Von der Saison 2020/21 an heißt der Cheftrainer der TTF Liebherr Ochsenhausen Fu Yong. Der frühere chinesische Nationalspieler wird Dmitrij Mazunov „beerben“, den es zusammen mit Toptalent Vladimir Sidorenko zum Lokalrivalen TTC Neu-Ulm zieht. Nachfolgend ein Interview mit Fu Yong.
Können Sie sich und Ihren Werdegang im Tischtennissport den weniger gut informierten Lesern zunächst vorstellen?
„Ich heiße Fu Yong, stamme aus Jinan, der Hauptstadt der Shandong Provinz in China, und bin 48 Jahre alt. Mit zehn Jahren belegte ich den dritten Platz im Einzel der Provinzmeisterschaft Shandong, woraufhin ich in die Provinzmannschaft aufgenommen wurde. Seit meinem zwölften Lebensjahr strebte ich eine berufliche Laufbahn als Profi-Tischtennisspieler an. 1988 gewann ich als Spieler der chinesischen Jugendnationalmannschaft den Mannschaftstitel bei den U21 International Open in Italien. 1989 errang ich mit dem Team den zweiten Platz bei den Nationalen Stadtspielen in China und im Einzel den fünften Platz. Von 1991 bis 1996 war ich Mitglied der chinesischen Tischtennis-Nationalmannschaft. Viele meiner damaligen Teamkollegen waren Weltmeister und Olympiasieger. Darunter waren Liu Guoliang, Kong Linghui, Wang Tao, Ma Wenge, Ding Song, Qin Zhijian, Ma Lin, Wang Liqin und Liu Guozheng. 1991 vertrat ich als Hauptspieler die Provinzmannschaft Shandong, gewann den Titel bei der nationalen Jugendmeisterschaft U21 und den dritten Platz im Einzel. In der nationalen Herrenmeisterschaft 1992 mit mir als Hauptspieler nahm die Provinzmannschaft den vierten Platz ein. Im Halbfinale schlug ich unter anderem Liu Guoliang. Bei den chinesischen Nationalspielen 1993 war ich Top 16 in Einzel und Doppel. 1994 habe ich drei Monate in Spanien verbracht und die spanische Tischtennis-Nationalmannschaft trainiert. Im September 1996 reiste ich nach Augsburg in Deutschland, um in der Bundesliga zu spielen, und habe mich in Deutschland niedergelassen.”
Und wie ging es dann weiter in Deutschland mit Ihren Aktivitäten als Spieler?
„In den letzten sieben Spielzeiten und bis heute bin ich als Nummer eins für den TTC Wöschbach aktiv und habe währenddessen die Mannschaft von der Badenliga bis zur 3. Bundesliga begleitet. Zuvor habe ich für den Post SV Augsburg, die TTF Rastatt, die Spvgg Ottenau und den TTC Frickenhausen in höheren Spielklassen bis zur 2. Bundesliga gespielt, fast immer als Nummer eins meines Teams. Mit Frickenhausen habe ich 2010/11 sogar den Aufstieg in die 1. Bundesliga geschafft, bin dann aber nach Ottenau gewechselt, mit dem ich von der Regionalliga bis in die 2. Bundesliga aufgestiegen bin. Fast wäre ich sogar einmal als Spieler in Ochsenhausen gelandet: 1997, als ich in Augsburg war, hatten die TTF mich mal gefragt, ob ich für Ochsenhausen spielen wolle. Schade, ich hatte damals schon Augsburg für eine weitere Saison fest zugesagt.“
Hat sich im Zuge Ihrer Tätigkeiten auch eine besondere Beziehung zu Oberschwaben und den TTF Liebherr Ochsenhausen entwickelt? Leben Sie in der Region?
„Ja, das kann man so sagen. Vor fünf Jahren habe ich begonnen, als Coach in Ochsenhausen zu arbeiten. Zunächst erweckten mein Hintergrund als chinesischer Profispieler und meine Erfahrungen in der Trainertätigkeit das Interesse des Ochsenhauser Trainingszentrums und des Liebherr Masters College. Mit der steigenden Anzahl an jungen Toptalenten, die wir erfolgreich ausgebildet haben, hat sich auch mein eigener Schwerpunkt verlagert, sodass ich als Trainer im LMC weiteren jungen Spielern auf ihrem Weg zu Weltrang helfen durfte. Aus beruflichem Grund bin ich mit meiner Familie 2016 nach Biberach gezogen. Tischtennis ist mein Leben und Ochsenhausen mein Zuhause.”
