Am kommenden Samstag ist es bereits so weit, auch wenn viele noch ganz auf Sommer, Sonne und Urlaub eingestellt sind. Titelverteidiger Düsseldorf eröffnet die 46. Saison der Bundesligageschichte mit dem Heimspiel gegen Herne. Tags darauf folgen zwei attraktive Partien mit schwer abzuschätzendem Ausgang: Ochsenhausen empfängt Pokalsieger Saarbrücken, Grenzau die „aufgerüstete“ Truppe aus Bremen. Abgeschlossen wird der erste Spieltag erst am 2. September mit der Begegnung zwischen den klar favorisierten Maberzellern und Plüderhausen.
Letzte Saison war Europas Topliga bereits extrem ausgeglichen besetzt bei ganz hohem Niveau. Letzteres dürfte nun nochmals einen Tick nach oben gehen, da sich einige Klubs markant verstärkt haben, so etwa Bremen, Frickenhausen und natürlich auch Ochsenhausen, das mit Ryu Seung Min nunmehr den Olympiasieger von Athen 2004 unter Vertrag hat. Schade ist, dass aufgrund des Rückzugs der TG Hanau mit neun Teams gespielt werden muss, der Qualität tut dies jedoch keinen Abbruch. Wir stellen nachfolgend kurz die Mannschaften vor und versuchen, ihre Stärken und Schwächen zu analysieren.
Borussia Düsseldorf
Der Rekordmeister, Titelverteidiger und ETTU-Cup-Sieger ist das Aushängeschild der Bundesliga und erneut Favorit in sämtlichen Wettbewerben, auch wenn die Saison 2011/12 für die erfolgsverwöhnten Rheinländer in der ersten Hälfte enttäuschend verlief. Umso mehr will man nun zeigen und sich rehabilitieren für das Scheitern in ECL und Ligapokal. Allerdings dürfte die Spitze diesmal so dicht wie nie zuvor zusammenrücken. Bremen und Ochsenhausen könnten den Rheinländern ebenso im Nacken sitzen wie Saarbrücken und Fulda. Alles steht und fällt mit Timo Boll – und auch der ist nicht unbesiegbar und steht auch nicht ständig zur Verfügung. Wenn man sich allerdings in Erinnerung ruft, wie der sympathische Linkshänder nach dem Einzel-Desaster von London im Teamwettbewerb zurückkam und sich mit großartigen Leistungen in den Dienst der Mannschaft stellte, sollte man ihn auch in der TTBL weiterhin als Lebensversicherung der Borussia ansehen. Letzte Saison spielte Boll inklusive der Play-offs 15:1 – das muss erst einmal getoppt werden. Zudem sind natürlich auch Vizeeuropameister Patrick Baum und der rotblonde Westfale Christian Süß Bundesliga-Topspieler. Der 21-jährige Ricardo Walther, vom Zweitligisten Jülich gekommen, ersetzt den Ungarn János Jakab – unter dem Strich, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, keine nennenswerte Veränderung. Immerhin bringt die Borussia damit das Kunststück fertig, eine ausschließlich aus deutschen Spielern bestehende Truppe ins Titelrennen zu schicken.
1.FC Saarbrücken TT
Die Truppe von der Saar, Bundesligagründungsmitglied 1966/67, ist extrem ausgeglichen und bestens eingespielt. Man geht personell unverändert in die neue Saison mit dem mit Mannschafts-Bronze in London dekorierten DTTB-Nationalspieler und nationalem Einzelmeister Bastian Steger, dem Portugiesen Joao Monteiro, der zuletzt in der TTBL eine fantastische 16:2-Bilanz erspielte, und dem Slowenen Bojan Tokic, seines Zeichens EM-Bronzemedaillengewinner im Herreneinzel. Der Ligapokalsieger, Vizemeister und Champions-League-Halbfinalist der Saison 2011/12 dürfte erneut zu den Topteams der Liga zählen und ist nach wie vor hungrig auf Erfolge. Nicht nur das sportliche Niveau, auch die menschliche Komponente spielt eine große Rolle bei den Saarbrücker Leistungen – die Spieler harmonieren perfekt, und jeder kitzelt zusätzliche Prozente für seine Mitspieler aus sich heraus. Allerdings steht Matthias Landfried, der mit dem Team große Erfolge feierte, nicht mehr als Trainer an der Bande. Der Tischtennislehrer aus Wendlingen wechselte zum kroatischen Topklub STK Dr. Casl. Bereits im ersten Saisonspiel am 26. August kommt es zu einem Spitzenduell, wenn die Saarländer in Ochsenhausen antreten müssen – fast schon mehr als eine erste Standortbestimmung.
TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell
Die Osthessen haben den Generationenwechsel vollzogen: Tischtennis-Ikone Jan-Ove Waldner ist nicht mehr dabei, mancher eingefleischte „Waldi“-Fan wird den schon lange in die Jahre gekommenen „Magier“ zweifellos vermissen. Dennoch haben die Bischofsstädter eine zukunftsorientierte Entscheidung getroffen und die Weichen für die kommenden Jahre gestellt. Wenn der 20-jährige Ex-Jugendeuropameister Patrick Franziska, „Opfer“ des Hanauer Rückzugs, nun in der Rhön seinen großen Durchbruch schaffen sollte, hat man alles richtig gemacht. Viele erwarten von dem Jungnationalspieler aus dem Odenwald, der weiterhin von Helmut Hampl im Frankfurter Olympiastützpunkt trainiert wird, eine baldige Leistungsexplosion. Zudem wurde der noch einige Monate jüngere, vielversprechende Däne Jonathan Groth, der dem Ochsenhausener Liebherr Masters College angehört, verpflichtet. Der Linkshänder schlug letzte Saison im Unterhaus für Bergneustadt auf, war jedoch in der 2. Bundesliga unterfordert. Geblieben ist Abwehr-Ass Wang Xi, in den letzten Jahren stets Spitze in der Liga. Der ausdauernde Punktesammler, der die Fans mit grandios virtuosem Defensivspiel fasziniert, verzeichnete 2011/12 inklusive Play-offs eine tolle 29:7-Bilanz. Und der 29-jährige, kampfstarke schwedische Nationalspieler Robert Svensson ist weiterhin mit an Bord. Eine gute, gefährliche Mischung aus Können, Routine, Talent und jugendlichem Elan. Die Truppe könnte ganz oben mitspielen und ist – gerade nach dem personellen Umbruch – ein heißer Play-off-Kandidat.
TTF Liebherr Ochsenhausen
Dreimal waren die Oberschwaben Deutscher Meister, dreimal Deutscher Pokalsieger und zweimal Gewinner des Europacups. Doch der letzte Titelgewinn liegt acht Jahre zurück. Danach gab es zwar noch reichlich zweite Plätze, jedoch keine Siegespokale mehr. Dies würde man gerne ändern, zumal nach der phasenweise verpatzten Vorsaison, in der man erst gegen Ende der Punktrunde aufdrehte und im Zielfinish wenigstens noch den vierten Play-off-Platz und damit die Qualifikation zur Champions League schaffte. Man hat den wohl namhaftesten Neuzugang der Saison 2012/13 in Deutschlands Süden gelotst, nämlich den 30-jährigen Südkoreaner Ryu Seung Min. Die aktuelle Nummer 16 der Welt – Olympiasieger in Athen 2004 – soll zum neuen Führungsspieler avancieren und den ambitionierten Klub so weit wie möglich nach oben bringen. Getrennt hat man sich von Andrej Gacina, der in Ochsenhausen nicht so recht Fuß fasste, geblieben sind dagegen spielstarke Akteure wie Tiago Apolonia und Kirill Skachkov. Dahinter lauert der 19-jährige Liam Pitchford auf seine Chance, TTBL-Format unter Beweis zu stellen. Das Viertelfinale der Königsklasse, Pokal „Final Eight“ sowie die TTBL-Play-offs sind lediglich die Minimalziele. Präsident Kristijan Pejinovic: „Wenn sich Ryu bei uns wohl fühlt, glaube ich ganz sicher, dass wir stärker sind als in der letzten Saison. Wenn sich die Jungs schnell als Team finden, ist vielleicht auch ein Titel in einem der Wettbewerbe drin. Wir dürfen unsere sehr starke Konkurrenz hierbei allerdings nicht aus dem Auge verlieren.“
SV Werder Bremen
