Mi, 27. November 2024
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Langstadts Premieren-Coup in „Starbesetzung“

Es war eine tolle Erstliga-Pemiere des TSV Langstadt beim 6:3 gegen Böblingerinnen, die von einem Remis gar nicht so weit entfernt waren. Überraschend hatte der Aufsteiger nicht nur die angekündigte Cheng Hsien-Tzu aufgeboten, sondern auch noch Petrissa Solja.

Viele hatten angenommen, dass die Weltranglisten-49. so unmittelbar vor der EM in Alicante kein Punktspiel mehr bestreiten würde.

Erfolgreichste Akteurin war vor fast 300 Fans jedoch Qianhong Gotsch, letzte Saison mit 20:3 beste Spielerin der Liga. Die gerade 50 gewordene „Hongi“ konnte beide Einzel gewinnen und sprudelte nur so vor Elan und Ehrgeiz. Ihr Sieg gegen Cheng stand nie wirklich in Frage, da die Taiwanerin zu ungeduldig war und Gotsch schon in diesem Match kämpfte, als ginge es um ihr Leben.

Gegen eine wirklich starke Solja setzte sie noch einen drauf und fischte alles, was irgendwie erreichbar war – auch ein paar eigentlich unerreichbare Bälle kamen zurück –, und immer mit viel Schnitt und flach über das Netz. Es war ein begeisterndes Duell zweier gleichwertiger Spielerinnen, die Zuschauer waren völlig aus dem Häuschen. Tischtennis auf diesem Niveau sieht man nicht alle Tage und hatte man natürlich in der Langstädter Eckehard-Colmar-Halle nie zuvor erlebt. Gotschs Sieg mit 13:11 im fünften Satz hing am seidenen Faden, eigentlich hatten beide den Sieg verdient. Solja trug es mit Fassung. „Das war das beste Spiel gegen Hongi, das ich je gemacht habe“, so die deutsche Nationalspielerin. „Ich habe immer gegen sie verloren, aber so knapp wie heute noch nie. [Augenzwinkernd] Das nächste Mal erwische ich sie!“ Mit Blick auf Alicante ist die prominente Linkshänderin guter Dinge: „Ich bin gut drauf und fühle mich absolut fit für die EM.“

Für Böblingen, das ein bisschen Pech mit der Doppelaufstellung hatte und eigentlich gehofft hatte, dass Gotsch/Stähr nicht auf Langstadts Top-Duo treffen würde – auch der TSV hatte vorher darauf spekuliert, dass Solja/Cheng gegen Kraft/Kaim spielen würden – nahm das Unheil mit den Doppeln seinen Lauf. Man musste fortan ständig gegen einen Rückstand anrennen, da sowohl Kraft/Kaim (0:3 gegen Lemmer/Bundesmann) als auch Gotsch/Stähr (2:3 gegen Solja/Cheng) den Kürzeren zogen. Der Sieg des Langstädter Einser-Doppels, das nicht ein einziges Mal im Training getestet worden war, über Böblingens bewährte Defensiv-Formation überraschte schon ein wenig – ungeachtet der spielerischen Klasse von Solja und Cheng. Immerhin waren Gotsch/Stähr 2017/18 das erfolgreichste Doppel der Liga. Nach 2:2 Sätzen hatten die Langstädterinnen im Entscheidungsdurchgang plötzlich einen Lauf und trafen nahezu jeden Ball mit tödlicher Präzision bis zum 11:2-Endstand.

Für Langstadt waren in den Einzeln Solja und Cheng – jeweils gegen Rosalia Stähr – und die sich in Bestform präsentierende Alena Lemmer mit Siegen über Julia Kaim und Theresa Kraft erfolgreich. Krafts souverän herausgespielter Punkt gegen Janina Kämmerer blieb letztlich Ergebniskosmetik, da sie nicht nachlegen konnte. Die 23-Jährige macht nach längerer Durststrecke – mehrfach zurückgeworfen durch Verletzungen und Erkrankungen – wieder einen guten und sehr fokussierten Eindruck, musste sich aber in ihrem zweiten Einzel der überragenden Lemmer mit 16:18, 8:11 und 9:11 beugen.

Für den TSV Langstadt hat das Abenteuer 1. Liga verheißungsvoll begonnen, während die Sportvereinigung Böblingen sicher noch ihre Punkte machen wird und durchaus Chancen besitzt, diesmal die Play-offs zu erreichen. Zumal man vermutlich durchgehend in starker Besetzung spielen wird und mit der 51-jährigen Yanhua Yang-Xu noch eine erfahrene Nummer zwei in der Hinterhand hat.

Bei Langstadt muss man abwarten, wer wann zum Einsatz kommen wird. Beim Auftaktspiel war schon bei manchen Zuschauern ein ungläubiges Erstaunen zu registrieren, wie groß der Unterschied zwischen 1. und 2. Liga ist und was der TSV an Stars aufbieten musste, um das letztjährige Tabellenschlusslicht auf Distanz zu halten. Mit Solja und Cheng wird man eben nur selten antreten, eher mit Solja oder Cheng, so dass den fünf Spielerinnen, die den beiden in der Aufstellung folgen, im Lauf der Saison eine eminent wichtige Rolle zufallen wird. Akklimatisieren sie sich rasch im Oberhaus – bei Alena Lemmer war der Auftakt ja bereits vielversprechend – sind die Play-offs durchaus erreichbar.

