Das WM-Fieber hat sich gelegt, nun eilt man rasant auf die nationalen Entscheidungen zu. Titelverteidiger Berlin geht am Freitag und Sonntag als Außenseiter in das Duell mit Kolbermoor – eine Konstellation, wie sie den Hauptstädterinnen jahrelang völlig fremd war.
Am kommenden Freitag (19.00 Uhr) treffen im Playoff-Halbfinal-Hinspiel beide Teams in Berlin aufeinander, zwei Tage später (11.00 Uhr) steigt bereits das Rückspiel in Kolbermoor. Und die Rollen sind klar verteilt: Hier der personell arg gebeutelte amtierende Deutsche Meister mit seinem letzten Aufgebot, dort der Herausforderer aus Bayern in Topbesetzung, verstärkt durch die österreichische Ex-Europameisterin Liu Jia, die eigens für die Spiele gegen Berlin eingekauft wurde, jedoch aufgrund der zeitweilig kritischen Situation im Viertelfinale gegen Anröchte schon vorher zweimal „üben“ durfte.
Berlin ist vorne mit der Weltranglisten-35. Georgina Pota und der Japanerin Shiho Matsudaira nicht schlecht besetzt, Kolbermoor mit Liu Jia und Kristin Lang natürlich ebenfalls. Das könnte man als etwa 50:50 einschätzen, doch im zweiten Paarkreuz sieht es ganz anders aus.
Da weitere Stammspielerinnen auf Berliner Seite schwangerschaftsbedingt nicht zur Verfügung stehen, die nach Langstadt wechselnde Petrissa Solja keine Option mehr ist und man darauf verzichtet, Tie Yana einfliegen zu lassen, muss Familie Palina ran. Und die dürfte es sehr, sehr schwer haben, zumal bei Kolbermoor eine Sabine Winter (Mai-Weltrangliste Platz 57) an drei spielt. Spielertrainerin Irina Palina ist mit 48 nicht mehr so gut wie in früheren Jahren, ihre Ligabilanz von 3:6 dokumentiert das. Dennoch könnte ihr noch eher ein Punkt zugetraut werden als ihrer 17-jährigen Tochter Lilia, die eigentlich im Oberligateam aufschlägt und noch weit vom Bundesliga-Niveau entfernt ist.
„Unsere Personalprobleme sind ja hinlänglich bekannt, Jammern hilft sowieso nicht“, so Irina Palina. „Also wollen wir aus der jetzigen Situation das Beste machen und unseren treuen Fans noch mindestens ein tolles, spannendes Match bieten.“ Oben sieht es im Vorfeld nach 50:50 aus. „Gina und Shiho werden sich garantiert heiße Spiele mit Liu Jia und Kristin Lang liefern, die Chancen von Lilia und mir gegen Sabine Winter und Svetlana Ganina beziehungsweise Katharina Michajlova sind eher bescheiden“, sagt Palina. „Aber im Lauf dieser Saison kam es zu so vielen Überraschungen – also „schaun mer mal“, wie man in Bayern wohl sagt.“
Im zweiten Halbfinale trifft die TTG Bingen/Münster-Sarmsheim auf den TV Busenbach. Bingen, das die Punktrunde mit vier Punkten Vorsprung als Erster abschloss, hat man dort erwartet, Busenbach nicht unbedingt. Da die Badenerinnen sich im Viertelfinale mit 5:5 und 6:4 gegen Bad Driburg durchsetzen konnten, stehen sie aber zu Recht unter den besten vier Teams Deutschlands. Dennoch gelten Tanja Krämer und Co. als klare Außenseiterinnen in den Duellen mit den Rheinhessinnen, die ebenfalls für Freitag (18.30 Uhr in Bingen) und Sonntag (15.00 Uhr in Busenbach) angesetzt sind. Die meisten Betrachter der Liga erwarten ein Finale Kolbermoor vs. Bingen. Warten wir es ab.
Noch kurz zum Modus: Zum Einzug ins Finale benötigt man einen Sieg und mindestens ein Unterschieden. Hat nach beiden Halbfinal-Spielen jede Mannschaft ein Spiel gewonnen oder sind beide Spiele unentschieden ausgegangen, kommt es zu einem Entscheidungsspiel. Endet dieses remis, wird zunächst das Satzverhältnis gezählt. Sollte es dann immer noch unentschieden stehen, werden die einzelnen Bälle ausgewertet. Zu guter Letzt würde das Los entscheiden.
Text & Fotos (2): Dr. Stephan Roscher