Der nördlichste Bundesligist will jedes Jahr ein Stück höher hinaus und arbeitet konsequent daran. Der Fünfte der Saison 2011/12 ließ den Schweden Jens Lundquist sowie den Inder Kamal Sharath Achanta ziehen, der an der Weser nicht wirklich heimisch geworden war. Dafür angelte man sich mit dem Olympiavierten von London und Weltranglistenachten Chuang Chih-Yuan einen Weltklassespieler. Mit Adrian Crisan, der im Achtelfinale der Olympischen Spiele Timo Boll ausschaltete, hat man einen weiteren Topakteur unter Vertrag. Der Rumäne ist aktuell die Nummer 22 des Weltklassements, seine beste Platzierung seit vier Jahren. Ebenfalls geblieben ist dessen Landsmann Constantin Cioti (WRL 132), der in der letzten Rückrunde (5:2) zum Leistungsträger bei den Grün-Weißen avancierte. Der zweite Neuzugang Paul Drinkhall, englische Nummer eins und derzeit auf Position 83 des ITTF-Rankings notiert, komplettiert das Team. Eine richtig starke Mannschaft, die sehr weit oben mitspielen könnte. Werder-Trainer Cristian Tamas: „Dieses Personal war vor ein paar Jahren noch undenkbar für uns. Wir wollen in die Play-offs.“
TTC Zugbrücke Grenzau
Der Bundesliga-Dino aus dem Westerwald – man spielt seit 30 Jahren ununterbrochen im Oberhaus, gleichzeitig feiert der Verein sein 60. Jubiläum –, ist diesmal besonders schwer einzuschätzen. Nach einer enttäuschenden Saison, die auf Platz sieben endete, soll nun alles besser werden. Man trennte sich von Spitzenspieler Li Hu und Ersatzmann Adrian Dodean. Dafür kamen zwei Ex-Ochsenhausener ins Brexbachtal, nämlich Defensivkünstler Ruwen Filus, zuletzt in Hanau unter Vertrag, und der Kroate Andrej Gacina, der in Oberschwaben zu selten das Niveau abrufen konnte, das man von ihm erwartete. Vom alten Kader stehen weiterhin Zoltan Fejer-Konnerth, der sich für die schwache Rückrunde der Vorsaison (3:10) rehabilitieren möchte, und Tomas Pavelka zur Verfügung. Sollten die beiden Neuen einschlagen, könnte die Truppe manchen ärgern. Der sportliche Klassenerhalt ist nur das Minimalziel, eigentlich möchte man so nahe wie möglich an die Play-off-Ränge herankommen. Pavelka, der nunmehr als Spielertrainer Chefcoach Anton Stefko im Training und am Rande der Box unterstützt: „Die Vorbereitung verlief sehr gut. Wir haben eine sehr gute Mischung aus Jugend und Erfahrung im Team. Ich sehe unsere Mannschaft in der Mitte der Tabelle mit Blick nach oben, auf die Play-offs.“
TTC Ruhrstadt Herne
Die Ruhrstädter blieben letzte Saison lange unter ihren Möglichkeiten und dümpelten monatelang in der Abstiegszone herum. Erst in der Rückrunde gelang die Wende. Ein solches Wechselbad der Gefühle möchte man im „Pott“ nicht nochmals erleben und diesmal von Anfang an Gas geben. Doch die Konkurrenz ist stark. Jakub Kosowski kam vom Ligakonkurrenten Frickenhausen an die Ruhr, und mit Hannes Dösseler wurde auch ein neuer Trainer verpflichtet. Seiya Kishikawa, Petr Korbel und Erik Bottroff stehen indes nicht mehr zur Verfügung. Mit dem Südkoreaner Kim Jung Hoon, Kosowski und Dauerbrenner Lars Hielscher schickt man ein ligataugliches, recht ausgeglichenes Terzett in die Runde. Bäume wird es vermutlich jedoch nicht ausreißen können. Und ob sich das anvisierte Saisonziel „Realisierung eines frühzeitigen Klassenerhalts“ verwirklichen lässt, steht noch in den Sternen. Trotz der Klasse eines Kim, der sich auch menschlich als Volltreffer erwiesen hat, und der Erfahrung sämtlicher Spieler tippen derzeit viele Beobachter auf Rang acht – wir schließen uns einstweilen an.
