Es war ein irrsinniger Spieltag in einer verrückten Liga – und es gab Spektakuläres zuhauf, leider nicht nur Erfreuliches.
So musste Plüderhausens Spitzenspieler Aleksandar Karakasevic nach seinem Match gegen Grenzau mit gerissener Achillessehne ins Krankenhaus eingeliefert werden. „Kara“ fällt damit bis Saisonende aus – nicht nur tragisch für den SVP sondern für die gesamte Liga.
Grenzau ließ sich indes nicht aus der Spur werfen und gewann bei den Schwaben souverän mit 3:0. Somit ist man nicht nur die rote Laterne los, sondern hat auf einmal sogar wieder Play-off-Chancen.
Die haben natürlich erst recht die Ochsenhausener, die im Duell um Platz zwei bei Werder Bremen überragend spielten und den verdutzten Gastgeber mit 3:0 abfertigten. Das 3:1 von Kirill Skachkov gegen den Weltranglistensiebten Chuang Chih-Yuang kam dabei besonders unerwartet.
Der Rhön-Express kommt allmählich auf Touren. Gegen den ohne Timo Boll angetretenen Ligaprimus Düsseldorf hatten die Maberzeller mit einem Wang Xi in Topform erstaunlich wenig Mühe, sich mit 3:1 zu behaupten.
SV Plüderhausen – TTC Zugbrücke Grenzau 0:3
Bis Sonntag um 17:08 Uhr war der TTC Zugbrücke Grenzau Schlusslicht der auf acht Teams geschrumpften Tischtennis Bundesliga. Seit 17:09 Uhr ist dies Geschichte. Durch das 3:0 beim SV Plüderhausen haben die Westerwälder nicht nur die rote Laterne an die Schwaben abgegeben, sondern den Anschluss ans Mittelfeld der Tabelle gefunden. Auch wenn man gegenwärtig auf Rang sieben steht, beginnt man, den Blick weiter nach oben zu richten.
Nach den Siegen gegen Fulda und den SVP ist der TTC nämlich sogar zurückgekehrt in den Kreis der Play-off-Anwärter. Man weist nunmehr acht Pluspunkte auf wie die Ligarivalen Fulda, Saarbrücken und Frickenhausen und hat nur zwei Zähler Rückstand auf den Tabellendritten Bremen. In dieser „verrückten“ Liga ist durch die Ergebnisse der letzten beiden Spieltage das ohnehin schon sehr ausgeglichene Feld nochmals deutlich enger zusammengerückt.
Den Grenzauern glückte in Plüderhausen die Revanche für die enttäuschende 1:3-Heimschlappe vom 23. September. Den Westerwälder Kantersieg begünstigte der extrem wichtige Auftakterfolg von Zoltan Fejer-Konnerth gegen Aleksandar Karakasevic. Zweimal konnte „Zoli“ die Satzführungen des serbischen Linkshänders egalisieren, um dann im Entscheidungsdurchgang mit 12:10 die Oberhand zu behalten.
Tragisch das Geschehen am Ende des letzten Ballwechsel: Fejer-Konnerth hatte bereits den Siegpunkt gemacht, doch „Kara“ unterlief eine unglückliche Bewegung, er sackte zusammen und musste mit gerissener Achillessehne ins Krankenhaus gebracht werden, wo er sofort operiert wurde. Die Saison ist für ihn damit gelaufen.
Grenzau legte nach: Zunächst gelang es Andrej Gacina, gegen den 39-jährigen Ex-DTTB-Nationalspieler Torben Wosik nachzulegen – beim 11:9, 11:6, 6:11 und 11:7 hatte der Kroate nur im dritten Durchgang nennenswerte Probleme.
Doch noch fehlte ein Punkt zum Glück – und den wollte Defensivspezialist Ruwen Filus beisteuern. Doch sein Gegenüber, der Engländer Andrew Baggaley, spielt bekanntermaßen gerne gegen Abwehr. Im ersten Satz, der mit 11:9 an den 29-jährigen Briten ging, schien sich dies zu bestätigen. Doch dann erhöhte Filus die Schlagzahl und variierte deutlich mehr. Der Erfolg gab ihm Recht, denn fortan hatte er nicht mehr allzu große Mühe, seinen und damit den Grenzauer Sieg nach Hause zu bringen.
