Ein „Opfer“ der außergewöhnlichen Situation im Zeichen der Corona-Pandemie ist der traditionsreiche TuS Bad Driburg, der am Dienstag seinen Rückzug nach 23 Jahren im Profisport, davon 18 in der 1. Bundesliga, bekannt gab. Dabei hatte man gerade die beste Saison der Vereinsgeschichte gespielt.
Driburgs Abtritt nach der besten Saison der Vereinsgeschichte
Man hatte in der Aufstellung Eerland-de Nutte-Klee-Bollmeier-Tsutsui immer wieder für Furore gesorgt, ganz besonders beim überragenden 6:2 gegen den Meisterschaftsmitfavoriten Kolbermoor Mitte Oktober, und schien rosigen Zeiten entgegen zu gehen. Nun schließt man die Runde mit imponierenden 18:4 Punkten als Vizemeister ab und hätte beste Chancen besessen, diesen Rang auch nach 16 Spieltagen sportlich ins Ziel zu bringen.
Aufgrund des Absprungs einiger Sponsoren ist man dennoch nicht in der Lage, die Finanzierung einer konkurrenzfähigen Mannschaft für die kommende Saison sicherzustellen – ein herber Verlust für das Damen-Oberhaus und vielleicht sogar eine kleine Tragödie. Denn damit ist das Lebenswerk eines Mannes unwiderruflich beendet, der als umtriebiger Manager mit viel Geschick und Augenmaß über fast zweieinhalb Jahrzehnte eine der führenden Persönlichkeiten der Damen-Eliteliga war.
Das Lebenswerk des Franz-Josef Lingens
Die Rede ist von Franz-Josef Lingens, dessen „Baby“ das Driburger Bundesligatischtennis zweifellos war.
„Ich bin über die Entwicklung allgemein und bei mir sehr geschockt und traurig“, bekennt Lingens. „23 Jahre Bundesliga waren ein kleines Lebenswerk von mir. Es hat mir immer sehr viel bedeutet und Spaß gemacht, praktisch als Ehrenamtlicher für die „Profis“ zu arbeiten. Nur der ewige Kampf um das liebe Geld war sehr oft nervig und schwer. Aber nun geht es aus finanziellen Gründen nicht mehr, das Team nochmals für die nächste Saison zu melden.“ Lingens erläutert dies: „Die Finanzierung meines Teams ging immer zu 100 Prozent über Gönner und Sponsoren. Innerhalb kurzer Zeit haben mir schon viele Firmen mitteilen müssen, das sie aufgrund der Corona-Krise nicht mehr mitmachen können. Nach Durchsicht meiner über 100 Sponsoren ist mir dann bewusst geworden, dass mir wahrscheinlich zwei Drittel abspringen würden.“
Für die fünf Spielerinnen war Lingens Hiobsbotschaft nicht leicht zu verkraften: „Aber auch für meine Spielerinnen war es ein Schock und ich hoffe nun sehr, das sie alle fünf noch einen guten Verein finden. Sportlich dürfte das ja bei Ihnen überhaupt kein Problem werden.“ Als besonders tragisch empfindet es der Manager, gerade nach dieser optimalen Saison mit seinen „Mädels“ von der Bildfläche verschwinden zu müssen. „Es ist mehr als schade, vor allem nach dieser Saison“, sagt Lingens. „Ich habe schon viele gute Teams ins Rennen schicken können, aber diese Saison übertraf alles an Harmonie, Siegeswillen, Leistung und Spaß.“
Knappe Budgets im Damen-Oberhaus
Die Budgets in der Damen-Bundesliga sind nun einmal knapp bemessen und mit heißer Nadel gestrickt. Es ist ein ständiger Kampf um die Sponsoren, auch um die ganz kleinen, die meist in ihrer Summe erst den Spielbetrieb im Profi-Segment ermöglichen. Und es ist ein Kampf um jeden einzelnen Zuschauer – nicht nur in Bad Driburg sondern generell. Das haut in der Regel gerade so hin, wenn keine außergewöhnlichen Ereignisse eintreten – und genau das ist diesmal geschehen und war für alle völlig unkalkulierbar.