TTC matec Frickenhausen
Frickenhausen zählte jahrelang zu den Topteams der Bundesliga. 2006 und 2007 war man sogar Deutscher Meister. Letzte Saison startete man als Aufsteiger furios, wurde dann aber nach hinten durchgereicht. Man trennte sich von der kompletten Mannschaft und verpflichtete stattdessen mit dem erst 17-jährigen Japaner Koki Niwa die amtierende Nummer 18 der Welt. Wenn Niwa nicht zur Verfügung steht – mit dem 1,62 Meter kleinen und 48 Kilo leichten „Fliegengewicht“ sind zehn Einsätze vertraglich vereinbart –, wird für ihn Landsmann Kenta Matsudaira am Tisch stehen, der seinen Bruder Kenji im Neuffener Tal ablöst. Aus Hanau kam der baumlange, für seine tolle kämpferische Einstellung bekannte Steffen Mengel. Das Team komplettiert Wang Yang, ein in China geborener Defensivspieler mit slowakischem Pass. Dahinter stehen noch die Talente aus der Zweitligamannschaft, unter anderem die beiden Söhne von Trainer Jian Xin Qiu, die sich so dicht wie möglich an den TTBL-Kader heranarbeiten sollen. Präsident Rolf Wohlhaupter-Hermann: „Unser Ziel ist, mit jugendlichem Elan und viel Können gegen jedes Team um jeden Ball und Punkt zu kämpfen.“ Der Kader hat Qualität, Frickenhausen ist zwar kein lupenreiner Play-off-Anwärter, könnte für manchen ambitionierten Klub jedoch zum Stolperstein werden.
SV Plüderhausen
Die Remstaler, die die Saison 2011/12 als Tabellenschlusslicht beendeten, konnten Leung Chu Yan und Thomas Keinath nicht halten. Doch wenigstens Publikumsidol Aleksandar Karakasevic blieb den „Gelben“ treu. Auch Jungnationalspieler Philipp Floritz steht weiterhin im Kader der Schwaben. Von Frickenhausen stieß mit Torben Wosik eine nationale Tischtennis-Ikone hinzu. Neue Nummer vier ist der 29-jährige Engländer Andrew Baggaley. Bei aller Begeisterungsfähigkeit der Fans und der tollen Hand von „King Kara“ muss man realistisch feststellen, dass alles andere als Platz neun für den SVP eine faustdicke Überraschung wäre. Da es aber fraglich ist, ob überhaupt ein Verein den bitteren Weg ins Unterhaus antreten muss – dazu müssten schon zwei Zweitligisten nach oben wollen und sich entsprechend qualifizieren –, dürften die Schwaben die Saison ohne Bluthochdruck und Herzrasen angehen und sich über jedes Erfolgserlebnis freuen. Spielen die besten Drei, hat man durchaus Chancen, den einen oder anderen Gegner in arge Bedrängnis zu bringen. Das „Opferlamm“ der Liga will man jedenfalls nicht sein.