Nach der Katastrophen-Saison 2017/18, die man mit ganzen vier Pluspunkten auf dem letzten Tabellenplatz abschloss, will der TTC Zugbrücke Grenzau nun wieder angreifen. Man setzt auf ein radikal verjüngtes Team und mannschaftliche Geschlossenheit.
Der anvisierte Platz unter den Top 8 der Liga dürfte dennoch nicht leicht zu realisieren sein, denn dazu müsste man mindestens drei Teams auf Distanz halten. Jülich könnte man hinter sich lassen, sowie – wenn es gut läuft – vielleicht auch noch Bad Königshofen, aber dann wird es eng.
Allzu tief hat man, vermutlich den Möglichkeiten entsprechend, wohl nicht in die Tasche gegriffen, um das neue Quartett zusammenzustellen – andererseits ist munteres Geldausgeben noch keine Garantie für eine funktionierende Truppe. Vom alten Kader ist nur der 21-jährige Kirill Gerassimenko geblieben – Jörg Schlichter ist zwar weiter an Bord, wurde aber in der 2. Mannschaft (Verbandsoberliga) gemeldet. Der Weltranglisten-40. aus Kasachstan zeigt zwar international durchaus ambitionierte, teilweise spektakuläre Auftritte, in der TTBL lief es in der Auftaktsaison mit einer 5:19-Bilanz jedoch eher bescheiden. Gerasimenko soll folglich diesmal den Durchbruch in Deutschlands Topliga schaffen. Und das ist ihm auch zuzutrauen. Er ist die eindeutige Nummer eins, hinter ihm finden wir die Neuzugänge Mihai Bobocica, Anders Lind und Marcelo Aguirre auf der Meldeliste. Auch wenn das insgesamt nicht gerade üppig klingen mag, präsentierten sich die Westerwälder vorgestern bei der Mannschaftsvorstellung überaus optimistisch der Presse.
Tom Neumann schreibt dazu auf der Homepage des TTC: „Manchmal sind die kleinen Signale viel mehr wert als die großen Worte: Sie lachen, sie flachsen, sie legen beim Teamfoto den Arm auf die Schulter des Trainers, sie reden viel mit den geladenen Gästen, überwinden vermeintliche Sprachbarrieren mit viel Offenheit und einem Lächeln. Wer das neue Team des Tischtennis-Bundesligisten TTC Zugbrücke Grenzau bei der Saisoneröffnungs-Pressekonferenz im Hause von Hauptsponsor Hotel Zugbrücke erlebte – und dabei nicht nur den Worten lauschte, die ganz offiziell gesprochen wurden – der bekam schnell den Eindruck: Da ist eine Mannschaft zusammen, die sportlich zwar zumeist als Außenseiter an den Tisch gehen wird, die aber über das Gemeinschaftsgefühl viel erreichen kann.“
Und Cheftrainer Dirk Wagner betont: „Wir haben die Mannschaft so zusammengestellt, dass es auch menschlich passt.“ Wagner weiß, wovon er redet. krankte es doch im alten Team an mangelnder Kommunikation, zu inhomogen war seinerzeit der Kader zusammengestellt worden. Mit allen Neuen hat der erste Mann auf der Grenzauer Kommandobrücke schon zusammengearbeitet, mit Bobocica und Aguirre an der Werner-Schlager-Academy in Schwechat und mit dem „Nesthäkchen“, dem 19-jährigen Dänen Anders Lind, in Grenzau selbst, da Lind dort schon länger trainiert. „Wir würden gerne unter die besten acht Teams der Liga kommen“, so Wagner. „Wir wissen aber auch, dass wir dafür oftmals nicht nur an unsere Grenze, sondern auch darüber hinaus gehen müssen.“
Kirill Gerassimenko geht optimistisch in sein zweites Bundesligajahr: „Ich habe in den vergangenen Wochen in meiner Heimat Kasachstan und in China sehr hart trainiert und freue mich auf die neue Saison. Ich möchte mich weiter verbessern und alles geben – für den Verein und für die Zuschauer.“
Der „Oldie“ im Team ist der 31-jährige Italiener Mihai Bobocica, der die Bundesliga noch aus jungen Jahren kennt. „Ich habe 2007 für Ochsenhausen gespielt und danach, so glaube ich heute, den Fehler gemacht, die Bundesliga wieder zu verlassen“, sagt der derzeitige Weltranglisten-91. „Das hier ist die stärkste Liga Europas und ich freue mich nun darauf, in genau dieser Liga für Grenzau zu spielen.“
Mit Anders Lind hat man sich fraglos ein großes Talent geangelt, ob sich der Däne allerdings auf Anhieb im Oberhaus etablieren kann, bleibt abzuwarten. Der U21-Europameister im Doppel von 2017 traut es sich zu – die aktuelle Nummer 117 der Welt möchte gerne demnächst in den Medien über sich die Headline „Danish Boy surprises!” lesen. „Ich freue mich auf diese neue Herausforderung und kann es kaum erwarten, dass es wieder losgeht.“ Für das Doppel, das ja künftig beim Stand von 2:2 die Entscheidung bringt, ist der vom Zweitligisten FSV Mainz 05 gekommene Lind mit Sicherheit immer eine Option. Das ist eine seiner großen Stärken. Auch im Einzel erhofft sich Dirk Wagner einiges von dem jungen Dänen.
Auch der aus Paraguay stammende Marcelo Aguirre – die Westerwälder hatten zuletzt 2016/17 mit Alberto Mino (Ecuador) einen Südamerikaner unter Vertrag – brennt auf den Saisonstart. „Grenzau bietet mir eine tolle Chance“, so der 25-jährige Weltranglisten-106. „Ich möchte dieses Vertrauen zurückgeben und dem Team mit allem, was ich geben kann, helfen.“
Ein Vorteil für die drei Neuen mag das relativ „leichte“ Auftaktprogramm sein, um sich in der Liga zu aklimatisieren. Die Brexbachtaler gastieren am 19. August bei Aufsteiger TTC indeland Jülich Oktober und empfangen am 31.08. in der Zugbrückenhalle den TSV Bad Königshofen. Andererseits steht man gegen beide schon unter Zugzwang, sofern man tatsächlich Platz acht erreichen will. Dann sind nämlich vier Punkte geradezu Pflicht. Nach Jülich mag man als leichter Favorit fahren, Bad Königshofen dürfte dagegen einen Tick stärker besetzt sein – doch genau das sind die Herausforderungen, auf die man sich im Westerwald freut, nämlich über den Team Spirit gegen scheinbar überlegene Gegner zu Erfolgen zu kommen.
Text & Foto Gerassimenko: Dr. Stephan Roscher
Teamfoto: TTC Zugbrücke Grenzau (Tom Neumann)