Und nun hat es mit dem TuS Bad Driburg einen sympathischen Verein erwischt, der fast schon zum Inventar des Damen-Oberhauses zu gehören schien und der immer Mannschaften mit einer guten Mischung aus sehr jungen und überaus erfahrenen Spielerinnen ins Rennen schickte, denen man den Spaß, gemeinsam etwas aufzubauen, anmerkte. Es hatte schon eine besondere Note, im Bad Driburger Dress aufzulaufen, es war eine Art Markenzeichen.
Folglich trifft der Rückzug des Klubs aus Ostwestfalen tatsächlich jedes einzelne Mitglied des Kaders hart – Franz-Josef Lingens hat nicht übertrieben.
Fünf Spielerinnen vor neuen Herausforderungen
Doch es sind Profis und die suchen und finden dann eben doch neue Vereine. Die 27-jährige Luxemburgerin Sarah de Nutte wurde als Erste fündig und schloss sich dem französischen Champions-League-Teilnehmer Saint-Quentin an.
Und Spielerinnen wie die hoch talentierten Sophia Klee oder Yuki Tsutsui werden mit Sicherheit einen hochklassigen Klub finden, während sich für die 38-jährige Ex-Nationalspielerin Nadine Bollmeier vielleicht ein Zweitligist am besten eignen würde, wo sie gegebenenfalls als Spielertrainerin einsteigen könnte. Die 26-jährige niederländische Spitzenspielerin Britt Eerland zählt ohnehin zu den Besten Europas – sie dürfte mühelos einen entsprechend hochkarätigen Verein finden und wäre auch für jeden ambitionierten deutschen Erstligisten interessant.
Anröchte und Busenbach steigen ab
Sportliche Absteiger aus der 1. Bundesliga Damen sind der TTK Anröchte (2:20 Punkte) und Ex-Meister TV Busenbach (4:18), dessen Rückzug aus dem Profibereich schon länger feststeht. Anröchte wird in der 2. Liga weitermachen als dann ranghöchster Ostwestfalen-Klub. In welcher Spielklasse es mit welchen Spielerinnen für Busenbach weitergeht – falls überhaupt – ist noch nicht abschließend geklärt.
Die Liga wird von neun auf acht Teams verkleinert. Das von „unerwarteten“ Schwangerschaften und Verletzungspech gebeutelte Anröchte muss die Liga trotz des Bad Driburger Rückzugs definitiv verlassen. Der Tabellenletzte hat nämlich laut dem Reglement des DTTB keine Berechtigung, in der Liga zu bleiben. Weil die Driburgerinnen den Rückzug erst nach dem Meldeschluss bekannt geben konnten, bleiben sie nach den Statuten dem Oberhaus noch eine Saison lang als nicht spielende Mannschaft erhalten und stehen als erster Absteiger der neuen Saison fest.
Der im Damen-Tischtennis so klangvolle Name TuS Bad Driburg wird also noch eine Saison in Zusammenhang mit der 1. Bundesliga Damen zu finden sein, eben wenn man auf die Tabelle schaut. Das war es dann aber auch. „Natürlich kommt es auch nicht mehr in Frage, für eine untere Klasse zu melden“, stellt Franz-Josef Lingens nämlich klar. „Mit welchem Team? Und ich fange auch nicht mehr mit 73 Jahren von vorne an. Es war eine schöne Zeit, aber ich hoffe auch, dass ich die nun für mich ruhigere Zeit nur noch als Zuschauer etwas genießen kann.“
Teaserbild: Fand als Erste einen neuen Arbeitgeber: Sarah de Nutte.
Text & Fotos (3): Dr. Stephan Roscher