Manfred Gstettner war begeistert: „Das war wunderbar heute! Es ist hervorragend für uns gelaufen. Die Aufstellung hat optimal gepasst und alle drei Spieler haben überzeugt. Zoli hat stark gespielt und ehrlich gewonnen. Der letzte Ball war bereits gespielt als das bedauerliche Unglück mit Karakasevic passierte, dem wir natürlich alles Gute wünschen. Gacina hat ebenfalls gut gespielt gegen einen keineswegs schwachen Wosik, und Ruwen lieferte sich mit Baggaley tolle Ballwechsel.“ Der Blick auf die Tabelle gefällt dem Grenzauer Präsidenten nun schon etwas besser: „Die rote Laterne sind wir los. Überhaupt sind jetzt alle so dicht beisammen, dass wir sogar wieder eine Chance auf einen Play-off-Platz haben. Ob wir so stark sind, das tatsächlich noch zu schaffen, weiß ich nicht. Aber vielleicht gelingt uns ja eine gute Rückserie, da die Spieler durch die letzten beiden Siege nun frisches Selbstvertrauen haben.“ Schmunzelnd fügt Gstettner hinzu: „Jetzt müssen wir halt einfach mal die Düsseldorfer schlagen, auch wenn die gegen uns sowieso immer Timo Boll einsetzen.“
Auch Spielertrainer Tomas Pavelka freute sich sehr über den Grenzauer Erfolg im „Ländle“: „Das war ein sehr, sehr wichtiger Sieg für uns. Die ganze Mannschaft hat überzeugt, alle haben gut gespielt. Natürlich war der Sieg von Zoli im ersten Match ein Knackpunkt für das ganze Spiel.“ Pavelka war in seinen Gedanken aber auch bei Plüderhausens Spitzenspieler: „Die ganze Grenzauer Truppe wünscht ‚Kara‘ gute Besserung!“
Ergebnisse SV Plüderhausen – TTC Zugbrücke Grenzau
Aleksandar Karakasevic – Zoltan Fejer-Konnerth 2:3 (11:6, 6:11, 11:6, 9:11, 10:12)
Torben Wosik – Andrej Gacina 1:3 (9:11, 6:11, 11:6, 7:11)
Andrew Baggaley – Ruwen Filus 1:3 (11:9, 7:11, 5:11, 5:11)
TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell – Borussia Düsseldorf 3:1
Zweite TTBL-Saisonniederlage für den Rekordmeister und Tabellenführer. Vor 850 Zuschauern in der randvollen Wilmingtonhalle hielten sich die wieder erstarkten Osthessen an der – wie angekündigt – ohne Topstar Timo Boll angetretenen Düsseldorfer Borussia schadlos und stellten damit den Anschluss ans Tabellenmittelfeld her.
Die Play-offs sind nun wieder eine ernsthafte Option für Patrick Franziska und Kollegen, die an diesem Sonntag eindeutig besser waren als die Borussia und in 156 Minuten hochverdient gewannen.
Besonders der chinesische Defensivkünstler Wang Xi – in der Vorrunde eher in bescheidener Verfassung und auch im Pokalfinale von Stuttgart nicht überragend – präsentierte sich in Galaform und fertigte zunächst Christian Süß mit 3:1 ab. Waren in diesem Match noch zwei ganz enge Sätze dabei, lief Wang bei seinem zweiten Einsatz richtig heiß und ließ Patrick Baum beim 11:7, 11:2 und 11:9 ziemlich alt aussehen – die Revanche für seine Niederlage gegen Baum beim „Final8“. Die stehenden Ovationen der begeisterten TTC-Fans waren dem asketischen Asiaten sicher, der mit diesem Erfolg auch den Gesamtsieg der Hessen unter Dach und Fach brachte.
