Nicht selten schaffen es Japaner in Endspiele, große Titel bleiben ihnen indes meist versagt, wenn die Gegner aus China kommen. Anders bei den Japan Open 2018, bei denen sich Tomokazu Harimoto und Mima Ito sensationell die Einzeltitel sicherten.
Timo Boll hätte vielleicht den Triumph des 14-jährigen Harimoto verhindern können, aber nur vielleicht. Der 37-Jährige hatte nämlich schon zum Halbfinale passen und sein Match gegen den wieder erstarkten Zhang Jike kampflos abgeben müssen. Eine Nackenverletzung, zugezogen im dennoch siegreich bestrittenen Viertelfinal-Match gegen Kenta Matsudaira, zwang den 37-jährigen Odenwälder zur vorzeitigen Abreise. „Ans Spielen war gar nicht zu denken“, ließ Boll keinen Zweifel aufkommen. „Meine Verletzung sitzt an ähnlicher Stelle wie mein Bandscheibenvorfall vor zwei Jahren.“
So kam es zum Finale zwischen Harimoto, der 2017 in Olmütz bei den Czech Open seinen ersten und bis dahin einzigen World-Tour-Titel bei den Herren errungen hatte, und dem an Titeln reich dekorierten, 30-jährigen Zhang Jike, der es in Kitakyushu bei seinem ersten World-Tour-Finale seit 2016 nochmals wissen wollte. Zhang war infolge des ausgefallenen Halbfinales der frischere Spieler – letzte Woche hatte er in der 1. Runde der China Open in Shenzhen noch mit 0:4 gegen den jungen Japaner verloren. Dieser musste bei seinem Heimturnier in der Vorschlussrunde erst noch den koreanischen Weltranglistenachten Lee Sangsu ausschalten, was nach dem großem Viertelfinal-Coup gegen Ma Long kein Selbstläufer war und sich über sechs Sätze erstreckte.
Im Endspiel dominierte zunächst der frühere Weltmeister und Olympiasieger, der die ersten beiden Durchgänge gewann und später nochmals mit 3:2 Sätzen in Front lag. Harimoto konnte immer wieder egalisieren, hatte aber im Entscheidungssatz bei 9:10 einen Matchball gegen sich. Den wehrte er ab und verwandelte schließlich mit einem Aufschlags-Ass seinen zweiten eigenen Matchball zum umjubelten 13:11, dem ersten Japan-Open-Sieg eines Einheimischen seit Masato Shionos Überraschungscoup aus dem Jahr 2013. Im Juli-Ranking der ITTF dürfte es für den japanischen Wunderknaben zur Belohnung von aktuell Platz 10 auf Rang 7 oder 8 hochgehen.
Die 18-jährige Mima Ito, aktuelle Nummer 6 der Welt, war überraschend gegen die nur ein Jahr ältere China-Open-Siegerin Wang Manu, die in Kitakyushu ihren vierten World-Tour-Titel im Jahr 2018 und den Hattrick nach Hongkong und Shenzhen anstrebte, den entscheidenden Tick nervenstärker und gewann mit 4:2 (11:7, 12:10, 8:11, 11:7, 6:11, 12:10).
Dennoch wird die etwas schlaksig wirkende Chinesin am 1. Juli erstmals in ihrer Karriere zur Nummer 1 der Welt aufsteigen und Chen Meng von der Spitzenposition verdrängen – so viel steht heute bereits fest.
Das tat der Freude Itos jedoch keinen Abbruch. „Es ist wunderbar, diesen Titel vor so vielen japanischen Fans gewonnen zu haben“, so die 1,52 Meter kleine Japanerin, die das erste Mal in ihrer Karriere gegen die Weltklasse-Chinesin gewonnen hatte. „Ich freue mich schon wahnsinnig darauf, bei den Olympischen Spielen in Tokio von dann sicher noch mehr Zuschauern nach vorne gepeitscht zu werden.“
Finale Herren-Einzel
Tomokazu Harimoto JPN – Zhang Jike CHN 4:3 (9:11, 8:11, 11:9, 11:4, 10:12, 11:7, 13:11)
Finale Damen-Einzel
Mima Ito JPN – Wang Manyu CHN 4:2 (11:7, 12:10, 8:11, 11:7, 6:11, 12:10)
Finale Herren-Doppel
Jeoung Youngsik/Lee Sangsu KOR – Liang Jingkung/Zhou Kai CHN 3:1 (11:6, 5:11, 11:9, 11:5)
Finale Damen-Doppel
Gu Yuting/Mu Zi CHN – Liu Shiwen/Wang Manyu CHN 4:0 (kampflos)
Finale Mixed
Liang Jingkun/Chen Xingtong CHN – Maharu Yoshimura/Kasumi Ishikawa JPN 3:0 (11:9, 11:9, 11:9)
Japan Open auf der Webseite der ITTF
Text: Dr. Stephan Roscher
Fotos (2): ITTF