Nicht nur im Fußball werden in diesen Tagen Schicksalsspiele ausgetragen, sondern auch im Tischtennissport. Am kommenden Sonntag (15 Uhr) kann man ein solches im überschwäbischen Biberach bestaunen, sofern man überhaupt noch einen Platz in der Halle findet – das BSZ wird vermutlich ausverkauft sein, gut 1.200 Menschen werden die Tribünen füllen, wenn die TTF Liebherr Ochsenhausen den 1. FC Saarbrücken TT zum Final-Hinspiel um den ETTU-Cup empfangen.
Fast auf den Tag vor fünf Jahren war die Biberacher Sporthalle das letzte Mal Schauplatz eines internationalen Finales. Am 17. Mai 2009 kam es dort zum Duell zwischen den Ochsenhausenern und Borussia Düsseldorf um den Sieg in der Champions League. Damals setzten sich Boll, Ovtcharov und Süß durch, während den TTF „nur“ Platz zwei blieb.
Doch „ewiger Zweiter“ wollen die Oberschwaben nicht sein, deren letzter Titelgewinn zehn Jahre zurückliegt – 2004 wurde man zuletzt Deutscher Meister und gewann gleich auch noch den Ligapokal dazu.
Eine ganze Region spricht vom Finale
In und um Ochsenhausen ist inzwischen ein kleiner Hype um die Final-Partie im ETTU-Cup entstanden, obwohl es vor drei Wochen noch ziemlich ruhig war und die meisten Tischtennisfans nur die WM im Fokus hatten. Doch längst ist der bevorstehende Final-Showdown in Oberschwaben in aller Munde. Es ist eine große Vorfreude zu spüren, die sich etwa im täglichen „Bulletin“ des Europapokalsiegers von 1996 und 1997 manifestiert. Seit 18 Tagen publiziert man jeden Tag einen Countdown, den auch die regionale Presse bringt, in dem eine namhafte Personen aus dem Verein oder der Region sich zu den TTF äußert und ihre Erwartungen für das Finale formuliert. Ein kluger Schachzug, der dazu beigetragen hat, dass die sportinteressierte Öffentlichkeit zwischen Bodensee und Ulm inzwischen das Tischtennis-Finale in der Wertigkeit gleich hinter dem DFB-Pokal-Endspiel zwischen den Bayern und dem BVB ansiedelt.
Ochsenhausen und Saarbrücken wollen versöhnlichen Saisonabschluss
Die beiden TTBL-Rivalen wollen eine durchwachsene Saison mit Höhen und Tiefen um jeden Preis mit einem internationalen Titel abschließen, der das ganze Jahr in einem anderen Licht erscheinen ließe. Noch haben beide unter dem Strich nichts erreicht, in Meisterschaft, Pokal und Champions League sind sie nicht ans Ziel gekommen – der 1.FCS kam wenigstens in die Play-offs, dafür schafften es die TTF ins Halbfinale des Pokal Final 8, doch angestrebt war deutlich mehr. Nun könnte sich binnen 14 Tagen der Gesamteindruck komplett ändern, natürlich nur für einen der beiden Kontrahenten.
Wer das sein wird, ist ganz schwer zu prognostizieren. Für Steger & Co. spricht der Faktor Routine und zudem ein recht homogenes Leistungsvermögen der Spieler, während die Oberschwaben schwerer auszurechnen sind, eine richtige „Wundertüte“. Man kann mit Pauken und Trompeten scheitern aber auch – wenn alles passt – einen starken Gegner in Grund und Boden spielen. Lassen wir uns überraschen, wer den letztjährigen Titelträger UMMC Ekaterinburg beerben wird.
ETTU-Cup als Domäne der Bundesligisten
Deutsche Vereine waren im zweitwichtigsten europäischen Mannschaftswettbewerb schon immer sehr erfolgreich. So ging bis heute – beginnt man mit der Rechnung in der Saison 1964/65, in der erstmals der Cup unter dem Namen Europäischer Messestädte-Pokal ausgespielt wurde – der Titel nicht weniger als 21 Mal an Bundesligisten, nun gesellt sich der 22. hinzu. Der letzte deutsche Cup-Sieger war die Düsseldorfer Borussia in der Saison 2011/12, die sich im Finale gegen Angers durchsetzte, der vorletzte der SV Plüderhausen, der im Frühjahr 2009 Victoria Moskau das Nachsehen gab.
Die Trainer Skoric und Grujic können am Sonntag personell aus dem Vollen schöpfen, alle Spieler sind in guter Verfassung, auch Bastian Steger hat seine hartnäckige Bauchmuskelzerrung inzwischen auskuriert. Die Mannschaft aus dem Saarland stellt sich mit Steger, Apolonia und Tokic gewissermaßen von selbst auf, nur die Reihenfolge der Akteure muss sich noch finden. Ochsenhausen dagegen muss einen Spieler auf die Bank bitten, Ryu, auf dessen Führungsqualitäten Skoric ganz besonders setzt, wird es sicher nicht sein, der in Tokio starke Pitchford wohl auch nicht – vermutlich entscheidet sich das zwischen Skachkov und Gauzy.
Vorsichtiger Optimismus bei den Kontrahenten
Dubravko Skoric stellt fest: „Wir haben eine Chance, auch wenn Saarbrücken uns in beiden Ligaspielen geschlagen hat. Die Stimmung in der Mannschaft ist gut, die Spieler sind motiviert und gespannt, da sie etwas vorhaben. Von Nervosität spüre ich aber nichts.“ Der Erfolgstrainer aus Kroatien, der fünfmal mit Charleroi Europas Königsklasse gewann, baut auf seinen Führungsspieler: „Ryu ist sehr wichtig für uns. Er hat schon alles erlebt und weiß, wie man Endspiele spielen muss.“
Erwin Berg, Sportlicher Leiter der Saarbrücker und Senior-Chef des Hauses TIBHAR, hofft auf ein günstiges Ergebnis, um chancenreich ins Rückspiel zu gehen: „Es wird ein Spiel auf Augenhöhe. Sowohl unsere Spieler als auch die Spieler der TTF waren bei der WM in Tokio in guter Form. Basti ist wieder fit. Es ist ein 50:50 Spiel. Wir wollen in Ochsenhausen ein gutes Ergebnis holen, um uns eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel zu sichern.“
Die zweite Begegnung wird am Samstag, den 31.05.2014, um 19:00 Uhr in der Saarbrücker Joachim-Deckarm-Halle ausgetragen. Dann entscheidet sich endgültig, für wen die Saison freudig zu Ende geht und wer sie unter der Devise „außer Spesen nichts gewesen“ verbuchen muss.
Wer kein Ticket mehr bekommt, muss nicht verzagen und kann sich die Partie im Internet-Livestream auf ttbl.tv anschauen.