Zuvor hatte Baum zwar zwischenzeitlich die Maberzeller Führung ausgleichen können – nach vier engen Sätzen gegen Robert Svensson ließ der Linkshänder aus Rheinhessen im fünften Durchgang keine Zweifel mehr aufkommen (11:3). Doch der 20-jährige Grand-Finals-U21-Sieger Patrick Franziska hatte postwendend zurückgeschlagen und dem ein Jahr älteren Borussia-Neuzugang Ricardo Walther nur einen Satzgewinn gegönnt. Ansonsten hatte der Ex-Hanauer und Helmut-Hampl-Schüler alles im Griff.
TTC-Präsident Stefan Frauenholz hatte keinesfalls zwingend mit einem Sieg kalkuliert als klar war, dass Timo Boll pausieren würde: „Wir haben uns zu keiner Zeit in der Favoritenrolle gesehen. Auch ohne Boll ist Düsseldorf ein starker Konkurrent und die Duelle waren auch in dieser Aufstellung immer ausgeglichen.“ Die Halbfinals um die Deutsche Meisterschaft hat man in der Rhön noch lange nicht abgeschrieben: „Wir haben noch immer theoretische Chancen auf die Play-off-Plätze. Und solange wir diese haben, glauben wir daran.“
Borussia-Trainer Danny Heister war nicht zufrieden: „Das war heute keine gute Vorstellung unserer Mannschaft. Das können die Jungs besser, wie sie schon oft bewiesen haben. Die Leistungen vor der Pause waren ok, danach hatten wir heute keine Chance und am Ende verdient verloren.“ Manager Andreas Preuß trug es mit Fassung: „Mit dieser Niederlage geht die Welt nicht unter. Aber wir sollten gewarnt sein, uns nicht zu sicher zu fühlen, auch wenn wir weiterhin auf Platz eins der Liga stehen. Die Saison ist noch lang.“
Ergebnisse TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell – Borussia Düsseldorf
Wang Xi – Christian Süß 3:1 (12:10, 6:11, 11:3, 14:12)
Robert Svensson – Patrick Baum 2:3 (9:11, 11:7, 12:10, 9:11, 3:11)
Patrick Franziska – Ricardo Walther 3:1 (11:5, 8:11, 11:6, 11:5)
Wang Xi – Patrick Baum 3:0 (11:7, 11:2, 11:9)
SV Werder Bremen – TTF Liebherr Ochsenhausen 0:3
Im Bundesliga-Duell der Düsseldorf-Verfolger und Play-off-Anwärter zeigten die Profis von TTF Liebherr Ochsenhausen, dass sie die 700-Kilometer-Anreise gut verkraftet hatten und warteten mit ihrer besten bisherigen Saisonleistung auf. Knapp 700 Zuschauer, die mit einer engen Partie gerechnet hatten, staunten nicht schlecht über die Dominanz der Mannschaft aus Oberschwaben beim SV Werder, dessen drei Akteure allesamt selbst schon im Ochsenhausener Dress gespielt hatten.
Dass Kirill Skachkov die aktuelle Nummer sieben der Welt in die Knie zwingen würde, hatten die meisten sicher nicht auf der Rechnung. Doch der 25-jährige Russe spielte gegen Chuang Chih-Yuan vom ersten Ballwechsel an auf hohem Niveau und zeigte sich bissig und top motiviert. Nachdem er die ersten beiden Durchgänge relativ sicher gewonnen hatte (11:8, 11:6) konterte der Mann aus Taiwan und gewann den dritten Satz mit 11:8. Wer nun aber glaubte, dass Skachkov einbrechen würde, sah sich getäuscht. Es ging weiter auf Augenhöhe – und am Ende des dramatischen vierten Durchgangs hatte der 1,91 Meter große TTF-Spieler die Nase vorne (14:12). Mit einer Ligabilanz von 14:3 ist Chuang allerdings noch immer die aktuelle Nummer eins der TTBL.
