Mi., 15. Januar 2025
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„Anfangs habe ich meinen Bruder fast immer geschlagen“ – Interview mit Michael Mengel

Was bewegt einen Spieler im besten Tischtennis-Alter, der in einer gehobenen Spielklasse gerade eine Bomben-Bilanz erspielt hat, in der kommenden Saison zwei Klassen tiefer anzutreten – vorausgesetzt es ist nicht das liebe Geld, was in diesem Fall wohl ausgeschlossen werden kann? Interessant ist auch, wieviel Training bei entsprechendem Talent zwingend benötigt wird, um erfolgreich in der Regionalliga zu spielen. Wir halten in diesem Zusammenhang ein Interview mit Michael Mengel, der es bei den Deutschen Meisterschaften in Bamberg ins Hauptfeld schaffte, für aufschlussreich. Am heutigen Donnerstag wird es in einer leicht gekürzten Fassung in einer Tageszeitung des Rhein-Main-Gebiets erscheinen. Geführt und zu Papier gebracht hat es ein Mitarbeiter des News-Teams von TT-NEWS. 

Die TG Langenselbold wird als Siebter der Oberliga Thüringen/Hessen kommende Saison vermutlich nur in der Hessenliga aufschlagen. Der Abstieg scheint – selbst im Fall eines Sieges im vorsorglichen Relegationsspiel gegen Preußen Frankfurt II – festzustehen. Da mit Topspieler „Bobo“ Grujic und Andreas Schreitz das komplette vordere Paarkreuz die Gründaustädter verlässt, benötigt man starke Neuzugänge, um wieder aufzusteigen. Das ist momentan in Arbeit, wie uns TG-Kapitän Matthias Leißner unlängst mitgeteilt hat. Doch eine Personalie ist bereits seit Wochen unter Dach und Fach. Vom bisherigen Regionalligisten TTC Ober-Erlenbach, der als Tabellenzweiter den Aufstieg in die 2. Liga geschafft hat, kommt mit dem 29-jährigen Michael Mengel einer der Leistungsträger.

Der ältere Bruder des einstigen Sympathieträgers der TG Hanau und amtierenden deutschen Einzelmeisters Steffen Mengel erspielte in der gerade beendeten Saison eine überzeugende Einzelbilanz von 26:6 – 21:5 im mittleren, 5:1 im vorderen Paarkreuz. In der Bestenliste der Regionalliga ist er damit die Nummer neun, hat jedoch weniger Spiele verloren als die Akteure auf den Positionen fünf bis acht. Man darf also fraglos von einem Top-Regionalligaspieler sprechen, der überdies noch stark im Doppel ist (14:4 in diversen Kombinationen). 

Michael Mengel, körperlich mit „nur“ 1,87 Meter eigentlich der „kleine Bruder“ des neun Zentimeter mehr messenden Ex-TGH-Profis Steffen, kommt definitiv, auch für die Hessenliga, aus der er dann mit seinem neuen Team wieder nach oben will.

Wir sprachen mit Michael Mengel.

 

Welches waren Deine letzten Tischtennis-Stationen, bevor Du Dich entschlossen hast, zur TG Langenselbold zu wechseln? 

M. Mengel: „Ich habe jetzt sechs Jahre in Ober-Erlenbach Oberliga und Regionalliga gespielt und hatte da eine gute Zeit. Zuvor habe ich bei Schwalbe Bergneustadt mal kurz in der 2. Liga gespielt – übrigens zusammen mit meinem Bruder. Davor wiederum habe ich in Merkenbach im Lahn-Dillkreis, das ist ein Stadtteil von Herborn, Oberliga gespielt, meist im vorderen Paarkreuz.“ 

Weshalb kehrst Du dem TTC Ober-Erlenbach nach einer solch tollen, erfolgreichen Saison den Rücken? 

M. Mengel: „Stimmt, es war eine tolle Saison in Regionalliga. Regionalliga ist sicher auch die richtige Spielklasse für mich. Gerade ab der Saison 2013/14, wo die hessischen Mannschaften durch die Umstrukturierung mit denen aus Nordrhein-Westfalen zusammen spielen, wo ich auch früher aktiv war, wäre das nicht uninteressant gewesen. Deshalb hatte ich dem Verein auch mitgeteilt, dass ich bleiben würde, wenn man weiter in der Regionalliga spielen würde. In der 2. Liga wollte ich aber den jungen Spielern den Vortritt lassen, auch wenn es für sie sicher schwer wird, den Klassenerhalt zu schaffen, da ja nächste Saison nur die ersten Fünf drinbleiben. Ich werde 30, und die Jungs trainieren optimal und sind heiß darauf. Zudem ist es für mich auch nicht so reizvoll, wenn es vorher schon ziemlich wahrscheinlich ist, dass man wieder absteigt, zumal dann noch die weiten Fahrten dazukommen.“ 

Weite Fahrten hast Du aber auch schon zu den Heimspielen oder wohnst Du inzwischen im Rhein-Main-Gebiet? 

M. Mengel: „Nein, ich wohne in meinem Heimatort Holzhausen im Kreis Siegen, das sind 95 Kilometer einfache Strecke nach Ober-Erlenbach und 125 übrigens dann nach Langenselbold. Da ist schon einiges an Strecken zurückzulegen.“ 

Wie kam es zum Kontakt mit der TG Langenselbold? 