Nach der Partie ging für die achtjährige Josephine „Josi“ Neumann, Tochter der Langstädter Drittligaspielerin Cornelia Neumann-Reckziegel, ein kleiner Traum in Erfüllung. Das Tischtennis-Küken, das in Deutschland in seiner Altersstufe keine adäquaten Gegnerinnen findet, als das Megatalent überhaupt gilt und so bald wie möglich bei den Damen spielen möchte (ein erster Antrag des TSV auf Freistellung wurde abgelehnt, doch man bleibt am Ball), durfte vor dem Abbau der Tische zehn Minuten mit seinem großen Idol Petrissa Solja spielen. Und die staunte nicht schlecht, wie unbekümmert und fröhlich lächelnd ihre kleine Gegnerin sie mit beherzten Angriffsschlägen unter Druck setzte. Solja: „Sie wird mal besser als ich.“ Und das war nicht nur so daher gesagt. Man muss dazu wissen, dass Josi Neumann schon mit Sechs begeisterter Solja-Fan war und der damals noch für Berlin aufschlagenden Nationalspielerin bereits beim Pokal-Qualifikationsturnier 2016 in Seligenstadt ein selbstgemaltes Bild als Präsent überreicht hatte – zu einer Zeit, als noch keiner im Traum daran dachte, dass die damalige Weltranglisten-14. eines Tages das Trikot des TSV Langstadt tragen würde.


Stimmen zum Spiel 

Andrzej Kaim (Trainer Böblingen) 

„Wenn wir die Doppel besser treffen, also Gotsch/Stähr gegen das schwächere Langstadter Doppel, wäre ein Unentschieden drin gewesen. Hongi war megastark, Alena Lemmer hat einen guten Tag erwischt.“ 

Alena Lemmer (Langstadt) 

„Heute ist es wirklich spitze bei mir gelaufen, ich hatte von Anfang an ein gutes Gefühl und habe die Chancen, die sich mir geboten haben, konsequent genutzt. So darf es gerne weitergehen.“ 

Cheng Hsien-Tzu (Langstadt) 

„Mein erstes Spiel war sehr schwierig, ich musste mich so konzentrieren und die Gegnerin war sehr sicher. Leider hat es nicht gereicht. Im zweiten Spiel war ich im Kopf besser und das Doppel war auch recht gut. Ich freue mich, etwas zum Sieg meiner Mannschaft beigetragen zu haben.“  

„Es ist für mich das erste Mal in Deutschland, auch wenn ich schon bei den German Open mitgespielt habe, aber noch nie in einem Verein und in der Bundesliga. Ich bin begeistert. Das sportliche Niveau ist sehr hoch und meine Teamkolleginnen sind alle sehr sympathisch. Überhaupt wurde ich in Langstadt von den Menschen unglaublich freundlich aufgenommen. The people here are so nice.“ 

Petrissa Solja (Langstadt)  

„Ich hatte mich nach dem Pokalturnier in Seligenstadt besonders auf die Heimpremiere gefreut. Und der Auftakt in Langstadt war noch besser, als ich es mir vorgestellt hatte. Und ich hatte mir schon viel versprochen. Unglaublich, wie die Zuschauer hinter mir und natürlich hinter der ganzen Mannschaft gestanden haben!“ 

Thomas Hauke (Trainer Langstadt):

„Besser geht es nicht! Ein erfolgreicher Bundesliga-Einstand gegen einen guten Gegner und hochklassige Spiele, besonders das von Petrissa gegen Gotsch war spitze. Aber wir waren als Team stark – und das zählt. Ich denke, wir haben heute Werbung für die Damen-Bundesliga machen können.“ 

„Eigentlich haben wir die Doppel-Aufstellung nicht wie gewünscht getroffen. Petrissa und Cheng sollten nämlich gegen das schwächere Böblinger Doppel spielen. [Augenzwinkernd] Gottseidank haben wir diesen „Fehler“ gemacht.“ 

Manfred Kämmerer (Team-Manager Langstadt): „Eine tolle Bundesliga-Premiere, bei der alles gepasst hat, auch das Organisatorische. Mit diesem Sieg im Rücken können wir ganz entspannt in unser nächstes Spiel in 14 Tagen bei Vizemeister Bingen gehen.“

 

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In der zweiten Samstagspartie konnte sich der stark verjüngte Vizemeister TTG Bingen/Münster-Sarmsheim in einem verbissenen 225-Minuten-Fight mit 6:4 in Waldbronn gegen den TV Busenbach behaupten. Den Siegpunkt für die TTG sicherte die italienische Meisterin Giorgia Piccolin durch ein 3:2 gegen die 16-jährige Franziska Schreiner, die ihr großes Potenzial zumindest andeutete.

 

Der 1. Spieltag

TSV 1909 Langstadt – SV Böblingen 6:3

TV Busenbach – TTG Bingen/Münster-Sarmsheim 4:6

ttc berlin eastside – TuS Bad Driburg 5:5

TTK Anröchte – SV DJK Kolbermoor 2:6

 

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Text & Fotos (8): Dr. Stephan Roscher

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