Sie kennen die TTF, das Liebherr Masters College und die Trainingsarbeit in Ochsenhausen sehr gut. Wird es Ihr Ziel sein, auch weiterhin junge Talente aus dem College ganz nach oben zu bringen und in die Bundesligamannschaft zu integrieren?
„Mein Ziel ist es selbstverständlich weiterhin, junge talentierte Spieler aus Deutschland, Europa und aller Welt zu fördern. Darin besteht auch die langjährige Vision des Liebherr Masters College. Wir bemühen uns, die Leistungen dieser Jungs auf ein Niveau zu bringen, das sie für die Bundesliga qualifiziert. Die Spieler unserer Bundesligamannschaft sind der Ausdruck unser gemeinsamen Philosophie.”
Es ist Ihre erste Saison als Profi-Trainer in der Bundesliga: Was nehmen Sie sich vor, was wollen Sie erreichen?
„Ich möchte mein Möglichstes tun, um alle Spieler zu fördern und die Truppe zu stärken. Außerdem hoffe ich natürlich auf Bestleistungen.”
Möchten Sie fortführen, was Dubravko Skoric und Dmitrij Mazunov in den letzten Jahren als TTF-Cheftrainer geleistet haben oder werden Sie eigene Wege gehen?
„Dubo und Dima haben beide in ihrer Zeit als Cheftrainer bemerkenswerte Erfolge erzielt. Selbstverständlich möchte ich den Ruhm der TTF aufrechterhalten und fortführen. Was die Art des Trainings betrifft, hat jeder von uns natürlich seinen eigenen Stil. Für die neue Teamaufstellung in der nächsten Saison werde ich mich voll und ganz der Mannschaft widmen und jeden Spieler individuell betreuen, sodass sie sich in technischer und mentaler Hinsicht steigern und schnell vorwärtskommen, damit wir ein starkes Team aufbauen können.”
Dmitrij Mazunov hat in seiner ersten Saison mit den TTF gleich zwei Titel geholt, diese Saison könnte sogar noch einer dazu kommen. Entsteht dadurch ein gewisser Erfolgsdruck für den neuen Cheftrainer?
„Ich verspüre keinen Erfolgsdruck und hoffe, dass wir weiterhin Titel gewinnen können. Dima hat als Cheftrainer großartige Arbeit geleistet. Die Titel sehe ich auch als Errungenschaften des gesamten Teams, einschließlich des Trainerteams und unserer Backoffice-Kollegen. Sie sind Früchte des großen Einsatzes aller Beteiligten.”
„Wie stark schätzen Sie die TTBL in der Saison 2020/21 ein?”
In der nächsten Saison wird das Niveau der TTBL wieder sehr hoch sein und wir werden uns sicher einer großen Herausforderung stellen. Ich habe großes Vertrauen in unser neues Team, in dem jetzt drei neue junge Spieler hinzugekommen sind und dem mit Hugo Calderano, Simon Gauzy und Neuzugang Kanak Jha drei Weltklassespieler angehören. Die neue Mannschaft wird also das Potenzial haben, gute Ergebnisse zu erzielen.”
Wer sind die Hauptkonkurrenten in Meisterschaft und Pokalwettbewerb?
„In der nächsten Saison haben einige Mannschaften sich im Vergleich zu dieser Saison verstärkt. Es gibt viele Teams, die um die Play-offs und um Titel spielen können, nicht nur die besten vier Vereine der Saison 2019/20. Und wir wollen natürlich auch eine gute Rolle spielen.”
Ist die neue Mannschaft mit den Zugängen Jha, Kubik und Kulczicky genauso gut wie das Team der Saison 2019/20, in der ja noch Fegerl, Dyjas und Sidorenko dabei sind?
„Unsere Neuzugänge sind alle noch sehr jung. In dieser Saison spielen Kubik und Kulczicky erstmalig in der ersten Bundesliga und auch für Jha ist es gerade mal die zweite Saison als Bundesligaspieler. Daher ist es schwierig, sie mit ihren Vorgängern zu vergleichen. Natürlich sind Fegerl und Dyjas beide sehr leistungsfähige und erfahrene Spieler, aber Dyjas und Sidorenko waren Spieler des Liebherr Masters College, genauso wie die drei jungen Talente, die hochmotiviert und längst nicht am Ende ihrer Entwicklung sind. Mit Calderano und Gauzy in derselben Mannschaft können sie noch schneller Wettkampferfahrung sammeln und stärker werden.”
Interview & Foto: Dr. Stephan Roscher