M. Mengel: „Matthias Leißner kenne ich schon länger. Auch Marc Rindert kenne ich gut, der mich seinerzeit auch nach Ober-Erlenbach geholt hat. Marc war es, der mich gefragt hat, ob ich mir vorstellen könne, bei den Selboldern Oberliga oder Hessenliga zu spielen. Ich habe zugesagt für den Fall, dass Ober-Erlenbach den Schritt in die 2. Liga machen würde, was ja eingetreten ist. Ich habe es nicht davon abhängig gemacht, welche Klasse es für die TG tatsächlich sein wird.“ 

Nun sieht es so aus als müsstest Du nächste Saison in der Hessenliga spielen. Tragisch? 

M. Mengel: „Nein, gewiss nicht. Oberliga wäre natürlich optimal gewesen, Oberliga ist eine gute Klasse und das vordere Paarkreuz dort immer eine echte Herausforderung. Auch wenn ich zuletzt in dieser Klasse vorne zweimal 16:2 gespielt hatte. Allerdings ist die Gruppe, in der Langenselbold gespielt hat, meiner Meinung nach klar besser. Aber es ist für mich auch reizvoll, sollte es tatsächlich zum Abstieg kommen, mit der Mannschaft wieder einen Durchmarsch zu machen. Es sollte uns gelingen, bald wieder Oberligist zu sein und dort auch eine gute Rolle zu spielen. Dazu will ich beitragen – und das entspricht auch meinen Fähigkeiten. Wir werden eine gute Mannschaft und eine klare Perspektive haben, das ist reizvoller als irgendwo zu spielen, wo man nur im Mittelfeld herumkrebsen möchte, selbst wenn es in einer höheren Liga wäre.“ 

Was spricht aus Deiner Sicht für die TG Langenselbold? 

M. Mengel: „Einiges. Man weiß ja, dass es in Langenselbold ein gutes, Tischtennis-begeistertes Umfeld gibt, dass die Halle perfekt ist und auch recht viele Zuschauer zu den Spielen kommen – das passt in jedem Fall. Ich bin kein Wandervogel und möchte in Langenselbold schon länger spielen und mit der Mannschaft nicht nur kurzfristige Erfolge erzielen. Wenn ich mich dort wohlfühle, wovon ich ausgehe, kann man mit mir auch längerfristig planen. Matthias Leißner, Marc Rindert und Marcel Drolsbach sind im Übrigen alles ehemalige Ober-Erlenbacher, die ich gut kenne, und mit denen ich ganz sicher harmonieren werde.“ 

Gibt es eine Rivalität zwischen Dir und Deinem natürlich weitaus bekannteren Bruder, der nun auch noch Deutscher Einzelmeister geworden ist? 

M. Mengel: „Nein, von Rivalität kann man da nicht sprechen. Ich nehme es ganz locker, dass Steffen klar besser ist als ich und in der Bundesliga spielt. Ich freue mich einfach riesig über seine Erfolge. Ich gönne sie ihm von ganzem Herzen und habe mich unglaublich gefreut, als er im Finale von Bamberg Timo Boll besiegt hat. Es gibt keinen Neid zwischen uns. Außerdem bleibt mir die kleine Genugtuung, dass ich ihn früher meist geschlagen habe. Aber nur bis er 15 oder 16 Jahre alt war. Dann kam plötzlich der Punkt, an dem ich keine Chance mehr hatte. Steffen hat sich früh entschieden, Profisportler zu werden. Ich habe für mich die Entscheidung getroffen, es mehr als Hobby zu betrachten, und habe auch längst nicht so viel investiert wie Steffen. Ich habe mich für einen [augenzwinkernd] „soliden“ Beruf entschieden.“ 

In welche Richtung Hast Du Dich beruflich orientiert? 

M. Mengel: „Ich habe vor zwei Jahren eine Ausbildung als staatlich geprüfter Betriebswirt abgeschlossen und bin bei einer großen Firma im Controlling tätig. Tischtennis ist für mich eigentlich im Großen und Ganzen ein schönes Hobby. Natürlich hat es einen besonderen Reiz, gut und erfolgreich zu sein und so viele Spiele wie möglich zu gewinnen. Da bin ich schon ehrgeizig, manchmal vielleicht sogar etwas verbissen. Aber ich muss auch Realist bleiben. Es fehlen mir die Zeit und die Möglichkeiten, richtig intensiv zu trainieren.“ 

Konkret gefragt: Wie oft trainierst Du in der Woche? Mit wie viel oder wenig Training kann man zu einem der besten Regionalligaspieler werden? 

M. Mengel: „Ich schaffe es oft nur einmal in der Woche, maximal zweimal. Ich habe dann mit Christian Schneider auch immer denselben Trainingspartner, der in meiner Nähe wohnt und in Kriftel Oberliga spielt. Wir sind perfekt aufeinander eingespielt und trainieren sehr gezielt. Aber natürlich ist es besser, mit unterschiedlichen Spielern, die etwa dasselbe Niveau haben, zu trainieren. Ich habe, wenn es hoch kommt, in den letzten zwei Jahren mit drei oder vier verschiedenen Spielern trainieren können, im Normallfall eben nur mit dem einen. Da muss ich auch zufrieden sein, wenn ich, wie in dieser Saison, erfolgreich in der Regionalliga spiele und – hoffentlich! – mit Langenselbold bald in der Oberliga eine gute Rolle spielen kann.“ 

Fällt Dir der Abschied aus Ober-Erlenbach schwer? 

M. Mengel: „Das war ein Abschnitt meiner Tischtennis-Karriere – und der ist nun eben vorüber. Ich hatte eine schöne Zeit in Ober-Erlenbach. Und jetzt freue ich mich riesig auf Langenselbold!“

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