Skachkov hatte die Steilvorlage gegeben – und seine Teamkollegen investierten alles, um diese auch zu nutzen. Ryu Seung Min machte seinem guten Ruf als Ex-Olympiasieger alle Ehre und dominierte das anschließende Match gegen Adrian Crisan von Anfang an deutlich. Nur im dritten Durchgang wurde es eng, doch in der Verlängerung bewies Ryu Nervenstärke.
Tiago Apolonia hatte in Constantin Cioti (Bundesliga-Bilanz vor dem Spiel: 5:1) einen schwierigen Gegner, gegen den man sein Spiel pausenlos variieren muss, um nicht ins offene Messer zu laufen. Zweimal legte Apolonia vor, zweimal egalisierte Cioti. In Durchgang fünf sah bei einer 8:3-Führung schon alles nach einem Erfolg des Portugiesen aus, doch der Rumäne kämpfte sich nochmals heran, konnte das Match jedoch nicht mehr wenden.
Nach knapp zwei Stunden durften die Ochsenhausener jubeln, die Tabellenplatz zwei eindrucksvoll untermauert hatten und jetzt sogar nur noch zwei Zähler Rückstand auf Spitzenreiter Düsseldorf aufweisen. Ganze drei Sätze hatte man den Bremern, unbestreitbar eine der stärksten Mannschaften der TTBL, gelassen. Besonderes Lob hatte natürlich Kirill Skachkov verdient, dessen genialer Auftritt gegen Chuang frühzeitig die Weichen auf Sieg gestellt hatte.
Der tolle Auftritt von Bremen gibt natürlich auch Selbstvertrauen für die kommenden schweren Aufgaben und kam gerade richtig vor dem Viertelfinalhinspiel in der Champions League gegen Titelverteidiger Fakel Gazprom Orenburg am 3. Februar.
Trainer Dubravko Skoric war mit seinen Jungs natürlich sehr zufrieden: „Es war wohl unser bestes Auswärtsspiel bisher in dieser Saison. Unsere so nicht von allen erwartete Aufstellung war gegen diesen Gegner optimal.“ Skoric meinte dabei speziell Skachkov als Auftaktgegner Chuangs: „Ich hatte kalkuliert, dass Chuang mit Kirills Aufschlägen Probleme haben könnte und bei seinen harten Angriffsschlägen nicht so gut ins Spiel kommen würde. Und so ist es dann auch eingetreten. Kirill hat aber auch sehr gut und konsequent gespielt.“ Auch mit den Darbietungen von Skachkovs Mitspielern war der Mann an der Bande einverstanden: “Ryu hat ein sehr gutes Match gegen Crisan gespielt, Tiago gegen Cioti eigentlich auch, nur hat er zeitweise die taktische Linie nicht ganz durchgehalten. Gegen Cioti darf er nicht zu fest und schnell spielen und muss viel variieren, mal mit viel, mal mit wenig Spin. Im 5. Satz hat das aber wieder gut funktioniert.“
Ryu Seung Min freute sich besonders über den gelungenen Auftakt durch Skachkov: „Kirill hat uns damit sehr erfreut. Immerhin hat er die Nummer 7 der Weltrangliste geschlagen. Danach haben wir alle mit mehr Selbstvertrauen gespielt.“ Dass es diesmal nicht zum Match gegen Chuang kam, konnte er gut verkraften: „Was zählt ist unser Team, und das war heute sehr gut. Ich habe schon so oft gegen Chuang gespielt. Da kommt es auf einmal mehr oder weniger nicht an.“
Groß war die Freude natürlich auch bei Ochsenhausens Präsident Kristijan Pejinovic: „Wahnsinn! Das nenne ich mal ein Ausrufezeichen setzen. Mein voller Respekt für die Mannschaft. Ein 3:0 hätte wohl niemand erwartet.“
Ergebnisse SV Werder Bremen – TTF Liebherr Ochsenhausen
Chuang Chih-Yuan – Kirill Skachkov 1:3 (8:11, 6:11, 11:8, 12:14)
Adrian Crisan – Ryu Seung Min 0:3 (3:11, 7:11, 12:14)
Constantin Cioti – Tiago Apolonia 2:3 (10:12, 12:10, 3:11, 11:7, 8:11)