medaillenränge. Das deutsche Defensiv-Duo muss aber auf der Hut sein. Das gegnerische Duo ist kein unbeschriebenes Blatt und gewann im Juli auf Anhieb die Korea Open.
DAS DEUTSCHE AUFGEBOT BEI DEN AUSTRIAN OPEN (6.11.-11.11.)
Damen: Han Ying (KTS Zamek Tarnobrzeg/Polen), Kristin Lang (SV DJK Kolbermoor), Chantal Mantz (TTG Bingen/Münster-Sarmsheim), Nina Mittelham (TTC berlin eastside), Petrissa Solja (TSV Langstadt), Wan Yuan (TTG Bingen/Münster-Sarmsheim), Sabine Winter (SV DJK Kolbermoor)
Herren: Timo Boll (Borussia Düsseldorf), Benedikt Duda (TTC Bergneustadt), Ruwen Filus (TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell), Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken TT), Nils Hohmeier (TuS Celle), Steffen Mengel (Post SV Mühlhausen), Kilian Ort (TSV Bad Königshofen), Dimitrij Ovtcharov (Fakel Gazprom Orenburg/Russland), Qiu Dang (ASV Grünwettersbach), Bastian Steger (SV Werder Bremen), Ricardo Walther (ASV Grünwettersbach)
Seamaster 2018 Austrian Open auf der Webseite der ITTF
Text & Fotos (2): Dr. Stephan Roscher